Schweden: Die Internetseelsorgerin erzählt
Im Interview: Charlotte Frycklund, Online-Pfarrerin der Schwedischen Kirche
UPPSALA, Schweden/GENF (LWI) – Charlotte Frycklund ist Internetseelsorgerin. Tagsüber und am Abend ist sie über die Online-Plattformen der Schwedischen Kirche ansprechbar. In Zusammenarbeit mit dem Kommunikationsteam der Kirche wirkt sie sozusagen als virtuelle kirchliche Verbindungsfrau. Sie beantwortet einfache und komplizierte Fragen über Glauben, Kirche und Theologie und bietet in der Ausnahmesituation der Corona-Pandemie Online-Andachten an.
Frycklund ist die erste Pfarrerin ihrer Kirche, deren Gemeinde das Internet ist, und das schon sehr viel länger, als es bei den zahlreichen Kirchen der Fall ist, die jüngst die Pandemie zwang, ihre Gemeinden auf virtuellem Weg anzusprechen.
Seit wann sind Sie Internetpfarrerin?
Seit 2016. Die Schwedische Kirche hatte zuvor eine Kampagne mit dem Ziel gestartet, Menschen persönlicher anzusprechen, ihren Identifikationswert zu erhöhen und kompetent in den sozialen Medien aufzutreten. Im Zuge dieser Kampagne wurde meine Stelle eingerichtet. Es hatte nämlich einige Rückmeldungen gegeben, dass es eine gute Idee wäre, wenn ein Geistlicher oder eine Geistliche online Frage zum Glauben und zur Tradition beantworten könnte. Da ging es um eine Bandbreite von Fragen von der Bedeutung liturgischer Gewänder bis zum Problem von Gut und Böse. In den sozialen Medien kann ich als Pfarrerin mit Suchenden intensive Gespräche über solche Fragen führen, viel besser als am Sonntagmorgen.
Wer hat diesen neuen Wirkungsbereich für die Seelsorge erkannt?
Die Menschen selbst haben den Bedarf deutlich gemacht, also diejenigen, die online und über die sozialen Medien, mit der Kirche ins Gespräch kommen wollten. Anfangs habe ich die Online-Seelsorge in Teilzeit wahrgenommen. Aber nach und nach stieg die Nachfrage. Die Anfragen an mich nahmen immer mehr Zeit in Anspruch, bis die Kirche mich schließlich in Vollzeit für diese Aufgabe anstellte.
Wer nimmt online mit Ihnen Kontakt auf?
Ich würde sagen, die meisten, die auf die Facebook-Seite der Schwedischen Kirche kommen, sind 55 oder älter. Davon sind etwas mehr als die Hälfte Frauen. Auf Instagram and Twitter ist das Geschlecht und Alter nicht so offensichtlich wie bei Facebook, aber aus den Inhalten der Chats würde ich jedenfalls schließen, dass die Follower dort tendenziell etwas jünger sind.
Wir haben auch versucht, ein noch jüngeres Publikum, so zwischen 13 und 20, anzusprechen und dazu einen eigenen Instagram-Account eingerichtet. Aber damit waren wir nicht sonderlich erfolgreich. Ich vermute, wir waren nicht in der Lage, die Zielgruppe so anzusprechen, dass die Jugendlichen darauf hätten reagieren können. Vielleicht sollte die Person, die ein solches Projekt betreut, eher 20 als 50 Jahre alt sein.
Haben die Aktivitäten in den sozialen Medien seit Beginn der Corona-Pandemie zugenommen?
In der Pandemie hat sich der Umgang der Kirchen mit den sozialen Medien sehr verändert. Erstens nutzen mehr Gemeinden diese Möglichkeiten, bieten Live-Übertragungen an und versammeln ihre Gemeinde via Facebook zum Gottesdienst. Als Ergebnis haben mehr Menschen ein virtuelles Zuhause in der Kirche gefunden. Das Kommunikationsteam und ich bieten in der Pandemie wöchentlich kurze Andachten auf Facebook an, die viele Menschen erreichen. Sie sind wirklich sehr kurz, nur etwa drei bis vier Minuten lang, aber wir stellen fest, dass die Follower sie fest einplanen, eine Kerze und vielleicht eine Tasse Kaffee bereitstellen und die Facebook-Andacht auf größeren Fernseh-Bildschirmen anschauen. Das vermittelt ihnen das Gefühl, Teil eines Gottesdienstes zu sein.
Die Fragen haben sich aufgrund der Pandemie tatsächlich verändert – da geht es mehr um Sorgen, Ängste, ums Beten für Kranke und das Krankenhauspersonal und in letzter Zeit auch um Gebete, dass man die Langeweile erträgt, aber auch Dankgebete, weil die Langeweile das Schlimmste ist, was man ertragen muss. Es macht uns Freude, in der Zeit der Pandemie im Online-Gebetsteam mitzuarbeiten, aber wir machen uns auch Sorgen, wie es den Menschen geht und wie sie mit der Situation zurechtkommen.
Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit als Online-Seelsorgerin?
Es ist wunderbar, mit Menschen über die existenziellen Fragen in ihrem Leben ins Gespräch zu kommen. Ich finde es wunderbar, sozusagen im Jetzt präsent zu sein, nicht erst, wenn Leute Zeit haben, sich hinzusetzen und nachzudenken – das trifft eher auf die Gemeindearbeit zu – sondern in dem Moment, wo Probleme auftauchen. Das Telefon begleitet die Menschen jederzeit; gerade in Schwierigkeiten oder aber wenn es Anlass gibt, sich zu freuen, nutzen sie es, um Kontakt aufzunehmen. Wenn sie das tun, dann ist heute die Kirche für sie da, inmitten der Krise oder des Jubels und ich bin direkt mit dabei. Das ist für mich sehr wertvoll.
Was würden Sie sich für die Online-Arbeit wünschen?
Ich wäre gern Teil einer weltweiten Gemeinschaft von Internet-Geistlichen. Es ist eine wunderbare Berufung, als Priesterin in den sozialen Medien zu arbeiten, aber manchmal wünsche ich mir Kolleginnen und Kollegen, die das gleiche machen, so dass wir uns gegenseitig unterstützen, miteinander austauschen und voneinander lernen könnten.
Welche Tipps haben sie für Kirchen, die online präsent sind?
Wenn eine Kirche sich online engagiert, ist das eine gute Sache, auch ohne Pandemie. Sie erleichtert es den Menschen damit, an Gottesdiensten teilzunehmen und sich eingebunden zu fühlen. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen berichten, dass die Teilnehmendenzahl bei Online-Gottesdiensten deutlich höher ist als bei unseren klassischen analogen Formen. Das heißt, diese Angebote müssen wir aufrechterhalten für Menschen, die am Gottesdienst teilnehmen wollen, es aber nicht bis in die Kirche schaffen. Wir müssen auch zukünftig Online-Andachten anbieten! Schauen, was die eigene Gemeinde will und braucht und präsent bleiben auf Facebook, Instagram, TikTok oder wo immer es dem jeweiligen Bedarf am besten entspricht.
Was bedeutet es für Ihre Kirche, Ihre Arbeit und Sie selbst, Teil der weltweiten Kirchengemeinschaft zu sein?
Als Lutheranerinnen und Lutheraner in aller Welt sehen wir uns nicht jeden Tag persönlich, aber wir können uns in den sozialen Medien begegnen und dort auch erfahren, dass wir einander ins Gebet einschließen und Teil einer Gemeinschaft von Kirchen sind.
Von LWB/A. Gray. Deutsche Übersetzung: Angelika Joachim, Redaktion: LWB/A. Weyermüller
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