„Kirchen ermutigen, Kirchen für andere zu sein“

Pfarrerin Rolf Steffansson. Foto: LWF/S. Gallay

Geschäftsführer Pfr. Rolf Steffansson berichtet über die Mission FELM

Genf, Schweiz (LWI) -  Die Finnische Evangelisch-Lutherische Mission (im Ausland unter der Bezeichnung FELM bekannt) feiert im kommenden Jahr ihren 160. Gründungstag. FELM verfügt im Ausland und in Finnland jeweils über 100 MitarbeiterInnen und ist weltweit in 30 Ländern aktiv. LWI hat mit dem Geschäftsführer Pfr. Rolf Steffansson über das Missionsverständnis von FELM, Beziehungen zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden und die Herausforderungen der heutigen Missionsarbeit gesprochen.

Lutherische Welt-Information (LWI): Können Sie uns etwas über die Arbeit von FELM und Ihr Verständnis von Mission berichten?

Pfr. Steffansson: Wir haben heute ein ganzheitliches Verständnis von Mission, das sehr nahe an der Auffassung des Lutherischen Weltbundes ist. Wir sehen, dass Mission Verkündigung und Diakonie beinhaltet und dass dies ebenfalls Entwicklungszusammenarbeit und Fürsprache bedeutet, und wir definieren unsere Arbeit in vier Themen der Hoffnung:

Als Missionsorganisation sehen wir es zunächst als sehr wichtig an, dass die Kirche auch Kirche für andere ist. Wir sprechen über inklusive Kirchen, die Raum für Menschen bieten, die an der Rand gedrängt oder von der Gesellschaft sogar verstossen wurden. Das ist so zu verstehen, dass sowohl die Sprache als auch die Tätigkeit der Kirchen so zu gestalten sind, dass sie den Bedürfnissen dieser marginalisierten Menschen angepasst werden und diese Menschen am Rand der Gesellschaft somit auch die Chance haben, in den Kirchen wahrgenommen zu werden.

Das zweite Thema sind Menschenrechte und Menschenwürde. Wir arbeiten mit Mädchen und Frauen, Menschen mit Behinderungen, jungen Menschen in prekären Lebenssituationen sowie ethnischen Minderheiten und Sprachminderheiten.

Das dritte Thema ist Fürsprachearbeit, hier geht es uns in erster Linie um soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Wir möchten über die gemeinsame Nutzung der Ressourcen unserer Welt sprechen, und wir setzen uns ebenfalls für einen gerechten Frieden ein, denn das vierte Hoffnungsthema ist Friede und Versöhnung. Hier arbeiten wir an der Entwicklung von Friedensgesprächen und übernehmen die psychosoziale Betreuung von Konfliktopfern.

Praktizierter Glaube

Inwiefern unterscheidet sich dieses Verständnis von Mission vom traditionellen Bild der Missionierenden, die in ein fremdes Land gehen und die Menschen dort zum Christentum bekehren?

Meiner Meinung nach gibt es hier erhebliche Unterschiede, denn in unserem Gespräch wird ja schon deutlich, dass wir Mission als ganzheitliche Aufgabe sehen. Ich habe selbst in Tansania gearbeitet, und die Menschen in meiner Gemeinde haben ganz dezidiert darauf hingewiesen, dass man einem Menschen, der Hunger hat, keine Predigt halten kann. Wenn wir glauben, dass Missionsarbeit nur aus Predigen besteht, dann irren wir uns gewaltig. Wie können Menschen Gottes Liebe erfahren, wenn wir nur darüber sprechen? Wir müssen das in die Praxis umsetzen und lernen, wo die Bereiche im Leben der Menschen sind, die Gottes Liebe am stärksten brauchen.

Als Menschen lutherischen Glaubens legen wir ausserdem Wert auf die Feststellung, dass der Glaube nicht durch uns entsteht, sondern dass Gott ihn in die Herzen der Menschen legt. Unsere Arbeit besteht darin, zu leben, was wir glauben. Wir wollen selbst durch das Evangelium verändert werden und dann danach leben, so dass sich auch die Gesellschaften verändern, in denen wir leben.

Welches sind die grössten Herausforderungen in den Ländern, in denen Sie arbeiten?

Die grösste Herausforderung sind die wachsende Verzweiflung und das zunehmende Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Ich sehe, dass der Klimawandel das Leben der Menschen bedroht. Auf der einen Seite haben wir in vielen Ländern immer weniger Ressourcen, auf der anderen Seite aber eine wachsende Bevölkerung, die diese Ressourcen für sich nutzen muss. Für mich sind die Konflikte und die Flüchtlingssituation, die sich daraus ergeben, das Resultat menschlicher Gier. Vor diesem Hintergrund wächst ausserdem eine junge Generation heran, bei der die Gefahr einer Radikalisierung besteht, auch durch  den unverantwortlichen Missbrauch von Religion.

Dialog stärken

Wie gelingt es Ihnen, Brücken zwischen Nord und Süd zu errichten?

FELM hält regelmässig Kontakt zu allen Gemeinden in Finnland. Unsere Strategie besteht darin, in den Ländern, in denen wir arbeiten, über die Situation und das Kirchenleben zu informieren und auf diese Weise Kontakte zwischen dem globalen Norden und  dem globalen Süden herzustellen. Ich glaube, dass es jetzt aufgrund der zunehmenden Verbreitung sozialer Medien und besserer Reisemöglichkeiten mehr Chancen auf Begegnungen gibt, auf einen intensiveren Dialog zwischen Nord und Süd und auf ein besseres gegenseitiges Kennenlernen.

In Finnland waren wir mit FELM die ersten, die die finnische Bevölkerung mit Informationen über Afrika und den globalen Süden versorgt haben. Vieles also, was die ältere Generation und die finnische Öffentlichkeit wissen, ist das Ergebnis der FELM-Besuche bei den dortigen Gemeinden.

Welchen Wert hat Ihre Partnerschaft mit dem LWB?

Wir verfolgen praktisch die gleichen strategischen Ziele. Für uns hat der LWB besonderen Wert als eine Gemeinschaft, die Kirchen zusammenbringt. Viele dieser Kirchen sind unsere Partner. Die Diskussionen im LWB bestimmen auch unsere eigenen Diskussionen und die Art und Weise, wie wir unsere Ziele umsetzen.

Es gibt Bereiche, in denen wir gemeinsam die besten Ergebnisse erzielen. Dazu gehört zum Beispiel eine gute theologische Ausbildung - eine Organisation wie FELM kann das nicht alleine leisten. Das geht nur zusammen mit der Gemeinschaft der Kirchen.

 

 

Mission in der LWB-Gemeinschaft

„Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes…” (Matt. 28, 19) ist der in der Bibel enthaltene Auftrag, das Evangelium allen Menschen auf der Welt zu verkünden. Wie dieser Auftrag aufzufassen ist, hat sich im Laufe der Zeit verändert und wird in unterschiedlichen Regionen auch ganz unterschiedlich wahrgenommen. In einer Reihe von Gesprächen und Artikeln befasst sich die Lutherische Welt-Information mit dem Verständnis von Mission in den unterschiedlichen LWB-Regionen und Mitgliedskirchen.

 

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