Lutherische Gemeinschaft durch Schrift und Begegnungen erfahren

Teilnehmende am 16. Theologischen Seminar in Wittenberg mit dem Thema „Luther als Prediger und Lehrer“. Foto: LWB/A. Weyermüller

Internationales theologisches Seminar in Wittenberg zum Thema „Luther als Prediger und Lehrer“

WITTENBERG, Deutschland/GENF (LWI) – „Ich bin davon überzeugt, dass Theologinnen und Theologen ihr theologisches Profil ständig schärfen sollten. In der Gemeinschaft des Lutherischen Weltbundes (LWB) bedeutet dies, sich intensiv mit der Theologie Martin Luthers auseinanderzusetzen“, unterstreicht Prof. Dr. Theodor Dieter. „Dies in einer Gruppe lutherischer Pfarrerinnen und Pfarrer aus aller Welt zu tun bedeutet, die Communio zu leben.“

Der international anerkannte Direktor des Instituts für Ökumenische Forschung in Straßburg, Frankreich, sowie Professorin Sarah Hinlicky Wilson, Lehrbeauftragte am Institut, verantworten die Vorlesungen auf dem 16. Theologischen Seminar, das vom LWB-Zentrum in Wittenberg, Deutschland organisiert wird. 20 Theologinnen und Theologen aus der gesamten LWB-Gemeinschaft nahmen an dem Seminar mit dem Thema „Luther als Prediger und Lehrer“ teil, das vom 4. bis zum 18. November stattfand.

Auf Luthers Spuren wandeln

Das Studium der Schriften Luthers und die Auseinandersetzung mit ihren Inhalten ist eines der wichtigsten Ziele des Seminars. „In einem ersten Schritt nehmen wir uns die Zeit, die innere Struktur des Textes selbst zu entdecken, und wir betrachten den Kontext, in dem er geschrieben wurde. Erst dann können wir ihn in unserer eigenen Tradition und Zeit und im Kontext der Gesellschaften und Kirchen interpretieren, in denen wir heute leben“, erklärt Dieter seine Vorgehensweise. „Luther war ein fast zwanzig Jahre lang katholischer Mönch und ein Akademiker. Das beeinflusste seine Theologie, seine Schriften und seine Argumentation erheblich. Der grundsätzliche Charakter seiner Theologie und sein Umgang mit der Heiligen Schrift sind entscheidend durch diese Erfahrungen geprägt.“

Dieter fordert die Teilnehmenden des Seminars auf, die „wissenschaftliche Rolle des Beobachtenden“ aufzugeben und auf Luthers Spuren zu wandeln. „Auf diese Weise werden wir in der Lage sein, ein Verständnis seiner Theologie für das 21. Jahrhundert zu entwickeln“, erklärt er mit Überzeugung.

„Während des Seminars entsteht unter den Teilnehmenden eine bemerkenswerte Dynamik, wenn sie sich in Luthers Theologie vertiefen“, fügt Hinlicky hinzu. „Sie merken wie ein tieferes theologisches Verständnis auch ihre Arbeit beeinflussen kann.“ Die Begegnung mit lutherischen Theologinnen und Theologen aus anderen Teilen der Welt und die zweiwöchige gemeinsam verbrachte Zeit spielen ebenfalls eine wichtige Rolle beim Profilieren des eigenen Standpunkts. „Was die Teilnehmenden während der informellen Teile des Seminars an Ansichten austauschen, verbindet sie auch in der weltweiten Gemeinschaft“, beobachtet Hinlicky.

Persönliche Begegnungen

Persönliche Hintergründe spielen eine wichtige Rolle bei den Begegnungen in der Gruppe. Einer der wichtigsten Tage im Leben von Pfarrer Thomas Markert ist der 9. November 1989, als die Berliner Mauer fiel und der Weg für die Wiedervereinigung Deutschlands frei wurde. Während der Morgenandacht am 9. November 2017 spricht er über den Bibelvers „Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein“ (Psalm 118,24). 

Diese Wendung des Schicksals eröffnete ihm auch neue Möglichkeiten für das Studium der Theologie ohne Drangsalierung durch die Regierung. Heute ist Markert Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens in einer Gemeinde in der Nähe von Dresden in Ostdeutschland. Viele der so genannten Lutherstätten befinden sich in der Region und sorgen für hohe Besucherzahlen in einer Gegend, in der Christinnen und Christen unter dem Kommunismus zu einer Minderheit wurden. „Das ist für die Gemeinden eine Herausforderung“, sagt Markert. „Aber die Teilnahme an diesem Seminar hat mir neu vor Augen geführt, wie groß der Einfluss von Luthers Theologie für meine Identität als Pfarrer in meiner Kirche ist.“

Pfarrerin Valarmathi Rajamanickam ist eine der ersten ordinierten Frauen in der Tamilischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, die ihre Ursprünge in der lutherischen Missionsarbeit des Leipziger Missionswerks in Südindien vor 300 Jahren hat. „Diese Verbindung spielt auch heute noch eine wichtige Rolle“, erklärt Rajamanickam. „Austauschprogramme oder die Möglichkeit eines Auslandsstudiums haben für uns einen hohen Stellenwert und stärken unser Zugehörigkeitsgefühl zur LWB-Gemeinschaft – ich bin sehr dankbar für die Gelegenheit, an diesem Seminar in Wittenberg teilzunehmen – besonders als Theologin.“