Eritrea: Viele Glaubensrichtungen unter einem Dach
Internationale Begleitung für lutherische Kindergärten „bitter nötig“
Asmara (Eritrea)/Genf, 27. April 2016 (LWI) - Sie sitzen im Kreis auf dem Boden und hören gespannt ihrer Lehrerin Almaz Tesfaldet zu, die aus einem Büchlein mit biblischen Geschichten für Kinder vorliest. Die 30 vier bis sechs Jahre alten Mädchen und Jungen gehören unterschiedlichen Glaubensrichtungen an. Die Mehrheit ist orthodox, der Rest kommt aus lutherischen, katholischen oder muslimischen Familien.
Die Kinder besuchen den Nachmittagskindergarten der Evangelisch-Lutherische Kirche Eritreas (ELKE) in der Hauptstadt Asmara. „Wir wollen, dass die Kinder etwas über Gott und die Liebe zu Kindern lernen“, erklärt der Generalsekretär der ELKE, Temesghen Berhane Zecharias.
Ungefähr 50 Prozent der rund 5 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Eritreas gehören der orthodoxen Kirche an, 47 Prozent sind MuslimInnen und die restlichen drei Prozent sind lutherisch oder katholisch. Nur diese vier Glaubensgemeinschaften sind von der Regierung offiziell anerkannt und eingetragen in dem Land, in dem es noch weitere Glaubensgemeinschaften gibt.
Obwohl die lutherische Kirche in Eritrea klein ist, hat sie eine lange Tradition im Land. Ihre Wurzeln reichen zurück bis ins Jahr 1866. Zu ihrer diakonischen Arbeit gehört auch die Einrichtung von Kindergärten. Sie sind „integraler Bestandteil unserer Arbeit im Bereich Gemeinwesenentwicklung“, erläutert Pastor Simon Ghebrekristos, Präsident der ELKE.
Die sieben jeweils von einer Erzieherin geleiteten Gruppen des lutherischen Kindergartens von Asmara werden von 300 bis 400 Kindern besucht. Es gibt drei weitere Kindergärten der lutherischen Kirche in abgelegenen Orten im Norden, Süden und Westen des Landes.
„Mir macht es Spass, mich um Kinder zu kümmern“, betont die 35-jährige Almaz Tesfaldet. Auch ihre eigene Tochter Luz (5) gehört zu ihrer Gruppe.
Unterstützung durch den LWB seit 2011
Der Lutherische Weltbund (LWB) unterstützt die Kindergarten-Arbeit der ELKE seit 2011. In der dreijährigen Projektphase von 2016 bis 2018 werden insgesamt 30.000 Euro bereitgestellt. Zuvor hatte der LWB bereits die Renovierung der beiden Kindergartengebäude in der kleineren Edaga Hamuse-Gemeinde ermöglicht, die in der Nähe der lutherischen Hauptkirche im Zentrum von Asmara liegt.
Diese Unterstützung der lutherischen Kirchengemeinschaft für die Lutheraner und Lutheranerinnen in Eritrea ist bitter nötig und sehr wichtig. So fühlen wir uns nicht ganz vergessen. - Temesghen Berhane Zecharias, Generalsekretär der ELKE
Das Ziel der Kirche ist es, Eltern zu entlasten, die sich keine hohen Gebühren für private Kindergärten leisten können. In den lutherischen Kindergärten liegen die Kosten bei lediglich 7,20 Euro (85 Eritreische Nakfa) pro Kind im Halbjahr, in den Dörfern sind es 2,20 Euro (26 Nakfa). Insgesamt besuchen rund 600 Mädchen und Jungen die Kindergärten der ELKE.
Eritrea leidet noch immer unter den Folgen eines 30 Jahre dauernden Unabhängigkeitskrieges mit Äthiopien, der 1991 endete. Zusätzlich verschlimmern die von den Vereinten Nationen 2009 verhängten Sanktionen die Lage für die Menschen. In dem ostafrikanischen Land lebt die Bevölkerungsmehrheit von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in einfachen Verhältnissen auf dem Land.
