Irak: Alternativen zu Gewalt

Zhiyan Abdullad während des AVP-Workshops im November 2019. Foto: LWB/R. Omar

LWB-Projekt für Frieden und sozialen Zusammenhalt in Flüchtlings- und Aufnahmegemeinschaften

Dohuk, Irak/Genf (LWI) – Frieden in einer Region zu schaffen, in der es über viele Jahre Konflikte gegeben hat, ist eine schwierige Aufgabe – selbst auf einer sehr persönlichen Ebene. Traumata, alte Verletzungen, die man oft in der unmittelbaren Nachbarschaft erlitten hat, und Probleme in alltäglichen Leben führen oft zu Belastungen, die schnell zur Verstetigung eines Teufelskreises der Gewalt führen können.

Diese Erfahrung hat Zhiyan Abdullah gemacht, eine Hochschulstudentin aus Duhok im Nordirak. Ihre Gemeinschaft, die sich durch eine hohe ethnische Diversität auszeichnet, hat Zehntausende von Flüchtlingen aufgenommen, die in den vergangenen Jahren vor dem Terror des so genannten Islamischen Staates geflohen sind.

Die junge Frau gehört zu den erfolgreichen Teilnehmenden des LWB-Projektes „Alternativen zur Gewalt“ (Alternatives to Violence – AVP). Das Projekt besteht aus drei Workshops über gewaltfreie Konfliktlösungen durch Transformation von Machtbeziehungen.

Dabei handelt es sich um eine Methode, die aus den USA stammt. Sie wurde 1975 in den USA in einem Gefängnis auf Bitten der Häftlinge entwickelt. Seither hat sich das Projekt in mehr als 20 Ländern etabliert, darunter Ruanda, Bosnien, Sudan, Hongkong und jetzt Irak. Der LWB hat das Projekt in den Gouvernements Duhok und Ninawa als eine Methode für die Friedensarbeit und die Förderung des sozialen Zusammenhalts eingeführt und mehrere Workshops des Projektrahmens zwischen März 2019 und Dezember 2019 betreut.

Es geht nicht nur um körperliche Gewalt

„Ich dachte, das sei nur ein theoretischer Workshop, aber in Wirklichkeit war er besonders praxisbezogen“, so Abdullah und erinnert sich daran, dass ihre Freunde und Freundinnen sie zunächst zur Teilnahme überreden mussten. Die junge Frau war so froh über den Workshop, dass sie sich nicht nur für den nachfolgenden Aufbaukurs angemeldete, sondern auch für das dritte Modul, das die Teilnehmenden auf ihre Rolle als Konfliktlotsen und -lotsinnen vorbereitet. „Diese Sitzungen haben mich dazu veranlasst, eine geduldigere und gewaltlose Person zu werden“, sagt Abdullah.

Die AVP-Definition von Gewalt und Konflikten beinhaltet nicht nur Krieg, Kampf und körperliche Übergriffe, sondern auch verbale Aggression, Armut, Rassismus und Sexismus, Verlust persönlicher Rechte und vieles mehr. Es thematisiert Traumata infolge schlechter Entscheidungen, durch Ausnutzung von Menschen und durch Verhaltensweisen, die eine Gemeinschaft spalten.

„AVP ist ein grundlegend persönliches und experimentelles Programm, das die Teilnehmenden dazu ermutigt, sich damit auseinanderzusetzen und zu kommunizieren, wie sie auf der persönlichen und sozialen Ebene zu Gewalt und Gewaltfreiheit stehen“, erklärt Rizgar Omar, Beauftragter für Friedensarbeit und sozialen Zusammenhalt im Irak. „Auf AVP-Workshops entsteht ein Lernumfeld, in dem die Teilnehmenden aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse beginnen, ihre Einstellung zu Konflikten und deshalb auch zu anderen Menschen zu ändern.“

Wichtigster Grund für Akzeptanz

Zhiyan Abdullah erkennt den Nutzen dieser Workshops bereits in ihrem Alltagsleben: „Ich weiss jetzt, wie ich mit Konflikten umgehe, ohne sofort und impulsiv zu reagieren. Ich habe ebenfalls gelernt, auf unterschiedliche Persönlichkeiten einzugehen.“

Abdullah ist davon überzeugt, dass die Gemeinschaft diese Workshops wirklich braucht. In Dohuk, wo Menschen mit unterschiedlichem ethnischem und religiösem Hintergrund zusammenleben, kommt es nicht selten zu familiären Konflikten. Außerdem hat die Gemeinschaft während der vergangenen fünf Jahre Flüchtlinge und Binnenvertriebene aus Sinjar, Mossul und Syrien aufgenommen, was zu Spannungen in den Aufnahmegemeinschaften geführt hat.

„Ich glaube, dass AVP früher oder später eine feste Größe bei den Menschen innerhalb der Gemeinschaft sein wird, genauso wie Respekt und Liebe.“ Sie ist fest davon überzeugt, dass „AVP eines Tages zur Akzeptanz innerhalb der Gemeinschaft beiträgt.“

Der LWB hat sieben Workshops mit Flüchtlingen, Binnenvertriebenen, Rückkehrenden und Aufnahmegemeinschaften aus den Gouvernements Dohuk und Ninawa durchgeführt. Nach Abschluss des Projekts sind 27 neue Konfliktlotsen und -lotsinnen wie Zhiyan bereit, diese Arbeit in ihren Gemeinschaften fortzusetzen. Sie haben bereits so genannte „Kaskadenschulungen“ (das ist eine Schulung, die die ersten beiden Sitzungen der ursprünglichen Schulung kombiniert) für 291 Menschen in ihren Heimatgemeinschaften durchgeführt.

Das AVP-Projekt wurde gemeinschaftlich vom LWB und den lokalen und internationalen NGOs Baghdad Women Association (BWA), Humanity, Christian Aid Program in Irak-Nohedra (CAPNI), Al - Yawm Al - Jadeed Organization for Development and Reconstruction (YJDR), Yazda, und Youth Speak durchgeführt.