Hürden abbauen: Frauen und Leitungsverantwortung im LWB
Webinar zum Weltfrauentag beleuchtet Erfolge und Hindernisse dreier Generationen
GENF, Schweiz (LWI) – Wie lassen sich Hürden abbauen, die Frauen daran hindern, ihre Begabungen frei zu entfalten und in Kirche wie Gesellschaft in hochrangige Leitungspositionen aufzusteigen? Mit dieser Frage befasste sich ein Webinar, das der Lutherische Weltbund (LWB) am Weltfrauentag, dem 8. März, veranstaltet hat. Fünf jüngere und ältere Frauen, die in der weltweiten Kirchengemeinschaft Leitungsverantwortung wahrnehmen und wahrnahmen, kamen zu Wort.
Als mögliche Lösungen nannten die Podiumsteilnehmerinnen die energische Förderung der Mädchenbildung, die Bewältigung unbewusster Vorurteile, die Vertiefung feministischer theologischer Denkansätze, die Schaffung starker Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung sowie das Engagement für die Überwindung sämtlicher Formen sexualisierter oder geschlechtsspezifischer Gewalt. Nur die Zusammenarbeit von Frauen und Männern aller Generationen, so das gemeinsame Fazit, könne eine Annäherung an das Ziel der vollständigen Gleichstellung der Geschlechter bewirken.
Als Vertreterin einer früheren Generation weiblicher Führungspersönlichkeiten sprach Musimbi Kanyoro aus Kenia. Die heute im Ruhestand befindliche langjährige Referentin für Frauen in Kirche und Gesellschaft beim LWB war zuletzt Präsidentin des Global Fund for Women. Sie blickte zurück auf die Chancen zur Begegnung mit Frauen aus LWB-Mitgliedskirchen weltweit, die sich ihr in den 1980er-Jahren eröffneten, sowie auf die Erfahrung, dass viele dieser Frauen von einer wirksamen Teilhabe und von der Führungsverantwortung ausgeschlossen waren.
Starkes Fundament
Kanyoro erinnerte jedoch auch an die Fortschritte, die mit der Ordination der ersten Frauen in immer mehr Kirchen sowie mit der Einführung verpflichtender Frauenquoten auf der Leitungsebene erzielt wurden. „Nahe an der Schrift bleiben und Räume für den Dialog eröffnen“ – beides sei unerlässlich, um Veränderung zu bewirken, so Kanyoro, denn „wir wissen, dass wir alle gleichermaßen geschaffen sind, um Gott zu dienen“. Damit griff sie die Begrüßungsworte von LWB-Generalsekretär Martin Junge auf: „Wir alle sind gleichwertige Geschöpfe Gottes. Als solche sind wir berufen, in Kirche und Gesellschaft zu leben, zu wirken und Zeugnis zu geben“. Er rief dazu auf, diese „tiefe Glaubensüberzeugung“ auch weiterhin fruchtbar zu machen für „unsere Beziehungen und unsere Zukunftsvision“.
Zwei Frauen, die aktuell im Büro der LWB-Kirchengemeinschaft Leitungsverantwortung tragen, blickten auf ihre jeweilige berufliche Laufbahn zurück und würdigten die Vorbilder, die sie inspirierten. Maria Immonen, Direktorin der Abteilung für Weltdienst, nannte ihre Großmutter, eine engagierte Frauenrechtlerin, und ihre Mutter, die als eine der ersten Pfarrerinnen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Finnlands ordiniert wurde. Dieses „starke Fundament“ habe einen großen Einfluss auf sie gehabt. Wichtig sei jedoch auch die Chance gewesen, sich in den Bereichen Leitungskompetenzen und Management weiterzubilden.
Eva Christina Nilsson, Direktorin der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit, brachte ebenfalls ihre Dankbarkeit zum Ausdruck, „den Fußspuren anderer folgen“ zu können, die in den vergangenen Jahrzehnten zur Beseitigung vieler Hindernisse beigetragen haben. Sie erinnerte sich an ihre Erfahrungen als erste Frau und erste Laiin im Amt als Generalsekretärin des Svenska missionsrådet (Schwedischer Missionsrat). Bei Konferenzen sei ihre Leitungsfunktion oft übersehen und sie als Ehefrau und Begleitperson registriert worden. Noch heute seien Frauen in LWB-Mitgliedskirchen mit Hürden konfrontiert, was die Teilhabe an der Führungsverantwortung auf allen Ebenen angehe. Eine Frau könne sich „nie zurücklehnen, nie hinsetzen“, stellte sie fest und betonte, die LWB-Mitarbeitenden „stehen bereit, um Sie zu unterstützen“.
