Zwischen Säkularisierung und Extremismus

VertreterInnen der LWB-Mitgliedskirchen und MitarbeiterInnen beim ersten Treffen der Studiengruppe zu Religion im öffentlichen Raum in Stuttgart. Foto: Dr. Thilo Fitzner

Internationale Studiengruppe diskutiert lutherische Präsenz in der Öffentlichkeit

(LWI) – Was bedeutet lutherisch in einer pluralistischen Gesellschaft? Mit dieser Frage beschäftigt sich ein zweijähriger Studienprozess, der am 29. Januar 2015 in Stuttgart beginnt. Die 2014 vom Gremium leitender LWB-AmtsträgerInnen einberufene Studiengruppe unter dem Vorsitz von Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén (Schwedische Kirche) wird zwei Jahre lang die Frage lutherischer Präsenz im öffentlichen Raum diskutieren und wird eine Erklärung erarbeiten, die dem LWB-Rat 2016 zur Beschlussfassung vorgelegt werden soll.

Der Gruppe gehören je ein Theologe bzw. eine Theologin aus allen sieben Regionen des LWB an; in ihr sind zudem verschiedene Generationen vertreten. Die Teilnehmenden werden sich über Perspektiven des afrikanischen, asiatischen, europäischen sowie latein- und nordamerikanischen Kontexts austauschen und Informationen über relevante LWB-Prozesse erhalten. Die von der Abteilung des LWB für Theologie und Öffentliches Zeugnis organisierte Tagung findet vom 29. bis 31. Januar in der Evangelischen Akademie Bad Boll statt.

Ökumenische und internationale Debatten

Die Studiengruppe untersucht aus lutherischer Perspektive, inwiefern das Vorhandensein oder die Abwesenheit religiösen Lebens die Öffentlichkeit prägt. Die Theologen wollen über mögliche Grundsätze für die Beziehungen zwischen Glaubensgemeinschaften und Staat nachdenken. Weiterhin soll das Zusammenleben unterschiedlicher Religionen in pluralistischen Kontexten untersucht werden und wie sie dazu beitragen, Konflikte beizulegen.

Lutherisches Engagement in der Öffentlichkeit wird bereits in zahlreichen LWB-Mitgliedskirchen diskutiert. LWB-Mitgliedskirchen sind an nationalen und regionalen Dialogen sowie sonstigen Initiativen im öffentlichen Bereich beteiligt. Vor dem Hintergrund dieser ökumenischen und internationalen Debatten soll im Laufe des Studienprozesses eine lutherische Perspektive formuliert werden. Die 2014 vom Gremium leitender LWB-AmtsträgerInnen einberufene Studiengruppe unter dem Vorsitz von Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén (Schwedische Kirche) wird eine Erklärung erarbeiten, die dem LWB-Rat 2016 zur Beschlussfassung vorgelegt werden soll.

Der Studienprozess sei wichtig für den LWB, stellt Jackelén fest, insbesondere angesichts seiner globalen Vision, das Evangelium zu verkündigen und sich gemeinsam zu engagieren „für eine gerechte, friedliche und versöhnte Welt“.

Mission und Kontext

Mit Blick auf den schwedischen Kontext erklärte sie: „Wir müssen herausfinden, was es praktisch bedeutet, unseren Glauben dynamisch zu leben. Als lutherische Kirche stehen wir an der Schnittstelle von zunehmender Säkularisierung einerseits und wachsender Sichtbarkeit von Religion andererseits. Dazu kommt, dass Religionsgemeinschaften vor neuen, sich verändernden Anforderungen an ihre diakonische Arbeit stehen.“ Angesichts der Vielschichtigkeit von Verkündigung und Dienst vor Ort und weltweit sei diese Sensibilität für ökumenische und interreligiöse Fragen erforderlich.

Jackelén erwartet von dem Studienprozess eine klare Formulierung wichtiger theologischer Einsichten. Diese sollen die lutherischen Kirchen dabei unterstützen, ihre Mission zu leben in einer Zeit, die geprägt ist von „Polarisierungen, Fundamentalismen verschiedener Art und gewalttätigen Ideologien“. Die Mission, so Jackelén, sei „überall die gleiche und sieht doch unterschiedlich aus, je nach dem Kontext, in dem wir arbeiten, und den Entscheidungen, die verschiedene Teile der Kirche getroffen haben.“

LWB-Generalsekretär Pfr. Martin Junge unterstrich, Aufgabe der Studiengruppe sei es, Einsichten aus der lutherischen Theologie zur wahren Rolle der Religion im öffentlichen Raum zu formulieren, insbesondere im Blick auf aktuell „hitzige Debatten“ zu diesem Thema. Mancherorts werde das religiöse Leben aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Anderswo würden extreme Gewaltausbrüche in religiöse Bezüge gesetzt und, lösten so eine „destruktive Dynamik“ aus.

„Es ist wichtig, den religiösen und den politischen Bereich in der Gesellschaft als zwei unterschiedliche Bereiche zu unterscheiden“, so Junges Fazit.