Als Geschäftsfrau erfolgreich statt auf Essensrationen angewiesen

Vestina betreut eine Kundin bei ihrem Geschäft für mobiles Bezahlen in der Kyangwali-Flüchtlingssiedlung. Foto: LWB-Uganda

LWB-Projekt in Uganda begleitet Geflüchtete bei der Existenzgründung

KYANGWALI/LAMWO/ADJUMANI, Uganda/GENF (LWI) – „Manchmal meine ich, ich träume – es ist immer noch unglaublich, dass meine Familie zwei Mahlzeiten am Tag bekommt, dass wir kaufen können, was wir brauchen, und dass ich meine Kinder zur Schule schicken kann. Mein Gott ist der lebendige Gott“, bekräftigt Amal. Die Geflüchtete stammt aus dem Südsudan und hatte die Chance, an einem LWB-Projekt teilzunehmen, das Entwurzelte beim Aufbau einer eigenen Existenz unterstützt.

Das SALIMA-Projekt („Safeguarding Lives with Integrated Multi-sector Assistance“, übersetzt etwa: Leben schützen durch integrierte, sektorübergreifende Hilfen) ist auf zwei Jahre angelegt. Es unterstützt 250.000 Geflüchtete in den Siedlungen Adjumani, Kyangwali, Lamwo und Palorinya sowie bedürftige Mitglieder der dortigen einheimischen Bevölkerung. Das Projekt umfasst die Dimensionen Wasser, sanitäre Anlagen und Hygiene (WASH), Schutz sowie Existenzgrundlagen. Zielgruppen sind Frauen und insbesondere Alleinerziehende, Überlebende von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie (Pflege-)Eltern großer Familien, die zuvor vollständig von der Verteilung von Lebensmitteln abhängig waren.

Amal kam 2013 während des südsudanesischen Bürgerkriegs in die Flüchtlingssiedlung Palabek in Uganda. Der LWB hat ihr im Rahmen einer Bildungsmaßnahme die nötigen Kompetenzen vermittelt und sie mit einer finanziellen Starthilfe bezuschusst, so dass sie sich im Rahmen einer landwirtschaftlichen Genossenschaft selbständig machen konnte. Heute schafft es die 30-jährige Alleinerziehende, ihre Großfamilie mit sieben Personen zu ernähren.

Neuanfang

Entwurzelt haben die Geflüchteten die Kriege im Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo. In der Regel konnten sie nur mitnehmen, was sie selbst tragen konnten. Ihre Häuser und alles, was dort zurückbleiben musste, sind zerstört. Das Leben in Uganda ist ein Neuanfang. Die Kombination aus der Gründung landwirtschaftlicher Gruppen sowie lokaler Spar- und Kreditgenossenschaften (sog. Village Loans and Savings Associations, VLSA) und berufsbildenden Maßnahmen ermöglicht es den Beteiligten, ein Einkommen zu erwirtschaften und ihr Erspartes gewinnbringend zusammenzulegen. So hat die einzelne Person die Möglichkeit, sich mit einem eigenen Kleingewerbe selbständig zu machen.

Mit ihrer Arbeit in der landwirtschaftlichen Genossenschaft konnte Amal 500.000 Uganda-Schilling (USD 134) ansparen. Damit kaufte sie eine Nähmaschine und Stoffe für Schuluniformen und bezahlte die Miete für ihre Schneiderei.

Andere Frauen investierten das mit ihrer Ernte erwirtschaftete Geld in Geflügel oder andere Nutztiere, den Bau eines Hauses oder die Eröffnung eines kleinen Ladens. Das Programm folgt den Richtlinien der staatlichen Settlement Transformation Agenda, die wirtschaftliche Eigenständigkeit und Resilienz unter Geflüchteten und einheimischer Bevölkerung in den sie aufnehmenden Gemeinwesen fördern will.

Entwicklung und Schutz

Die Beteiligten entscheiden nach der Analyse ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten und einer entsprechenden Bildungsmaßnahme über ihre zukünftigen wirtschaftlichen Aktivitäten. „Eine Woche lang wurde uns betriebswirtschaftliches Wissen vermittelt und wir haben überlegt, in welcher Branche wir uns selbständig machen wollen“, erinnert sich Vestina, die aus dem Kongo kommt und in der westugandischen Siedlung Kyangwali lebt. „Mich hat der Mobile Money Service interessiert, weil man da kein extra Büro braucht.“

Der Mobile Money Service ist in Afrika eine beliebte Alternative zur Bank: Per Mobiltelefon kann Geld eingezahlt, überwiesen und in Empfang genommen werden. Zusätzlich kann man über entsprechend autorisierte Agenturen Waren kaufen, Rechnungen bezahlen und Bargeld abheben. Vestina, die eine solche Agentur betreibt, erhält für jede über sie abgewickelte Transaktion eine Provision.

Dabei geht es um mehr als nur den finanziellen Gewinn. Frauen profitieren erheblich von der größeren Kontrolle über die Haushaltsfinanzen, stellt LWB-Mitarbeiterin Heidi Lehto fest: „Vor dem Hintergrund, dass das Vorenthalten von Mitteln eine der häufigsten Formen geschlechtsspezifischer Gewalt in Haushalten von Geflüchteten ist, setzt sich die sozioökonomische Wirkung einkommensschaffender Maßnahmen für Frauen über sie selbst hinaus fort: Mütter geben dem Wohl ihrer Kinder gewöhnlich hohe Priorität.“

Lehto führt weiter aus: „Wir haben während des Corona-Lockdown einen wachsenden Trend häuslicher wirtschaftlicher Gewalt beobachtet und sind entschlossen, die Schwächsten zu schützen, indem wir ihnen Kompetenzen und Mittel an die Hand geben.“

Das eigene Potenzial entfalten

Nach einem knappen Jahr sieht man die Veränderungen: Viele Teilnehmende berichten, dass sie sich heute endlich genug Lebensmittel kaufen können und ihre Ernährung sich verbessert hat. Das Geld, das sie mit ihren Kleinunternehmen erwirtschaften, fließt in Schulgebühren und wird in die Ausweitung ihrer Aktivitäten reinvestiert. „Wir überleben und entwickeln uns stetig weiter“, berichtet Vestina, die inzwischen eine erfolgreiche Mobile Money Service-Agentur betreibt.

Amal betätigte sich zunächst in der Landwirtschaft und arbeitete dann als Schneiderin. Heute besitzt sie außerdem ein Motorrad und einen Laden, in dem aus Altteilen gebaute Fahrräder verkauft werden. Aufgrund der Corona-Pandemie bestellten LWB und UNHCR bei ihr Alltagsmasken für die Geflüchteten in der Siedlung Palabek. Nun verdiente sie genug, um ihre Kinder auf eine Privatschule schicken zu können. Amals Fazit: „Ohne dieses Projekt hätte ich nie herausgefunden, was ich kann und heute erreicht habe.“