Herausforderungen für die folgende Generation
Aus einer anderen Weltregion meldete sich Adriana Franco Chitanana zu Wort. Sie leitet das LWB-Kolumbienprogramm. Als Tochter einer peruanisch-amerikanischen Familie sei sie mit erheblicher Ungleichheit sowie einem „patriarchalischen Ton“ aufgewachsen. Dies habe ihren Ehrgeiz geweckt – sie wollte sich ihren „Platz am Tisch“ verdienen. Als hilfreich empfinde und empfand sie Kontakte zu anderen Frauen und die Vernetzung zur gegenseitigen Unterstützung auch mithilfe der sozialen Medien. Besonders gelte dies für die Auseinandersetzung mit „intimen, persönlichen Themen“ wie sexuelle Belästigung und Gewalt.
Als Vertreterin der nächsten Generation von Verantwortungsträgerinnen beschrieb Kuei Juliana Martha aus dem Südsudan, welche Chancen sich ihr durch die Teilnahme an einem Mentoring-Programm des LWB und das daran anschließende Praktikum eröffnet hätten. Schließlich sei sie als Leiterin eines Corona-Reaktionsteams in ihrer Heimat rekrutiert worden. Sie habe Einblicke in vielfältige Aspekte der Arbeit des LWB gewonnen, den sie als „förderliches Umfeld“ für Lernerfahrungen zum Thema Gendergerechtigkeit schätzt. Gleichzeitig verwies sie auf die „sich wiederholenden Konflikte im Südsudan“, die Hand in Hand gingen mit Armut, Unsicherheit und der frühen Verheiratung von Mädchen. All dies schaffe extrem schwierige Bedingungen für junge Frauen wie sie selbst, die Leitungsverantwortung übernehmen wollten.
Unter Verweis auf die strukturellen Hindernisse in der Kirche, die Frauen auch weiterhin in ihrer Entwicklung einschränkten, beklagte Nilsson die fortbestehenden patriarchalischen Traditionen, obwohl es doch „keine biblische Grundlage für eine Ungleichbehandlung“ gebe. Manche Kirchen hätten zwar Quoten für die Beteiligung von Frauen und jungen Menschen eingeführt. Trotzdem, so Nilsson, betrögen sich die Frauen selbst, „wenn wir uns mit Quoten zufriedengeben“, der Schritt über diese hinaus müsse gegangen werden, hin zu einer von gegenseitigem Respekt geprägten Kultur.
Nilsson und Kanyoro nahmen zudem Bezug auf den Missbrauch von Macht und Privilegien. Eine Verbesserung der Selbstwahrnehmung sei erforderlich und es müsse hart gearbeitet werden „an den unbewussten Vorurteilen, die Menschen auf die ihnen zugewiesenen Rollen festlegen“. Frauen müssten dringend solidarisch miteinander sein und voneinander lernen, wobei Meinungsunterschiede zu respektieren seien. Frauen „müssen ihre Ähnlichkeiten und auch ihre Unterschiede einbringen, denn diese verbessern und bereichern“ alle, ergänzte Kanyoro.
Immonen bekräftigte, es müsse in die Bildung von Frauen investiert werden. Außerdem müsste auf allen Leitungs- und Arbeitsebenen ein sicheres Umfeld und eine ausgewogene Beteiligung beider Geschlechter sichergestellt werden. „Das oberste Ziel der Gendergerechtigkeit“, so Immonen, „besteht darin, dass Männer und Frauen gleichermaßen im Einklang mit sich selbst agieren können“. Daher sei es wichtig, die „unterschiedlichen Leitungsstile“ zu prüfen und wertzuschätzen, die die oder der Einzelne einbringen kann.
Die drei aktuell in LWB-Leitungspositionen Tätigen würdigten abschließend die Leistung junger Frauen wie Kuei, die trotz der vielfältigen Herausforderungen der gegenwärtigen, von der Corona-Pandemie geprägten Zeit, „ihre Stimmen zu Gehör bringen“. Alle Frauengenerationen müssten zusammenarbeiten auf der Grundlage jener „Hoffnung, die nicht zuschanden werden lässt“.
Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Angelika Joachim, Redaktion LWB/A. Weyermüller