„Sie haben wieder Hoffnung“

Bildunterschrift: Saraswati Purkoti in ihrem Garten. Foto: LWB/ Lucia de Vries

LWB-Unterstützung trägt sechs Monate nach dem Erdbeben in Nepal Früchte

KATHMANDU, Nepal/ GENF, 20. Oktober 2015 (LWI) - Als vor sechs Monaten in Nepal die Erde bebte, dachte Saraswati Purkoti, das sei das Ende. Die alleinerziehende Mutter von drei Kindern verlor an diesem Tag nicht nur ihr Haus, sondern auch ihr Einkommen als Tagelöhnerin.

Doch ihr Leben nahm eine unerwartete Wende. Heute hat Saraswati Purkoti dank der Unterstützung des Lutherischen Weltbundes (LWB) Nepal und seiner Partner ein geregeltes Einkommen aus dem Gemüseanbau. Ihre Kinder und sie selbst müssen nicht länger hungrig zu Bett gehen.

„Ich habe gerade zusammen mit meinem Sohn auf dem Hügel Gras geschnitten, als die Erde zu zittern begann“, erinnert sich die 40 Jahre alte Saraswati Purkoti. „Wir haben uns weinend aneinander festgehalten.  Als es aufgehört hatte, sind wir ins Dorf gelaufen, wo wir feststellen mussten, dass unser Haus nicht mehr stand. Ich hatte das Gefühl, mein Leben sei zu Ende.“

Saraswati Purkoti ist Armut gewohnt. Ihr Leben wurde noch schwerer, als ihr Mann in den 1990er Jahren während des nepalesischen Bürgerkrieges verschwand. „Als Analphabetin hatte ich keine andere Wahl, ich musste als Tagelöhnerin arbeiten, um meine Kinder durchzubringen“, sagt sie. „Ich konnte nichts mehr essen und verlor stark an Gewicht.“

Eine neue Lebensgrundlage

Das Erdbeben der Stärke 7.8 hatte vor allem die Dörfer der Ärmsten zerstört. Weil so viele Menschen betroffen waren und ihr Geld für den Wiederaufbau benötigten, gab es nach dem Erdbeben kaum noch Arbeit für Tagelöhner wie Purkoti. Nachdem die Verteilung von Hilfsgütern geendet hatte, wusste sie nicht mehr, wie sie überhaupt noch überleben sollte. Zwar hatte sie Baumaterial bekommen, um eine provisorische Unterkunft und eine Toilette zu bauen, doch sie sah noch immer keine Zukunftsperspektive für sich und ihre Kinder.

In dieser Situation kam sie mit dem LWB Nepal in Kontakt. Die LWB-Mitarbeitenden ermutigten sie, ein Stück Land für den Gemüseanbau zu pachten. Die nach Monaten des Hungers abgemagerte Frau erhielt Saatgut, Werkzeuge und Baumaterial für ein einfaches Gewächshaus. Innerhalb von zwei Monaten verdiente sie mit dem Verkauf von Gemüse 8.000 Nepalesische Rupien (428 USD). Die meisten Menschen in Nepal leben von 14 USD pro Monat.

Auch Saraswati Purkotis Heimatdorf Chhampi, weit im Süden des Kathmandutals, hat sich seit dem Erdbeben stark verändert. Da viele Häuser stark beschädigt wurden, leben ihre Bewohner immer noch in provisorischen Unterkünften aus Wellblech. Eine der Schulen wurde in eine provisorische Unterkunft umgewandelt; die Menschen übernachten in einem Klassenzimmer und halten ihre Tiere in behelfsmässigen Hütten. Doch die auffälligste Veränderung ist in den hügeligen Feldern unterhalb des Dorfes zu beobachten: Inmitten der breiten Reisfelder entdeckt man nun Gemüsegärten. Die Pflanzen darin wachsen in Gewächshäusern aus Bambus, die mit Plastikplanen abgedeckt sind. Kürbisse, Salatgurken, Tomaten, Spinat und Blumenkohl bilden farbenfrohe Flecken in der Landschaft. 

