Heilung, Hoffnung und vermittelnde Präsenz

Foto: LWB/Albin Hillert

Bericht des LWB-Generalsekretärs an das Exekutivkomitee

GENF (LWI) – Die durch die weltweite Coronavirus-Pandemie notwendig gewordenen Veränderungen hätten den Lutherischen Weltbund (LWB) gezwungen, zu überdenken, wie er seine zentrale Berufung praktisch umsetzt, reaktionsschnelles Instrument der LWB-Mitgliedskirchen und der Gemeinwesen zu sein, denen diese Kirchen in einem dramatisch veränderten Kontext dienen. Nebst all der Unsicherheit darüber, wie die COVID-19-Pandemie „die Welt verändern wird, ist eines schon jetzt sicher: Der LWB muss im Umgang und in der Antwort auf die Pandemie eine zentrale Rolle spielen.“

Das erklärte LWB-Generalsekretär Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge in seinem Bericht an das LWB-Exekutivkomitee, das vom 10. bis 16. Juni online eine außerordentliche Tagung abhält. Das Exekutivkomitee wird notwendige Entscheidungen im Bereich Leitung und Management treffen, die der LWB-Rat, der seine geplante ordentliche Tagung aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt hatte, an es delegiert hat.

Junge betonte, dass die zentrale Berufung der lutherischen Kirchengemeinschaft und ihre gemeinsamen Arbeitsschwerpunkte in der LWB-Strategie 2019-2024 „ganz klar formuliert sind“ und „weiterhin Ausgangspunkt für alle Aktivitäten sein werden“. Dennoch erfordere die aktuelle Situation angesichts der derzeitigen Lage und der sich verändernden Kontexte, in denen diese Selbstverpflichtungen umgesetzt werden sollen, eine Neuevaluierung der Programmarbeit und eine Anpassung an die neuen Kontexte und an die neuen Gegebenheiten in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Finanzmittel, so Junge.

Der Generalsekretär beschrieb das Auftauchen des Virus in aller Welt als eine existenzielle und spirituelle Herausforderung, die aufgezeigt habe, was das politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, spirituelle und ökologische Gefüge unserer Gesellschaften und der Menschheit als Ganzes zusammenhält. „Wo der Zusammenhalt schon schwach war, sorgt COVID-19 jetzt dafür, dass alles auseinanderfällt“ und „wir erleben gerade erst den Anfang eines starken wirtschaftlichen Abschwungs weltweit“, der durch die staatlich verordneten Lockdowns und die Maßnahmen zur räumlichen Distanzierung von anderen Menschen zur Eindämmung des Virus ausgelöst wurde.

Neue Denkweisen seien nicht nur in Bezug auf aufkommende theologische Fragestellungen dahingehend notwendig, wie die Kirche Kirche sein kann, wenn die Menschen nicht persönlich zum Gottesdienst, zu Gesprächskreisen und zum Dienst zusammenkommen können, sondern auch in Bezug auf das diakonische Engagement und die finanzielle Lage von Kirchen, unabhängig davon, ob diese sich auf die Einnahmen aus der Kollekte am Sonntag oder andere Einkommensquellen stützt.

Da der LWB auf Kirchen und andere Finanzierungspartner angewiesen sei, die die Auswirkungen von COVID-19 zu spüren bekommen, mache es die herrschende Unsicherheit darüber, wie sich die Pandemie weiter entwickeln wird, „extrem schwer, zu sagen, wie die Situation in den kommenden Monaten, geschweige denn in einem Jahr aussehen wird“, erklärte Junge.

Diese Herausforderungen böten aber eine gute Gelegenheit, so Junge, „zu lernen, wirklich global und auf polyzentrische Art und Weise zu funktionieren und zu interagieren“.

Anpassung an neue Kontexte

Parallel hätten die Mitgliedskirchen ermittelt, dass die Isolation der Menschen, Hunger, Gewalt und Traumata/psychische Gesundheit zentrale Themen seien, mit denen sie sich neben dem wirklich großen Bedarf an theologischer und pastoraler Unterstützung und diakonischem Engagement in ihrer laufenden Arbeit befassen müssten. Menschen, die mit Arbeitslosigkeit, Hass, Fremdenfeindlichkeit, anhaltender Armut, einer möglichen Hungersnot, vermehrter Gewalt gegen Frauen und einer Vielzahl von weiteren furchtbaren Prognosen konfrontiert sind, „erleben einen Schock nach dem anderen, ohne dazwischen Zeit für Heilung zu haben oder das Erlebte verarbeiten zu können“.

Den kürzlich gestarteten COVID-19-Soforthilfe-Fonds bezeichnete Junge als eine Möglichkeit, das unentbehrliche Wirken und Zeugnis der Kirchen als Antwort auf die Pandemie bei ihnen vor Ort zu unterstützen, und den leidenden Menschen durch die „Heilung bringende, anteilnehmende und Hoffnung vermittelnde Präsenz der Kirchengemeinschaft“ beizustehen.

Für den LWB-Weltdienst, der in seinen Länder- und Nothilfeprogrammen mehr als 9.000 Beschäftigte habe, bedeute COVID-19 unter anderem eine Umgestaltung aller Aktivitäten, um die Sicherheit der Beschäftigten und der Menschen, denen sie dienen, sicherstellen zu können. Eine der größten Sorgen aber sei, dass die Geldgeberinnen und Geldgeber ihre finanzielle Unterstützung aus schon jetzt fragilen Kontexten abziehen, um auf kurzfristig zu bewältigende Probleme zu reagieren, was für die betroffenen Menschen zu noch mehr Leid führen würde. In diesem Zusammenhang brachte Junge seine Dankbarkeit dafür zum Ausdruck, dass der LWB im Lenkungsausschuss für humanitäre Hilfe vertreten sei. In diesem Lenkungsausschuss arbeiten führende humanitäre Hilfsorganisationen zusammen, um die Lage in der Welt gemeinsam zu analysieren und sich über Erfahrungen auszutauschen und größere Rechenschaftspflicht im humanitären Engagement und eine bessere Wirkung desselben zu fördern.

Online-Zusammenarbeit stärkt Beziehungen

Um alle Mitarbeitenden und Beteiligten vor COVID-19 zu schützen, hat der LWB verschiedene Maßnahmen eingeführt. So werden zum Beispiel alle Reisetätigkeiten und internationalen Tagungen bis September oder länger ausgesetzt und alle Mitarbeitenden arbeiten schon seit März und noch bis Ende Juni von zu Hause aus.

Junge lobte die neue Online-Zusammenarbeit und nannte sie eine „solide Grundlage für die veränderten Arbeitsansätze, über die wir nachdenken müssen, wenn wir uns die ‚neue Normalität‘ für den LWB versuchen auszumalen“. Solche neuen Arbeitsansätze würden Investitionen in eine neue IT-Infrastruktur erfordern und zudem mit bewussten Anstrengungen verbunden sein müssen, Möglichkeiten zu schaffen, um auch jene Kirchen einzubinden, in denen die technischen Voraussetzungen nicht ohne Weiteres verfügbar seien. Und auch wenn eine solche Online-Zusammenarbeit die persönlichen Treffen und Begegnungen nicht komplett würde ersetzen sollen, würde sie in Bezug auf ökologische und finanzielle Erwägungen doch einen Mehrwert darstellen und Potenzial bieten, mehr Akteurinnen und Akteure auf nachhaltige Art und Weise einzubeziehen.

Der LWB gehe in die vor uns liegende Phase der Unsicherheit aus einer Position der Stärke heraus und mit einer klaren Vision und Berufung. An das Exekutivkomitee gerichtet erklärte der LWB-Generalsekretär, es sei eine Zeit, um unsere globalen Strukturen und unsere globale Zusammenarbeit zu stärken und gleichzeitig die Kirchen vor Ort zuzurüsten.

 

Das Exekutivkomitee überwacht das ordnungsgemäße Funktionieren des LWB zwischen zwei Tagungen des Rates und tagt in der Regel zweimal im Jahr. Den Vorsitz führt LWB-Präsident Erzbischof Dr. Panti Filibus Musa aus Nigeria, zu den Mitgliedern zählen außerdem die sieben Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten aus den sieben LWB-Regionen, die oder der Vorsitzende des Finanzausschusses und die Vorsitzenden der übrigen Ratsausschüsse. Auch Mitglieder des Teams der Führungskräfte im Büro der Kirchengemeinschaft nehmen an den Tagungen teil.