Weltenwanderer multiethnischer Herkunft, geführt vom Heiligen Geist

Sivin Kit ist Direktor der LWB-Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit. Foto: LWB

Sivin Kit: Vom Gemeindepfarrer zum Direktor der LWB-Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit

(LWI) – Der malaysische Theologe Sivin Kit war gerade einmal dreieinhalb Jahre alt, als ihm der Lutherische Weltbund (LWB) auf einem Flug von Kuala Lumpur nach London zum ersten Mal begegnete. Das war Mitte der 1970er Jahre; sein Vater studierte damals mit einem Teilstipendium vom LWB im Vereinigten Königreich. Auch die Kosten für das Flugticket für den Jungen und seine Mutter hatte der LWB damals übernommen, so dass sie als Familie zusammenbleiben konnten. Kit hat die Quittung für die Tickets heute noch, die ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf seinem Weg hin zu dem Job waren, den er heute als Interimsdirektor der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit innehat.

Kits Eltern waren in erster Generation lutherischen Glaubens; ihre Eltern waren aus China nach Malaysia gekommen, und Kit hat damit schon immer in einem multiethnischen, multireligiösen Umfeld gelebt. Seine besten Freunde in der Grundschule in England waren ein vietnamesischer Flüchtling, ein indischer Migrant und ein britischer Junge. In der weiterführenden Schule, die er später in Malaysia besuchte, war er ein Jahr lang einer von nur fünf nicht-malaiischen und nicht-muslimischen Schülerinnen und Schülern in einer 35-köpfigen Klasse. Die interreligiösen Beziehungen zu pflegen war für ihn also schon ein Lebensmodell lange bevor es beruflich und in seinem pastoralen Dienst wichtig wurde.

In England verlor Kit vorübergehend die Verbindung zu seinen lutherischen Wurzeln. „Wir lebten sehr ‚kirchenfern‘“, sagt er. Aber bei der Rückkehr in sein Heimatland fand er den Weg zurück: Erst in einer Pfingstkirche und später in der lutherisch-charismatischen Erneuerungsbewegung, die „mir geholfen hat, die erfahrungsorientierte Dimension meines Glaubens schätzen zu lernen“.

Öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen

Die Jugendarbeit und die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in seinen Teenager-Jahren „ließ in ihm das Gefühl einer Berufung wachsen“, erinnert sich Kit, und so studierte er schließlich am Theologischen Seminar Malaysia und wurde 2003 zum Pfarrer ordiniert. Die Gründung einer neuen Gemeinde in Kuala Lumpur mit dem Namen Lutherische Kirche Bangsar – zu Deutsch: Des Vaters Haus – sei eine „prägende Erfahrung“ gewesen. Kit leitete damals eine schnell wachsende Gruppe von vornehmlich jungen Erwachsenen, die bei den steigenden muslimisch-christlichen Spannungen und inmitten der politischen Veränderungen eine Stimme im öffentlichen Raum sein wollten.

Unter der Leitung von Kit erwarb sich die Gemeinde einen Ruf als starke Fürsprecherin für soziale Gerechtigkeit und als einen sicheren Raum, in dem Menschen unterschiedlicher Religion zusammenkommen und sich über dringende Fragen und Probleme der Gegenwart austauschen konnten. Darüber hinaus war Kit in einer Zeit rasanter technologischer Veränderungen ein Pionier der christlichen Bloggerszene in Malaysia https://sivinkit.net/; für ein breiteres Publikum auch außerhalb der Kirche schrieb er über den Glauben, den Dienst und das Leben allgemein.

„All die Saatkörner für öffentliche Theologie sind mir schon als Gemeindepfarrer begegnet und ich habe dadurch ein ganzheitlicheres Verständnis von Mission entwickelt“, erläutert er. Mehr als zehn Jahre wirkte Kit in seiner Heimat, bevor er für seine Promotion dann nach Norwegen ging. Anschließend arbeitete er viereinhalb Jahre lang als Dozent und Direktor eines Zentrums für Religion und Gesellschaft am theologischen Seminar in Seremban. In dieser Zeit war er sehr aktiv involviert in die zivilgesellschaftlichen Diskussionen über die Bedeutung von Religion für das Wohl der Allgemeinheit in einem multireligiösen, aber mehrheitlich muslimisch geprägten Kontext auf nationaler Ebene.

