EU: Slowakischer Bischof berichtet über die Ukraine-Hilfe seiner Kirche

März 2022: Ein Freiwilliger an einem von der Kirche betriebenen Stützpunkt am Grenzübergang Vyšné Nemecké zwischen der Slowakei und der Ukraine hilft einer Flüchtlingsfamilie, die gerade in der Slowakei angekommen ist. Zu Beginn des Krieges wurden am Grenzübergang Vyšné Nemecké täglich bis zu 10.000 Geflüchtlinge gezählt. Foto: LWB/Albin Hillert

„Die Kirchen wollen für die Menschen da sein“

BRÜSSEL, Belgien/GENF (LWI) – „Die Situation in der Ukraine ist unerwartet und schrecklich“, sagte Bischof Peter Mihoč von der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakischen Republik (ECAV). „Wir versuchen, auf diese fürchterlichen Zustände zu reagieren und mit Nächstenliebe zu dienen.“ Mihoč sprach am 12. Juli vor dem Europäischen Parlament in Brüssel über die humanitäre Arbeit seiner Kirche. Zu diesem Anlass berichtete er über wichtige Erkenntnisse zu den Herausforderungen, die Ortskirchen bei der Unterstützung von Geflüchteten aus der Ukraine bewältigen müssen.

Seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine am 24. Februar hat die Slowakische Republik eine wichtige Rolle bei der Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine übernommen. Die ECAV hat Gemeinden in Prešov, einer Stadt direkt an der ukrainischen Grenze. Rund 600.000 Geflüchtete sind seit Beginn des Krieges über diese Grenze in die Slowakei gekommen. 

„Wir konnten nicht gleichgültig bleiben“ 

Mihoč erinnerte sich an die Situation im Februar und im März, als den Gemeinden Tausende von verängstigten, traumatisierten und leidenden Menschen begegneten. „Als Kirche, Land und Gesellschaft waren wir nicht auf diese Situation vorbereitet. Aber gleichzeitig konnten wir natürlich auch nicht gleichgültig bleiben“, sagt er. „In den ersten Wochen des Krieges zeigten sich nicht nur die Grausamkeiten des Krieges, sondern ebenfalls die immense Wirkmacht des Guten und seiner Fähigkeit, sich dem Bösen durch eine aktive Form von Hilfe entgegenzustellen.“

Der Bischof berichtete im Detail darüber, wie seine Kirche gemeinsam mit ihren NGO-Partnern humanitäre Hilfe geleistet hat: Einrichtung von Sammelpunkten direkt an den Grenzübergängen sowie Organisation von Lebensmitteln und Unterkünften nicht nur in kirchlichen Einrichtungen, sondern auch in privaten Haushalten. Darüber hinaus hat die Kirche Transportmöglichkeiten organisiert, Bedarfsgüter und finanzielle Unterstützung angeboten und den ukrainischen Geflüchteten bei zahlreichen verwaltungstechnischen Aufgaben geholfen: Suche nach Arbeit und Unterkunft, Schulen für die Kinder und Veranstaltungen, um ihnen die Integration in die örtlichen Gemeinschaften zu vereinfachen. „Wir versuchen bereits seit einigen Monaten, all diese Hilfen anzubieten“, so Mihoč.

Langfristige Hilfe als Herausforderung

Hatten viele Menschen anfangs noch gehofft, nur kurzfristig auf diese Unterstützung angewiesen zu sein, hat sich inzwischen gezeigt, dass sich die Situation immer mehr verstetigt. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir in unserer Kirche mehrere tausend Geflüchtete, die auch langfristig bleiben werden. Es ist deshalb eine große Herausforderung, die geistliche und materielle Hilfe für diese Menschen aufrechtzuerhalten.“ 

Zusätzlich zur Bereitstellung kostenloser Unterkünfte und Lebensmittel sowie sozialer Betreuung und gesundheitlicher Versorgung für die Geflüchteten in der Slowakischen Republik stellt die ECAV medizinische Güter, Nahrungsmittel und sonstige dringend gebrauchte Hilfsgüter zur Verfügung. Ein Großteil dieser Arbeit erfolgt in Zusammenarbeit mit der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche der Ukraine (DELKU) und anderen Kirchen in der Region sowie internationalen Partnern wie dem Lutherischen Weltbund (LWB). 

„Offenheit und Nähe, Empathie und praktische Hilfe haben sich in den vergangenen Monaten in der Slowakei als wertvolle Eigenschaften erwiesen, und zwar unabhängig von der Konfession oder der sozialen Klasse der Menschen, denen wir dienen“, fügte der Bischof hinzu.

Kirche sein für die anderen

 „Wir wissen nicht, wie lange dieser Zustand noch andauern wird. Deshalb sind wir uns darüber im Klaren, dass die wichtigste Eigenschaft im Moment unser Durchhaltevermögen ist“, sagte Bischof Mihoč. „Ich glaube, dass unsere Aufgabe heute darin besteht, das Problem des Krieges nicht aus einer geopolitischen, sondern aus einer Perspektive der Humanität zu betrachten. Es ist bewundernswert und gar nicht hoch genug einzuschätzen, wie es Europa gelungen ist, in der Benennung und Verurteilung des Bösen eine gemeinsame Haltung zu finden.

In einer pastoralen Enzyklika haben die Bischöfinnen und Bischöfe der Lutherischen Kirche in der Slowakei den Überfall auf die Ukraine verurteilt. Sie haben an die Menschen in der Slowakei appelliert, keinen Hass gegen die russische Nation insgesamt zu hegen, sondern für Vergebung, Versöhnung und das Ende des Krieges zu beten.

Mihoč schloss seine Ausführungen mit einem Zitat des Theologen Dietrich Bonhoeffer: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Der Bischof gab das Versprechen, dass „die Kirchen heutzutage für andere Menschen da sein wollen, und das gilt besonders für die Menschen aus der Ukraine.“

Von Naveen Quayyum/Konferenz Europäischer Kirchen, Redaktion: LWB/C. Kästner. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken, Redaktion: LWB/A. Weyermüller