Malaysia: „Ein weiter gefasstes Verständnis von Geschlechterrollen“

Pfarrerin Au Sze Ngui bei der FKG-Asien-Tagung 2014. Foto: LWB/C. Rendón

Pfarrerin Au Sze Ngui spricht anlässlich des Treffens des LWB-Frauennetzwerks in Asien über Gendergerechtigkeit

(LWI) –12 asiatische Länder waren bei einem Treffen des Netzwerks von Frauen in Kirche und Gesellschaft (FKG), dem Frauenreferat des Lutherischen Weltbundes (LWB), in Asien vertreten. Ziel des Treffens vom 8. bis 13. August in Kuala Lumpur (Malaysia) war es, die von asiatischen Frauen geleisteten Beiträge zum lutherischen Reformationsprozess herauszuarbeiten und sich mit der Umsetzung des Grundsatzpapiers des LWB zum Thema Gendergerechtigkeit zu befassen. In einem Interview äussert sich Pfarrerin Au Sze Ngui von der Basler Christlichen Kirche Malaysias über die Bedeutung und Relevanz des Grundsatzpapiers in Asien.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ergebnisse dieser FKG-Tagung?

Es ist zweifellos von Vorteil, dass alle Subregionen Asiens so stark vertreten waren. Mit 37 Teilnehmenden unterschiedlichen asiatischen Hintergrunds Themen aus dem Bereich Gendergerechtigkeit zu behandeln, bedeutet für die Kirche einen wichtigen Schritt nach vorn. Die Teilnehmenden haben ihre Bereitschaft signalisiert, das LWB-Grundsatzpapier in viele asiatische Sprachen zu übersetzen, was uns zeigt, dass sie sehr ungeduldig darauf warten. Sie wollen sich das Dokument zu eigen machen und aus ihm die Kraft schöpfen für einen Wandel in der eigenen Kirche und im eigenen Umfeld. Für mich persönlich war es von besonderer Bedeutung, dass mich die FKG  ermutigt hat, als Theologin einen Beitrag innerhalb dieses Prozesses zu leisten.

Wie stellen Sie sich mit Blick auf den asiatischen Kontext die konkrete Umsetzung des LWB-Grundsatzpapiers Gendergerechtigkeit vor?

Die asiatische Gesellschaft verändert sich. Die Migration in die Städte und die Tatsache, dass Frauen zunehmend mehr über Freiheit verfügen und am Erwerbsleben teilnehmen, hat ein weiter gefasstes Verständnis von Geschlechterrollen gebracht. In einer solchen Situation bietet die Wandel wirkende Dimension des Evangeliums, das Gendergerechtigkeit fordert, breitere Möglichkeiten für die Umsetzung.

Das Evangelium ebnet den Weg für die Reflexion über Gendergerechtigkeit. Damit haben wir uns die ganze Tagung lang beschäftigt. Die erfolgreiche Umsetzung des Grundsatzpapiers geschieht, wenn der Wandel, den das Verstehen des Evangeliums bewirkt, stattgefunden hat.

Vor welche Herausforderungen könnte sich ein solcher Wandlungsprozess im Sinne von mehr Gendergerechtigkeit im asiatischen Kontext gestellt sehen?

Wie der Begriff Gerechtigkeit verstanden wird, hängt vom Kontext ab. Er könnte in jeder Gesellschaft unterschiedliche Bedeutung haben. Für uns als Lutheranerinnen und Lutheraner jedoch gilt: weil wir an einen gerechten Gott glauben, der Frauen und Männer gleich geschaffen hat, können wir die Kernwerte, die sich in dem Grundsatzpapier widerspiegeln, weitergeben.

Diese theologische Grundlage muss betont werden, denn sonst wird Gendergerechtigkeit fälschlich als westliches Konzept wahrgenommen. In asiatischen Gesellschaften spielen Traditionen eine zentrale Rolle. Es mag eine Herausforderung darstellen zu klären, wie der Gendergerechtigkeit in einem Kontext Beachtung verschafft werden kann, in dem alte Gewohnheiten nach wie vor hoch geschätzt werden. Besonders deutlich erkennbar ist dies in ländlichen Gebieten, wo weiterhin eine sehr strenge Trennung der Geschlechterrollen besteht. Das kann die Chancengleichheit für Frauen und Mädchen verhindern. Häufig begegnen ihnen Diskriminierung und Gewalt, die in Familien wie im institutionellen System toleriert und reproduziert werden. Der LWB leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, solche Situationen kritisch zu hinterfragen, und verhilft Frauen zur Emanzipation. Trotzdem bleibt dies ein problematischer Kontext.

Welche Beiträge können Theologinnen der Region in die Diskussion über Gendergerechtigkeit einbringen?

Im Glauben finden wir Zuflucht vor der Unsicherheit. Wir lesen im Wort Gottes, wenn wir Trost suchen. Wenn wir uns aber entschliessen, uns auf den Weg zu mehr Gendergerechtigkeit zu machen, müssen wir als Theologinnen ein kritisches Denken einbringen und so diejenigen Auslegungen der Bibel hinterfragen, die zu Unrecht gegenüber Frauen führen. Dieses Hinterfragen ist in Asien nötig, aber längst nicht nur dort relevant.

Dazu kommt meines Erachtens noch, dass wir sowohl Theologinnen wie Theologen einbinden müssen. Meine Erfahrung innerhalb der Gruppe von Theologinnen und Theologen des LWB-Symposiums „Asiatisches Luthertum“ führt mich zu der Erkenntnis, dass wir die Dinge auf besondere, komplementäre Art und Weise analysieren. Der Reichtum der Erfahrungen von Frauen, die theologisch arbeiten, wurzelt oft in einem praktischeren Ansatz und das Gespräch mit männlichen Kollegen ist sehr wichtig, damit wir die gesamte Bandbreite von Themen im Bereich Gendergerechtigkeit abdecken, über die auch die Kirche als Ganze nachdenken und die sie bearbeiten muss.

Weitere Informationen zur Tagung (in englischer Sprache)