Die Einladungen zur Teilnahme an einer interreligiösen Konsultation in Hongkong (2015) und einem theologischen Seminar am LWB-Zentrum Wittenberg in Deutschland (2018) brachten Kit mehr als 40 Jahre nach seinem ersten Kontakt mit dem LWB wieder in den Dunstkreis der weltweiten Kirchengemeinschaften. Er zog – dieses Mal mit seiner eigenen Familie – nach Genf, um zunächst eine Stelle als Programmverantwortlicher für öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen anzutreten und Anfang 2023 dann seine jetzt neue Funktion.

„Es ist sehr spannend, das Gesamtbild und die umfassendere Vision dessen zu betrachten, was es heißt, lutherisch zu sein, christlichen Glaubens in einer Welt zu sein, die mit Wandel, Konflikten und der Klimakrise ringt“, sagt er. „Früher habe ich auf lokaler und nationaler Ebene eine Führungsfunktion in der Kirche innegehabt, aber heute lerne ich, die globalen Zusammenhänge zu verstehen, und am meisten begeistert mich an meinem neuen Job die dynamische Wechselwirkung zwischen lokaler und globaler Ebene.“ 

Mindmaps und Landkarten, Räume und Bewegungsdynamik üben auf Kit neben seiner Leidenschaft für digitale Technologien und die sozialen Medien eine ganz besondere Faszination aus. „Gott ist ein Gott der Bewegung: In unserem Glauben geht es immer um das Wirken des Heiligen Geistes unter den Menschen, selbst wenn das so explizit nicht gesagt wird“, erklärt er. 

„Unsere theologische Vision ist eine Vision der Hoffnung, dass Gott alle Tränen trocknen wird und dass Hoffnung uns erfüllen und inspirieren wird. Sie bringt uns voran, aus uns selbst heraus“, führt er aus. „Als lutherische Gläubige definieren wir Sünde als das in sich gekrümmte Selbst , aber wenn wir durch die Gnade Gottes befreit werden, gibt uns dies Anstoß und bewegt uns vorwärts. In meinen Augen praktizieren wir diese Art Theologie in all unserer theologischen Arbeit, in unserem Führungswirken, in unserem diakonischen Engagement und unserer Advocacy-Arbeit.“

Die größte Herausforderung und Aufgabe, die Kit in seiner neuen Rolle sieht, ist es, „die Synergie von Theologie, Mission und Gerechtigkeit, die für die von ihm geleitete Abteilung von grundlegender Bedeutung ist, weiter zu nutzen“. Dazu gehören die Vorbereitungen der im September anstehenden Dreizehnten LWB-Vollversammlung in Krakau. „Die Erwartungen sind hoch, aber wir sollten auch einfach dankbar sein, dass wir uns nach der COVID-19-Pandemie endlich wieder persönlich treffen können“, sagt er.

„Es ist natürlich auch ein Moment für gemeinschaftliche Urteilsbildung, wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, was es bedeutet, ‚ein Leib‘ zu sein, der vom ‚einen Geist‘ inspiriert wird. Es gibt viele Arbeitsschwerpunkte und unsere Aufgabe ist es, Austausch zu ermöglichen und andere zu ermutigen und zuzurüsten, ihre Gaben und Talente zu nutzen, um herauszufinden, was das Herzstück von allem ist. Wir werden alle unseren eigenen Beitrag leisten“, sagt Kit abschließend, „aber das heißt nicht, dass wir Spaltung säen müssen; vielmehr heißt es, dass wir danach streben sollten, auf einem von Hoffnung geprägten Weg in die Zukunft in einer gemeinsamen Vision vereint zu sein.“

LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller