Gemeinsam für Gendergerechtigkeit

Pfarrerin Elitha Moyo, Koordinatorin des Bereichs Gendergerechtigkeit bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe. Foto: LWB/Albin Hillert

Interview mit Pfarrerin Elitha Moyo, Simbabwe

BULAWAYO, Simbabwe/GENF (LWI) – Pfarrerin Elitha Moyo von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe (ELKS) ist überzeugt, dass Frauen und Männer zusammenarbeiten müssen, um Zwangs- und Kinderehen, verfrühten Schwangerschaften und geschlechtsspezifischer Gewalt ein Ende setzen zu können. Moyo ist Koordinatorin des Bereichs Gendergerechtigkeit bei der ELKS und Mitglied im Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB). Sie sagt, dass nur eine Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen dafür sorgen könnte, dass der Teufelskreis des Missbrauchs durchbrochen werde und sich alle Menschen entfalten könnten.

Moyo und die drei ELKS-Diözesen und lokalen Verantwortlichen der Kirche haben einen Anstieg der Gewalt gegen Frauen und Kinder feststellen müssen, als die Coronavirus-Pandemie über das Land hereinbrach. Diese Beobachtung veranlasste Moyo und das Projekt „Gendergerechtigkeit“ der ELKS, das seit 2012 vom LWB finanziert wird, in die Distrikte Ost-, West- und Mittelsimbabwe zu gehen und die bereits bestehende Kampagne zum Thema Gendergerechtigkeit dort um einen zusätzlichen Aspekt zu ergänzen: die Sensibilisierung für Hygienemaßnahmen zur Vermeidung von einer Ansteckung mit COVID-19.

Durch ihre Leidenschaft und Berufung zu Führungsverantwortung und ihr Engagement für Gendergerechtigkeit hat Moyo selbst in den konservativsten Gemeinschaften Simbabwes positive Veränderungen in Bezug auf Gendergerechtigkeit erlebt.

Inwiefern ist Ihre Arbeit als Koordinatorin des Bereichs Gendergerechtigkeit bei der ELKS in jüngster Zeit schwieriger geworden?

Selbstverständlich wurde auch die ELKS nicht von der durch COVID-19 verursachten Krise verschont. Unsere Mitglieder spüren die Auswirkungen – auch jene, die die Kirche immer finanziell unterstützt haben. Weil die Menschen vor Ort finanzielle Einbußen verkraften müssen, steckt auch die Kirche in der Krise und kann ihre Mitarbeitenden und Mitglieder nicht mehr unterstützen.

Die Zahl der Fälle von sexueller Ausbeutung und anderer geschlechtsspezifischer Gewalt stieg zunehmend und verschärfte sich im Kontext der COVID-19-Pandemie aufgrund des eingeschränkten Zugangs zu Ressourcen wie Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischen Einrichtungen durch die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit noch deutlich.

Wie steht es um die Gesundheitsversorgung in Simbabwe?

Wir hoffen sehr, dass der Gesundheitsminister für eine Verbesserung der medizinischen Einrichtungen sorgen wird, die in einem immer schlimmeren Zustand sind. Die meisten Menschen kommen in die Missionsstationen oder privaten Krankenhäuser, wenn sie medizinische Hilfe benötigen. Aber leider können es sich nur die wenigsten leisten, sich tatsächlich in den privaten Krankenhäusern behandeln zu lassen. Und die Missionsstationen sind in der Regel nicht zentral in den Ortschaften oder an anderen gut erreichbaren Orten gelegen. Zudem ist es für die Missionskrankenhäuser oft schwierig, an Medikamente und persönliche Schutzausrüstung zu kommen.

Es gibt zu wenig Testkits, was dazu führt, dass viele Menschen gar nicht erst getestet werden. Das wiederum heißt, dass die offizielle Zahl der an COVID-19 Erkrankten viel zu niedrig ist.

Welche Strategien verfolgt die ELKS, um Frauen in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen?

Im Kontext von COVID-19 und dem Lockdown war geschlechtsspezifische Gewalt ein großes Problem. Es ist bekannt, dass die Täter meist im familiären Umfeld oder unter Menschen zu finden sind, denen die Opfer vertrauen. Während der COVID-19-Pandemie haben wir beobachtet, dass die Zahl der frühen Schwangerschaften und die Anzahl der Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt, durch die Frauen ums Leben gekommen sind oder ernsthaft verletzt wurden, deutlich gestiegen ist. Armut verstärkt diese Art von Gewalt.

Die ELKS versucht zu helfen, indem sie verschiedene Aktivitäten für Frauen und Kinder organisiert, die mit der Unterstützung von Schwesterkirchen oder anderen Partnern finanziert werden. Zu diesen Aktivitäten zählen Empowerment-Projekte an Schulen und Workshops für junge Mütter sowie Schulungen zur Ausbildung von unternehmerischen Fähigkeiten und anderen Fertigkeiten.

In einigen dieser Workshops haben wir festgestellt, dass die Teilnehmerinnen frei über ihre Erfahrungen mit geschlechtsspezifischer Gewalt in ihren Familien und Gemeinschaften sprechen und berichten konnten. Das hat uns gezeigt, dass die Workshops den Frauen und Kindern die Kraft und den Mut geben, ein Ende von geschlechtsspezifischer Gewalt zu fordern.

Sie setzen sich dafür ein, dass auch Männer und Jungen aktiv an Gendergerechtigkeit beteiligt werden. Können Sie uns das etwas genauer erläutern?

Wir müssen auf Männer und Jungen zugehen und sie einbeziehen, weil sie in Bezug auf Frauenthemen oftmals sozusagen die Türhüter sind oder Widerstand leisten. Wenn wir sie nicht erfolgreich einbeziehen, werden die Bemühungen der Gesellschaft konterkariert oder einfach ignoriert. Das Thema ist keine reine Frauensache, sondern ein Thema, bei dem Frauen und Männer zusammenarbeiten müssen, damit die Beziehungen gerecht sind. Und damit sowohl Männer als auch Frauen ihr volles Potenzial entwickeln und ausleben und die ihnen von Gott gegebene Würde in vollem Umfang leben können.

Gibt es Beispiele für positives Engagement von Männern?

Ja. Es gibt viele Männer, die das Programm sehr gut angenommen haben und die darüber berichten, wie es sie und ihr Verhalten verändert hat. Einige dieser Männer sprechen öffentlich über gesundheitsschädliche kulturelle Praktiken in den Kirchen und Gemeinwesen, wie zum Beispiel Kinderehen oder Zwangsehen.

Einzelne Mitglieder der ELKS informieren die Mitarbeitenden über Gendergerechtigkeit, wenn es Fälle gibt, wo eingegriffen werden muss. Aber nachhaltige Veränderung ist ein langsamer Prozess und braucht Zeit.

Im Rahmen eines Workshops sagte ein Mann einmal zu mir: „Euer Programm ist anders als andere, weil ihr Männer in die Diskussionen und die Suche nach Lösungen für die Probleme [wie verfrühte Schwangerschaften und Kinderehen] miteinbezieht“.

Es zeigen sich erste Fortschritte, denn gesellschaftliche Führungspersonen können heute immerhin schon Treffen zum Thema Gendergerechtigkeit organisieren und oder Beauftragte für Gendergerechtigkeit ernennen. Auch wenn Gendergerechtigkeit noch nicht für alle Menschen wichtig zu sein scheint, gibt es in den Gemeinwesen immer mehr Menschen, die sich wirklich für das Thema engagieren und es vorantreiben. Es ist ein langer Weg zur Freiheit.

Was hat Sie persönlich animiert und motiviert, in der Kirche und im Ringen um Gendergerechtigkeit eine Führungsrolle zu übernehmen?

Ich habe einfach das dringende Bedürfnis verspürt, mich in der Kirche und in der Gesellschaft insgesamt für Gendergerechtigkeit einzusetzen. Ich hatte das Gefühl, dass Gott mich aus genau diesem Grund zum Dienst als Pfarrerin berufen hat und daher muss ich ein Vorbild für andere Frauen sein.

Schon früh hatte ich das Gefühl – und das Gefühl habe ich heute auch noch! –, dass auch Frauen all das können, was Männer in Bezug auf Chancen und Rollen können, denn Frauen sind genauso Menschen wie Männer. Dass wir erschaffen wurden, dient einem größeren Zweck, und wir müssen uns gegenseitig völlig unabhängig von unserer Zugehörigkeit zum einen oder zum anderen Geschlecht wertschätzen.

Gott wies mir den Weg und ich habe es geschafft, selbst zu sehr, sehr konservativen Gemeinschaften durchzudringen, die wirklich fest verwurzelt sind in ihren Traditionen und kulturellen Praktiken, und für die Frauen keinen Wert haben.

Dank Gottes Führung habe ich erlebt, dass sich diese Gemeinschaften öffnen und sich bewusst und freiwillig von einigen ihrer unterdrückerischen kulturellen Praktiken lossagten.

 

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.