Mehr als eine Million Flüchtlinge in Uganda

Flüchtlinge warten in der Flüchtlingssiedlung Palorinya auf die Zuteilung von Land. Foto: LWB/C. Kästner

Ostafrika braucht in seiner größten Flüchtlingskrise mehr Unterstützung

ADJUMANI, Uganda/GENF (LWI)„Die Milizen haben auf jeden geschossen, wir haben Mütter, Väter, Säuglinge und Kinder bei diesen Angriffen verloren“, sagt der 35 Jahre alte Watson Odaga, ein südsudanesischer Flüchtling in der Siedlung Palabek im Norden Ugandas. Männer und Jungen seien entführt und zwangsrekrutiert worden, fügte er hinzu. Andere berichten über Vergewaltigungen, Entführungen und Angriffe auf Menschen, die zu Fuß nach Uganda geflüchtet sind.

Für das Personal des Lutherischen Weltbundes (LWB) mit Einsatzort Uganda ist es mittlerweile traurige Normalität, solche Geschichten zu hören. Seit mehr als zwölf Monaten kümmern sie sich um Flüchtlinge aus dem Südsudan. Da sich die Kampfhandlungen mittlerweile auch auf den südsudanesischen Bundesstaat Eastern Equatoria ausgedehnt haben, sind jeden Tag Tausende Menschen gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.

Uganda nimmt weiterhin die größten Flüchtlingskontingente auf, obwohl das Land heute schon Afrikaweit die meisten Flüchtlinge beherbergt. Die Anzahl der aus dem Südsudan geflüchteten Menschen hat vor kurzem die 1-Million-Grenze überschritten. 85 Prozent sind Frauen und Kinder. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berichtet, dass in den letzten zwölf Monaten täglich im Durchschnitt 1.800 Menschen dort angekommen sind. 

Trotz der Herausforderungen infolge des neuen Zustroms aus dem Südsudan hält Uganda an seiner überaus fortschrittlichen Politik zum Schutz von Flüchtlingen fest. Die Regierung verfolgt eine Politik der offenen Tür und garantiert den Flüchtlingen Bewegungsfreiheit, das Recht auf Arbeitssuche und Geschäftsgründungen und den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung.  Flüchtlinge in Uganda leben nicht in Camps, sondern in Siedlungen. Sie erhalten ein Stück Land, damit sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Aus diesem Grund gilt Uganda als Vorbild für zahlreiche andere Länder, die Flüchtlinge aufnehmen.

Immenser Bedarf an humanitärer Hilfe

Auf einem UN-Gipfeltreffen zur globalen Flüchtlingskrise haben sich alle 193 UN-Mitgliedstaaten im September 2016 auf den Schutz und die Integration von Flüchtlingen verpflichtet. Das Büro des Premierministers von Uganda (OPM), das für die Flüchtlinge im Land zuständig ist, hat den Rahmenplan für Flüchtlingshilfemaßnahmen (CRRF), der auf diesem Gipfel vorgestellt wurde, auf die eigene Bedarfslage zugeschnitten. Unter anderem hat sich das OPM verpflichtet, Ugandas fortschrittliche Flüchtlingspolitik beizubehalten und zu unterstützen, Asylräume zu schützen und Gastgebergemeinschaften beizustehen.

Der LWB ist eine der ersten Organisationen, die auf diese Notlage reagiert hat, und auch eine der ersten Organisationen, die bei der Umsetzung dieses Rahmenplans Hilfestellung gibt. „Wir haben seit Januar 2017 zur Unterstützung der Flüchtlinge aus dem Südsudan 86 neue Teammitglieder eingestellt. Im Laufe des Jahres hat der LWB mehr als 433.000 Flüchtlingen in Norduganda geholfen“, sagt Paul Orikushaba, LWB-Programmkoordinator. Trotz dieser erweiterten Kapazitäten werden noch weitere zusätzliche Finanzmittel erforderlich sein, um den Verpflichtungen des CRRF nachkommen zu können. 

„Besonders schutzbedürftige Flüchtlinge wie ältere Personen, Familien, die unbegleitete Kinder aufnehmen, und Menschen mit Behinderungen bekommen in der Regel fertig gebaute Häuser –  alle anderen erhalten Baumaterial“, erläutert Orikushaba die Hilfsaktionen. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden aber zahlreiche Menschen längere Zeit auf ein Haus warten, da unsere Mittel begrenzt sind und wir denjenigen zuerst helfen müssen, die am dringendsten Schutz brauchen.“   

Appell für mehr Unterstützung

Orikushaba sagt, dass in allen Bereichen, in denen der LWB tätig ist, mehr Finanzen gebraucht werden: Unbegleitete Minderjährige und Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt brauchen mehr Schutzhäuser. Sicherheitsbeauftragte fordern eine umfassendere Sicherheitsbeleuchtung für dunkle Straßen und Wege, um Angriffen auf Frauen und Mädchen vorzubeugen, sowie Sensibilisierungskampagnen zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt und Unterstützung für Überlebende.

„Die Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in den Siedlungen sind nicht ausreichend. Das Straßennetz ist reparaturbedürftig. Der jetzige Straßenzustand schränkt unsere Möglichkeiten ein, in einigen Vierteln der Siedlung Flüchtlinge mit Dienstleistungen zu versorgen“, fährt Orikushaba fort. Er erwähnt ebenfalls, dass es in den Flüchtlingssiedlungen und Gastgebergemeinschaften eine noch viel größere Nachfrage nach Livelihood-Initiativen gibt.

Die größte Herausforderung aber ist die Bereitstellung sauberen Trinkwassers. „Der LWB hat für die Flüchtlinge und die Gastgebergemeinschaften in der Gegend von Adjumani, Palorinya und Palabek 250 Brunnen gebohrt. Jeder Flüchtling erhält pro Tag etwa 16 Liter Wasser“, erklärt Richard Wakholi, LWB-Berater für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH). Das erfüllt knapp die humanitären Standards in Notsituationen. Dazu kommt, dass der größte Teil des Wassers täglich mit großen Tanklastzügen angeliefert wird – eine kostspielige und nicht zukunftsfähige Methode.

„Wir brauchen mehr Geld, um für alle die Menschen zu sorgen, die aus Angst um ihre Sicherheit hierhergekommen sind“, sagt Orikushaba. „Uganda übernimmt hier einen wichtigen Teil und nimmt die Flüchtlinge auf, kann aber diese Notlage nicht allein bewältigen.“

Der LWB ist Mitglied des nationalen Forums zivilgesellschaftlicher Akteure im Universellen Periodischen Überprüfungsverfahren (UPR) und leitet dort die Organisationen, die in der Flüchtlingsarbeit engagiert sind.

In dieser Funktion spricht der LWB gegenüber dem UN-Menschenrechtsrat spezifische Empfehlungen für die Rechte von Flüchtlingen aus. Der LWB verfolgt diese Empfehlungen durch Zusammenarbeit mit der Regierung und auf Basis des Rahmenplans für Flüchtlingshilfemaßnahmen in Uganda.