Verkündigung und soziale Gerechtigkeit im indischen Tamil Nadu

Bishof Daniel Jayaraj von der Tamilischen Evangelisch-Lutherische Kirche. Foto: LWB/P. Lok

Vorstellung des neuen TELK-Bischofs Daniel Jayaraj

Tranquebar, Indien/Genf (LWI) – Die Tamilische Evangelisch-Lutherische Kirche (TELK) feiert in diesem Jahr zwei wichtige Ereignisse – ihr 100-jähriges Bestehen als eigenständige indische Kirche und die Einführung ihres neu gewählten Bischofs Daniel Jayaraj.

Die am 14. Januar 1919 konstituierte TELK entstand aus den gemeinschaftlichen Bemühungen der Dänisch-Halleschen Mission, der Evangelisch-Lutherischen Mission zu Leipzig (heute Evangelisch-Lutherisches Missionswerk Leipzig) und der Schwedischen Mission. Nimmt man die Missionsphase hinzu, blickt die Kirche auf eine insgesamt gut 300-jährige Geschichte zurück, die mit der Einweihung der Neu-Jerusalem-Kirche, des ersten christlichen Gotteshauses in der Küstenstadt und damaligen dänischen Kolonie Tranquebar, durch deutsche evangelische Missionare im Jahr 1707 ihren Anfang nahm. 1711 folgte die erste Übersetzung des Neuen Testaments ins Tamilische, die zwei Jahre später auch in den Druck ging.

In einem Interview mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) beschreibt Jayaraj, der am 14. Januar in sein Amt als 13. Bischof von Tranquebar eingeführt wurde, die TELK als facettenreiche Kirche, die durch ihre Arbeit im Bildungs- und Gesundheitsbereich Christus unter den Menschen von Tamil Nadu bezeugt. Die Mehrzahl der Kirchenglieder sind Dalits, hinzu kommen Angehörige aller Kasten, die gemeinsam Gottesdienst feiern. „Die Kirche engagiert sich in der Evangeliumsverbreitung auf den Dörfern, durch die in entlegenen Gebieten viele Gemeinden entstehen“, führt Jayaraj aus.

Die 200.000 Gläubige starke TELK gehörte 1947 zu den Gründungsmitgliedern des Lutherischen Weltbundes (LWB).

Einsatz für soziale Gerechtigkeit

Bis heute betrachtet die Kirche Evangeliumsverkündigung und Einsatz für soziale Gerechtigkeit als ihre zentralen Aufgaben, betont Jayaraj. Dabei konzentriere sie sich auf entlegene Dörfer und deren Bevölkerung von Dalits und Adivasi. Die TELK ist in 126 Pastorate eingeteilt, jedes Pastorat setzt sich aus maximal 12 Kirchengemeinden zusammen. Ihr 100. Jubiläum gebe auch Anlass, darauf hinzuweisen, dass sie die erste Kirche in Indien gewesen sei, „die eine Druckerpresse besaß und die Evangelien drucken konnte“, so der Bischof.

Der Kontext vor Ort stellt die TELK jedoch auch vor Probleme: „Soziale Konflikte, schlechter Erhaltungszustand kirchlicher Gebäude, Jugendarbeitslosigkeit, fehlende finanzielle Unterstützung für die Krankenhäuser sind die unmittelbaren Herausforderungen, mit denen wir in der Kirche konfrontiert sind“, erläutert der Bischof. Eine der größten Herausforderungen bleibe jedoch, angesichts des politischen Klimas im Land, die Missionsarbeit.

Die TELK betrachtet Gendergerechtigkeit als wichtigen Aspekt ihrer Arbeit und hat über 20 Pfarrerinnen ordiniert. Trotzdem findet Jayaraj: „Bis Gendergerechtigkeit erreicht ist, liegt noch ein langer Weg vor uns – aber wir haben mit der Arbeit an einer schrittweisen Umsetzung in allen Dimensionen unseres kirchlichen Tuns begonnen.“ Dazu gehöre auch die Motivation junger Menschen zur Beteiligung an den Programmen der Kirche, damit ihr Bewusstsein für Fragen der Gendergerechtigkeit geweckt wird. Dabei geht es insbesondere um Gewalt gegen Frauen, die, so räumt der Bischof ein, in der indischen Gesellschaft weit verbreitet ist.

Versöhnung und wechselseitiger Austausch

Zu den internen Themen, die die Kirche im Jubiläumsjahr beschäftigen, merkt Jayaraj an, dass seiner Wahl sei eine schwierige Phase innerer Konflikte vorausgegangen sei. Die Kirchenverwaltung wurde 2016 von staatlicher Stelle übernommen während theologische Angelegenheiten der TELK einem „spiritueller Leiter“ anvertraut waren. Dass er nun als Bischof eingeführt worden sei, stehe für die Versöhnung zwischen den konkurrierenden Gruppen in der Kirche. Allerdings betont er: „Für Einheit und Frieden braucht es weitere Versöhnungsarbeit unter den Mitgliedern der Gemeinden.“

Der Bischof unterstreicht den Wert der nationalen und weltweiten lutherischen Netzwerke, in die die Kirche eingebunden ist – den LWB sowie die Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchen in Indien (VELKI), den Dachverband, in dem sich die 12 lutherischen indischen Kirchen zusammengeschlossen haben.

„Die VELKI ist eine einige lutherische Familie in Indien. Sie weist der Entwicklung unserer Kirche und der Ausrichtung ihrer diakonischen Aufgaben den Weg. Wir haben Möglichkeiten, unsere Jugend, Geistlichen sowie Laiinnen und Laien in Leitungsverantwortung zu Bildungsangeboten im Bereich Mission und Sozialarbeit zu schicken“, führt Jayaraj aus.

Auch bei Naturkatastrophen leiste die VELKI ihrem Mitglied Unterstützung. Allerdings sei es erforderlich, dass die finanziell wohlhabenderen Gemeinden den Opfern von Naturkatastrophen ebenfalls zur Seite stehen, ergänzt er.

Die Beziehung zum LWB bewertet der Bischof als gleichermaßen wichtig, insbesondere, was den wechselseitigen Austausch innerhalb der gesamten lutherischen Kirchengemeinschaft angeht. Der LWB unterstütze zudem Bedürftige, die Theologie oder ein anderes Fach studierten, sowie die Entwicklungsarbeit der Kirche.

Erst als Missionar in Schweden, jetzt Bischof von Tranquebar

Der 63-jährige Jayaraj erwarb am Tamil Nadu Theological Seminary einen theologischen Bachelor-Abschluss und ergänzte ihn um ein religionswissenschaftliches Graduiertenstudium an der Madurai Kamarajar University. Nach seiner Ordination 1986 wirkte er von 1991 bis 1995 als Missionar in Schweden und nahm nach seiner Rückkehr in die Heimat wieder den Dienst als TELK-Gemeindepfarrer auf.

Bischof Daniel Jayaraj ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.