Ein Leben am Rande der Gesellschaft

Menschen wie Saraswati Purkoti zählen zu den Ärmsten der Armen und lebten auch vor dem Erdbeben schon am Rande der Gesellschaft. Sie gehören zu Dalit- oder Künstlerkaste, und werden trotz offizieller Abschaffung des Kastensystems in praktisch allen Lebensbereichen diskriminiert. Obwohl der Bezirk im Kathmandutal liegt, leben in Lalitpur um die 35.000 Menschen - zehn Prozent der Bevölkerung - unterhalb der Armutsgrenze.  Ein Drittel der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, 16 Prozent der Kinder leiden unter Mangelernährung. Nur jede(r) fünfte Erwachsene kann überhaupt lesen und schreiben. Einige Dörfer sind über 70 km von der Stadt entfernt, einige davon sind während des Monsuns komplett von der Aussenwelt abgeschnitten.

Bei dem Erdbeben kamen 177 Menschen aus dem Bezirk Lalitpur ums Leben, 24% der Häuser wurden zerstört und drei Viertel der staatlichen Schulen sind eingestürzt.

Der LWB Nepal hat gemeinsam mit einer Partnerorganisation vor Ort (Integrierte Gemeindeentwicklungsorganisation/ Integrated Community Development Organisation, ICDO) seit 2010 in dem Bezirk ein integriertes Entwicklungsprogramm in fünf Dorfgemeinschaften durchgeführt.

Nach dem Erdbeben wurde mit Unterstützung des ACT-Bündnisses in elf Dörfern Nothilfe geleistet. Mehr als 2.300 Familien wurden mit Notunterkünften und Toiletten, Solarlampen, Decken und Wassertanks unterstützt; 5.500 Menschen erhielten psychosoziale Hilfe.  Die Hilfe zur Existenzsicherung wurde auf die Dörfer ausgeweitet, die durch das Erdbeben zerstört worden waren.

Armut und Hunger verhindern

Allein in den zu Champpi gehörenden Siedlungen verloren 810 Familien während des Erdbebens ihr Hab und Gut.  Die Bedürftigsten unter ihnen, darunter auch Saraswati Purkoti, erhielten Hilfen zur Existenzsicherung. Die Sozialarbeiterin Durga Purkoti sagt, die Hilfe habe diesen Familien das Leben gerettet: „Die Familien sind nun in der Lage, ihre Kinder zu ernähren und zur arbeiten, wann immer sie Zeit haben. Sie haben vollwertiges Essen und ihr Leben ist insgesamt nicht mehr so hart, wie es früher war. Doch was am Wichtigsten ist: Sie haben wieder Hoffnung“, so Durga Purkoti. 

Sechs Monate nach dem Erdbeben ist der LWB von der Nothilfe zum Wiederaufbau übergegangen. Die Organisation und ihre Partner leisten Hilfe beim Bau von festen Unterkünften für die Bedürftigsten, zu denen die aufgrund des Kastensystems Diskriminierten und extrem Armen, Alleinerziehende, Alte und Menschen mit Behinderung zählen. Die Familien erhalten Unterstützung zur Existenzsicherung in Form von Saatgut, Werkzeugen oder Schulungen. Zerstörte Wassersysteme werden repariert und das Sanitärsystem verbessert. Darüber hinaus erhalten die Menschen psychosoziale Unterstützung. 

Es sind relativ geringe Beträge, mit denen es möglich ist, Hunger und Armut bei den Überlebenden des Erdbebens zu verhindern und ihnen ihre Würde zurück zu geben, betont Notfallhilfemanager Sufi Mohammed Faiz. „Einige Menschen weinen, wenn wir ihnen die Bau- und Gartenmaterialien überreichen. Sie erzählen uns, dass es das erste Mal ist, dass jemand zu ihnen kommt. 'Jetzt können wir mit mehr Würde und Respekt leben', sagen sie.“

Es braucht nur einen Blick auf Saraswati Purkoti, um zu wissen, dass das stimmt.

 

 

Ein Beitrag von LWB-Korrespondentin Lucia de Vries, Nepal.