„Lutherisch sein heißt politisch sein“

Erfahrungsaustausch mit anderen jungen Reformatorinnen und Reformatoren: Nickson Ibrahim bei der Werkstatt Wittenberg. Foto: LWB/Johanan C. Valeriano

Nickson Makama Ibrahim (21) nahm als Delegierter der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria an der Werkstatt Wittenberg teil. Der junge Reformator aus der Diözese Yola berichtet, was er bei dieser Veranstaltung darüber gelernt hat, als lutherischer junger Reformator in einer dem raschem Wandel unterworfenen Welt zu leben.

Es war eine wunderbare Gemeinschaft junger Lutheranerinnen und Lutheraner, die sich bei der Werkstatt Wittenberg – ausgerichtet vom Globalen Netzwerk der jungen Reformatorinnen und Reformatoren – des LWB versammelt hatte, um Leben miteinander zu teilen und sich über ihre Erfahrungen auszutauschen. Das hat der Kirche Gottes und der lutherischen Gemeinschaft erneuernde Impulse gegeben.

Was bedeutet es denn nun konkret, als Reforator und Lutheraner in einer Welt zu leben, die sich so schnell verändert?

Botschafter sein

Lutherisch sein heißt politisch sein: Das ist einer der interessantesten Aspekte des Luthertums, der mir hier bewusst geworden ist. Ich dachte immer, Politik gehört in das Reich der Welt und dass wir nicht von der Welt sind. Bevor ich hierher zur Tagung kam, habe ich Politik als „schmutziges Geschäft“ bezeichnet. Aber nachdem wir gemeinsam die biblischen Wurzeln der Politik entdeckt haben, verstehe ich jetzt, dass Jesus Christus will, dass wir seine Botschafterinnen und Botschafter sind, sogar in der Politik.

Die meisten von denen, die in meinem Land politische Verantwortung tragen, sind alt. Aber hier habe ich gelernt, dass ich als junger Christ die Pflicht habe, meine Stimme zu erheben. Ich habe das Recht, zu wählen und mich zur Wahl zu stellen. Ich habe das Recht, für die Kirche politisch einzutreten, und denen Gehör zu verschaffen, die vielleicht nicht für sich selbst sprechen können.

Lutherisch sein heißt ökumenisch sein. Ich habe gelernt, dass wir Ökumene schaffen, wenn wir darauf hinarbeiten, in Christus eins zu sein, oder besser, „Einheit in Vielfalt“ herzustellen. In Nigeria und anderswo in Afrika gibt es unterschiedliche Kulturen, aber Christus eint uns. Es gibt verschiedene Kirchen auf der Welt und unsere Gottesdienstformen, Lehre, Sakramente und Auslegung der biblischen Wahrheit mögen sich unterscheiden. Unsere Botschaft als Lutheranerinnen und Lutheraner ist aber solus Christus – das heißt, allein in Christus werden wir durch die Gnade Gottes gerettet.

Geschwister in Glauben

Als Christinnen und Christen – egal ob anglikanischer, katholischer, lutherischer oder anderer Tradition – sollten wir alle unsere Unterschiede beiseitelegen und Christus annehmen. Wir sollten das Band der Freundschaft stärken und die Dinge überbrücken, die uns auseinanderzureißen drohen, so dass wir das Gebet Jesu erfüllen: „damit sie alle eins seien“. Für mich gilt deshalb, egal welcher christlichen Konfession du angehörst, du bist mein Bruder oder meine Schwester.

Verantwortung für die Welt

Lutherisch sein heißt, die Schöpfung bewahren. Wir sind dazu geschaffen, für Gottes Schöpfung – Menschen, Tiere, Pflanzen, das Meer und die Atmosphäre – zu sorgen. Aber unser Tun belastet die Natur, führt zur Klimaerwärmung und zum Artensterben. Wir haben eine Verantwortung, die Last für andere zu tragen, dadurch, dass wir unseren Teil beitragen, damit die Treibhausgasemissionen reduziert, der Abholzung ein Ende gesetzt und mehr Bäume gepflanzt werden. Wir sollten Freud und Leid der Schöpfung Gottes mitfühlen, denn auch wir sind seine Geschöpfe.

Martin Luther hat immer wieder die Fürsorge für die Armen betont. Das ist für mich als Christ von höchster Bedeutung. „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen“ (Eph. 2,10). In Afrika, Asien und auf anderen Kontinenten gibt es Flüchtlinge. Wir müssen für sie sorgen. Uns ist unsere Erlösung geschenkt, damit wir anderen dienen ohne eine Gegenleistung zu erwarten.

Meine Erfahrung bei der Werkstatt Wittenberg des Globalen Netzwerks junger Reformatorinnen und Reformatoren lässt sich so zusammenfassen: Fantastisch, voller Freude, lehrreich und voller Herausforderungen. Ich habe gelernt, dass Gott mich zum politischen Engagement, zur bereitwilligen Ökumene und zur treuen Bewahrung der Schöpfung beruft. Wir haben unsere Überzeugung bekräftigt, dass das Fundament unseres Lebens als Christinnen und Christen zuallererst in einer soliden Beziehung zu Jesus Christus besteht.