Ukraine: „Im einen Moment sitzen wir im Unterricht, im nächsten laufen wir um unser Leben“

Emmanuel, ein nigerianischer Student, der aus der Ukraine geflohen ist und in Budapest von Mitarbeitenden und Studierenden des Theologischen Instituts der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn aufgenommen wurde. Foto: LWB/A. Hillert

Nigerianische Geflüchtete aus der Ukraine am Theologischen Institut in Ungarn aufgenommen

BUDAPEST, Ungarn/GENF (LWI) – Seit kurzem bietet das Theologische Institut der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn (ELKU) dem 20-jährigen Medizinstudenten Emmanuel und anderen Unterschlupf. Sie waren vor den Kämpfen aus der angrenzenden Ukraine geflohen. Emmanuel ist nigerianischer Staatsbürger und hat seit 2018 in der Ukraine Medizin studiert. Nun ist er Teil einer Gruppe von Geflüchteten, die Unterstützung von der ungarischen Kirche erhalten.  

Er war an der Staatlichen Medizinischen Universität in Ternopil eingeschrieben, als klar wurde, dass seine Freundin Ruth und er würden fliehen müssen: „Im einen Moment saßen wir im Unterricht, im nächsten mussten wir um unser Leben laufen.“ Jetzt leben Ruth und Emmanuel mit acht weiteren Personen im Theologischen Institut, wo die Studierenden und Lehrenden sie mit offenen Armen begrüßt hätten.  

Als der Konflikt in der Ukraine eskalierte, haben Menschen afrikanischen Ursprungs häufig von Schwierigkeiten an der ukrainischen Grenze berichtet, haben geschildert, dass sie diskriminiert wurden und ihnen sogar der Grenzübertritt in andere Länder verwehrt wurde. Ruth und Emmanuel aber hatten Glück auf ihrer Flucht und haben all diese Probleme nicht gehabt.  „Ich kann nur Gott danken. Es war fast so, als hätte Gott immer wieder Menschen geschickt, die uns auf unserer Flucht geholfen haben“, sagt Emmanuel. 

Einer dieser Menschen, erzählt Emmanuel, sei der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Panti Filibus Musa, gewesen. Er habe von Emmanuel und den anderen nigerianischen Studierenden, die auf der Flucht nach Ungarn waren, von einem Mitglied seiner Kirche in Nigeria gehört.  „Erzbischof Musa hat uns kontaktiert und uns gesagt, dass eine Gruppe von nigerianischen Studierenden nach Ungarn geflohen sei. Können Sie nach ihnen suchen? Und können Sie ihnen helfen?“, erzählt Tamás Fabiny, der Leitende Bischof der ELKU, der die Geflüchteten auch persönlich begrüßte.  

„Als ich erfahren hab, dass die Studierenden hier seien, bin ich gleich hergekommen. Aber ich bin nicht als Bischof gekommen, sondern einfach als Mitmensch, als Christ, den es interessierte, wer diese Menschen sind“, sagt Fabiny.  „Wir müssen die derzeit herrschende große Hilfsbereitschaft aufrechterhalten. Wahrscheinlich werden wir noch lange Geflüchtete hier bei uns unterstützen müssen“, mahnt Fabiny. „Ein Beispiel dafür ist unsere Arbeit mit und durch das Hilfswerk der ungarischen Kirche, Hungarian Interchurch Aid, das derzeit Hilfszentren in der Ukraine aufbaut. Wir müssen unsere professionellen Kapazitäten in diesem Bereich ausbauen, um das Engagement fortführen zu können.“ 

Auch der Lutherische Weltbund (LWB) hat seine Unterstützung für die Mitgliedskirchen in der Region verstärkt, die an vorderster Front Nothilfe leisten und für eine längerfristige Unterstützung der Geflüchteten sorgen. Bis Ende März sind rund vier Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen; die meisten davon Frauen und Kinder, die gezwungen waren, ihre männlichen Verwandten zurückzulassen. Weil religiöse Organisationen bestens aufgestellt sind, die Bedürfnisse der Geflüchteten und der Gemeinschaften, die diese bei sich aufnehmen, einzuschätzen und darauf einzugehen, arbeitet der LWB an der Einrichtung einer regionalen Koordinationsstelle, die die Kapazitäten der lokalen Kirchen und ihrer diakonischen Organisationen stärken soll.

Von Albin Hillert. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller