Gastfreundschaft: Thema der Gebetswoche für die Einheit der Christen

Prof. Dr. Dirk Lange trug auch zur LWB-Vollversammlung in Namibia bei. Foto: LWB/A.Hillert

LWB-Ökumeneverantwortlicher Lange zu Gebet, Liturgie und Versöhnung

GENF (LWI) – Fremden in Not „ungewöhnlich freundlich“ (Apg 28,2) zu begegnen, diesen Gedanken greift das Motto der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen auf, die Kirchen weltweit zwischen dem 18. und 25. Januar (oder in der südlichen Hemisphäre teils um Pfingsten herum) begehen.

Die Inhalte und Materialien für die Gebetswoche haben diesmal christliche Kirchen auf Malta und Gozo entwickelt. Sie ziehen den Vergleich zwischen der Freundlichkeit, die dem Apostel Paulus nach seinem Schiffbruch vor diesen Inseln von deren Bevölkerung entgegenbracht wurde, und dem Aufruf, auch heute allen Hilfsbedürftigen mit Gastfreundschaft zu begegnen.

„In diesem Sinne ist das Gebet für die christliche Einheit auch ein Gebet für und eine Verpflichtung auf das Wohl der gesamten Menschheitsfamilie und ihre Versöhnung“, erklärt dazu Prof. Dr. Dirk G. Lange, der jüngst zum neuen Assistierenden Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB) für Ökumenische Beziehungen berufen wurde.

Frühe ökumenische Erfahrungen

Lange wirkte bisher am Luther Seminary in St. Paul (Minnesota, USA), wo er die Liturgieprofessur sowie das Amt des Studiendekans innehatte. Er ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA) und vielen ökumenischen Partnerinnen und Partnern bekannt durch seine Mitarbeit an der Ausarbeitung des Gemeinsamen Lutherisch-Katholischen Gottesdienstes anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum, dem Papst Franziskus gemeinsam mit hochrangigsten LWB-Vertretern 2016 in Lund (Schweden) vorstand.

Die Ökumene prägt Lange seit seiner Kindheit. Er wuchs in einer gläubigen Immigrantenfamilie in Kanada auf, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Ostgebiete Deutschlands verlassen musste. Seine Heimatgemeinde St. Stephen and St. Bede in Winnipeg trieb als Pionierin in einem Pilotprojekt den anglikanisch-lutherischen Dialog voran. „Mein eigenes konkretes kirchliches Umfeld speiste sich aus zwei kirchlichen Traditionen und Gemeinschaften, die bestrebt waren, gemeinsam Zeugnis zu geben und das Evangelium zu verkünden“, erinnert er sich.

Als jungen Mann sprach ihn die Vision der Versöhnung an, wie sie in der von dem Schweizer Pfarrer Roger Schütz gegründeten Communauté von Taizé in Frankreich im gemeinsamen Gebet und Zeugnis gelebt wurde. „Frère Rogers Vision von der Kirche hat mich tiefgreifend geprägt. Diese Vision wurzelte in seinem eigenen spirituellen Erbe, das Glauben und Tun (‚Kampf und Kontemplation‘) miteinander verbindet, sowie in dem Aufruf zur Versöhnung nicht nur zwischen den Kirchen sondern auch innerhalb der ganzen Menschheitsfamilie.“

Gebet und Zeugnis mit der Communauté von Taizé

Lange gehörte in den 1980er Jahren zur Gemeinschaft in Taizé und besuchte in dieser Zeit viele Untergrund-Gebetszirkel in Osteuropa, besonders in der ehemaligen DDR und der Tschechoslowakei. Dort begegnete er unterschiedlichen Glaubenstraditionen mit ihrem je eigenen und doch gemeinsamen Zeugnis und Widerstand gegen Kräfte der Unterdrückung und des Unrechts. Er berichtet: „Inmitten dieser Gebetszirkel erfuhr und erlernte ich das Gebet als totale Hingabe an Gottes Handeln.“

Nach der Ordination wirkte Lange in Gemeinden in Atlanta und Philadelphia, bevor er seine Tätigkeit als Autor und Dozent aufnahm. In seinem ersten Buch, „Trauma Recalled“ (etwa: Erinnertes Trauma), beschreibt er, wie die Liturgie die Glaubenden in die Welt sendet, um das Leid ihrer Nächsten zu tragen. Er stützt sich dabei auf Gedankengut der poststrukturalistischen französischen Philosophie sowie der Traumatheorie und zeigt an Luthers Sakramententheologie das Störmoment des Einbrechens Gottes mitten in eine Gemeinschaft hinein auf, das ihre Türen für die Anteilnahme an individuellen Traumata sowie auch an den historischen Traumata ganzer Völker öffnet.

In einem zweiten Werk, „Today Everything is Different“ (Heute ist alles anders), das kurz vor der Veröffentlichung steht, beschreibt er eine aus der Taufe gespeiste Spiritualität, die in Luthers Verständnis von der Verbindung zwischen Taufe und Gebet als praktisch geübtem Glauben wurzelt.

Lange hat sich in vielfältigen Textbeiträgen mit den ökumenischen Beziehungen und vom LWB, der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen sowie dem Vatikan vorgelegten ökumenischen Dokumenten auseinandergesetzt und sie in Vorlesungen und Referaten behandelt, darunter auch die Enzyklika „Ut unum sint“ von Papst Johannes Paul II., die einen ökumenischen Meilenstein darstellt. „Die Ökumene steht im Zentrum meiner Existenz, genau wie sie auch das theologische Herz des lutherischen Zeugnisses bildet“, stellt Lange fest. Seit 2013 ist er Mitglied der Lutherisch/römisch-katholischen Kommission für die Einheit und hat in diesem Rahmen auch den Ökumenischen Gottesdienst für die Gedenkfeierlichkeiten 2016 in Lund mitentwickelt sowie in der Folge auf nationaler und lokaler Ebene Kirchen und Gemeinden dabei unterstützt, diese Liturgie mit Leben zu erfüllen.

„Mein Leben ist geprägt vom Engagement für das Evangelium und von meiner Begegnung mit den Nächsten, die mich so freundlich willkommen hießen und von denen ich so vieles gelernt habe“, schließt Lange.

Zur Gebetswoche für die Einheit der Christen ergänzt er: „Uns wird in Erinnerung gerufen, dass im Zentrum des Lebens Gottes überreiche, großzügige Ausgießung der Barmherzigkeit steht, Gottes unermessliche Güte, die uns umfängt und den Weg der Versöhnung bahnt. Aus diesem Umfangensein in Barmherzigkeit heraus wenden wir uns unseren Nächsten zu, denen, die in unserer Mitte leiden, den Flüchtlingen, den Fremden, und nähern uns mit unserem konkreten Leben immer mehr dem an, was es wirklich bedeutet, Menschheitsfamilie zu sein.“