Die Kindergärten zu betreiben sei keine einfache Aufgabe, sagt Zecharias. Im Zuge der Renovierung der Toiletten wurde eine Abwasserleitung rund um das Grundstück verlegt. „Das ist ein grosser Schritt vorwärts“, betont er. Aber in der aktuellen Projektphase bleibt noch viel zu tun. So gibt es kein fliessendes Wasser in den Toiletten. „Wir wollen Plastiktanks installieren, um für die Toiletten Wasser bereitzustellen“, erläutert Zecharias die geplante Lösung.
Traditionelle Musik und Spiele
Die Zimmer in den jetzigen Gebäuden sind schön dekoriert und eingerichtet mit den verschiedensten Lernmaterialien und unterschiedlichem Spielzeug. In einer Ecke haben die Kinder eine Spiel-Gesundheitsstation eingerichtet, in einer anderen Ecke wird auf einem Ofen in Miniaturausführung Kaffee „gekocht“. Die Kinder sind frei, sich spielerisch zu entfalten, wenn sie nicht gerade das Alphabet oder andere Basislektionen lernen. Der Unterricht erfolgt in der Landessprache Tigrinya.
Die Erzieherinnen erstellen einen Wochenlehrplan entsprechend den Vorgaben der Bildungsbehörden. Eine davon ist, dass Kinder lernen sollen, die traditionellen Instrumente wie die eritreische Trommel und Gitarre zu spielen.
Sonntagsschule in Mendefera
Ausserhalb der Hauptstadt sind die meisten grundlegenden Infrastruktureinrichtungen veraltet und heruntergekommen oder noch gar nicht vorhanden. In der kleinen Stadt Mendefera, etwa 50 Kilometer südlich von Asmara, ist die Sonntagsschule der lutherischen Kirche bei der Bevölkerung sehr populär. Bis zu 180 Kinder aller Glaubensrichtungen besuchen die Schule jeden Sonntagmorgen.
„Wir sind stolz, dass so viele Kinder kommen. Aber das zeigt auch, dass in der Stadt und den umliegenden Dörfern grosser Bedarf an einem Kindergarten besteht“, erklärt Pastor Zienawi Medhanie, der die lutherische Gemeinde in Mendefera leitet. Die Kirche könnte die Klassenzimmer der früheren lutherischen Schule benutzen. Aber zur Eröffnung eines Kindergartens braucht es zusätzliche Mittel.
Jugendliche aus Württemberg
Teil der Unterstützung der ELKE durch die weltweite lutherische Kirchengemeinschaft ist auch ihre Partnerschaft mit der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (Deutschland). Württembergische Jugendliche sammelten nicht nur Spenden für ein Gemeindehaus in Mendefera, sondern halfen bei einem Besuch 2012 auch selbst beim Bau.
Und während des Besuches einer Delegation aus Württemberg im März 2016 wurden zwei weitere Blasinstrumente überreicht für den Posaunenchor, den Jugendliche in Asmara bilden. Alle seine Instrumente sind von Jugendlichen in der württembergischen Kirche gespendet worden.
„Diese Unterstützung der lutherischen Kirchengemeinschaft für die Lutheraner und Lutheranerinnen in Eritrea ist bitter nötig und sehr wichtig“, sagt Zecharias. „So fühlen wir uns nicht ganz vergessen.“
Die Mitgliedschaft der ELKE im LWB reicht zurück bis in das Jahr 1963, als ihre beiden Vorgängerkirchen dem Weltbund beitraten. Die Kirche ist in 46 Gemeinden und 18 Predigtzentren organisiert. In den Gemeinden sind 43 ordinierte Pfarrer und acht ausgebildete Evangelisten tätig. 40 LaiInnen, darunter 17 Frauen, predigen und unterrichten die Bibel. Sie unterstützen die Arbeit der Kirche vor allem in ländlichen Gebieten.
Ein Beitrag von Rainer Lang. Der in Stuttgart lebende deutsche Journalist hat kürzlich Eritrea besucht.