Saatgut, Werkzeug und Aufmerksamkeit

Mitglieder der Genossenschaft in Bukinanyana begutachten das von ihnen gekaufte Schwein. Foto: LWB/Demokratische Republik Kongo

Neue Lebensgrundlage für Menschen in der Demokratischen Republik Kongo

(LWI) – Havuga Pitie (32) erinnert sich noch gut an den Tag, an dem er zur Flucht aus dem Dorf gezwungen wurde, in dem er sein ganzes Leben verbracht hatte. „Ich musste ins Exil gehen, als Rebellen im Jahre 2010 unser Dorf angriffen“, erzählt Pitie seine Geschichte. „Ihre Grausamkeiten und Plündereien haben selbst die mutigsten Männer davon abgehalten, in unser Dorf zurückzukehren.“

Heute ist Havuga Pitie Leiter der Mushwa-Gemeinschaftsorganisation (Community Based Organization, CBO) in dem Dorf Bukinanyana im Distrikt Masisi. Nachdem er vier Jahre lang von einem Lager für Binnenvertriebene ins nächste gezogen war, entschloss sich der Vater von zwei Kindern zur Rückkehr in sein Dorf, um dort ein neues Leben zu beginnen. Ein Projekt des Lutherischen Weltbundes (LWB) zur Sicherung der Lebensgrundlage hat ihm geholfen, sein Leben wieder in die eigenen Hände zu nehmen.

Eine Frage der Würde

„Es fühlte sich für mich an, als ob jeder Tag im Flüchtlingslager mich meiner Würde und meines Wertes als menschliches Wesen beraubte“, beschreibt Pitie seine Situation. Besonders schwer war es für ihn, nicht für seine Familie sorgen zu können. „Ich war zu Hause immer ein hart arbeitender Mann und habe mich immer auf meine eigene Kraft verlassen. Jetzt musste ich mich im Flüchtlingslager für eine Mahlzeit anstellen. An dem Tag, als mich ein sehr junger Mann anbrüllte, weil ich nicht richtig in der Warteschlange stand, wurde ich besonders wütend. Ich beschloss daraufhin, das Camp zu verlassen und in mein Dorf zurückzukehren.“

Mittlerweile hatten die kriegführenden Parteien ein Abkommen unterzeichnet, so dass Pitie sicher in sein Heimatdorf zurückkehren konnte. Als 2011 die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen anstanden, wollte er sein Wahlrecht an seinem Heimatort wahrnehmen.

Zurück in seinem Dort erfuhr er, „dass eine Organisation mit dem Namen LWB Menschen beim Wiederaufbau ihrer Existenz unterstützt“, erzählt Pitie. Der LWB leistet seit 1994 in der Demokratischen Republik Kongo humanitäre Hilfe für die Opfer von Konflikten und Naturkatastrophen. Damals war der Völkermord in Ruanda der Grund für Hilfsmassnahmen des LWB für die ruandischen Flüchtlinge.

Die wichtigsten Bereiche für die unterstützenden Massnahmen des LWB in der Demokratischen Republik Kongo sind Ernährungssicherheit, die Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser, Sanitäreinrichtungen und Hygiene, die psychosoziale Unterstützung sowie der Wiederaufbau sozialer Infrastrukturen wie Schulen und Gesundheitszentren. Vor kurzem hat der LWB mit der Implementierung von Entwicklungsprojekten in den stabileren Gebieten der Provinz Orientale begonnen.

Havuga Pitie war hochmotiviert, an einem solchen Projekt teilzunehmen. „Das LWB-Team hat mir genau das gegeben, was ich gebraucht habe: Saatgut, Werkzeug und Aufmerksamkeit“, sagt er. „Sie haben freundlich und respektvoll mit den Menschen gesprochen. Ihr Verhalten hat die Rückkehrenden motiviert, ihren Ratschlägen zu folgen und sich in Gemeindeverbänden zu organisieren.“

Ein Dorf erwacht zum Leben

Die Dorfgemeinschaft hat sich zu Genossenschaften zusammengeschlossen, die auf grossen Landparzellen Ackerbau betreiben. „Teil einer Genossenschaft zu sein war für mich eine neue Erfahrung“, berichtet Pitie, der früher Besitzer eines eigenen kleinen Bauernhofs war. „Es war einfach viel spannender, mit den anderen Menschen im Dorf zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen, als alles alleine zu machen. Es war so, als ob wir in einer grossen Familie lebten, die von dem Erlebten geprägt worden ist. Wir waren froh, dass das Leben wieder in unser Dorf zurückkehrte.“

Mit der Unterstützung des LWB hat Havugar Pitie auf 8.000 m² Land Gemüse und Getreide angebaut. Darüber hinaus bearbeitet die Genossenschaft eine 4,5 Hektar grosse Plantage. Die dort angebauten Produkte wurden verkauft und für den Erlös ein Schwein sowie ein weiteres Stück Land für eine zweite Kollektivpflanzung erworben. Die Landwirte konnten ausserdem 200 kg Saatgut für die nächste Landwirtschaftssaison einlagern.

„Es ist fast ein Wunder, wie mit diesem Projekt das Leben in unser Dorf zurückgekommen ist“, sagt Pitie. „Wir haben uns als Dorfgemeinschaft nie so eng miteinander verbunden gefühlt wie jetzt, und wir glauben fest daran, dass wir Schwierigkeiten in Zukunft besser bewältigen können. Jede Familie kann sich selbst gut ernähren, wir müssen nicht mehr vor der Essensausgabe im Flüchtlingslager Schlange stehen. Es ist ein gutes Gefühl, für sein tägliches Brot selbst sorgen zu können.“