Erdbebensicher bauen in Nepal

Tashi Tamang arbeitet an einem Haus in Ramche. Auf dem Workshop von LWB und Islamic Relief hat er gelernt, wie man in der Himalaya-Region erdbebensichere Häuser baut. Foto: LWF/R. Sedhai

Der LWB und Islamic Relief Worldwide schulen 90 Maurer

Rasuwa, Nepal/Genf (LWI) – Tashi Tamang hat viel zu tun. Der 30 Jahre alte Maurer aus Ramche im Distrikt Rasuwa in der Mitte Nepals hat soeben den Bau der zweistöckigen Seti Bhume High School in Ramche fertiggestellt. Jetzt hat er den Auftrag, ein vierstöckiges Gebäude zu verputzen. Wenn diese Metapher im Himalaya nicht so negativ besetzt wäre, könnte man sagen, dass er mit Aufträgen förmlich zugeschüttet wird.

Der Wiederaufbau fester Gebäude begann Ende des letzten Jahres in Nepal, als die Regierung endgültig die Genehmigung für Häuser in neuer Bauweise erteilt hatte. Tamang ist einer von 90 Zimmerleuten und Maurern aus der Gegend, die im Bau erdbebensicherer Häuser ausgebildet worden sind. Dies erfolgte im Rahmen eines gemeinsamen Projekts des Lutherischen Weltbundes (LWB) und der Organisation Islamic Relief Worldwide (IRW) in Nepal. Dass der junge Handwerker an dem neuntägigen Workshop in Bautechnik teilnehmen konnte, wurde durch die Unterstützung der örtlichen Batas Foundation ermöglicht. 

Schwer getroffen vom Erdbeben 2015

 

Eine Frau arbeitet an einer Behelfsunterkunft in Goljung, Rasuwa. Hier hat der LWB vor kurzem einen Workshop für Maurer durchgeführt. Foto: Paul Jeffrey/ACT

Bei Tamang und seinen Nachbarn sitzt der Schock des Erdbebens von 2015 noch tief, obwohl seitdem eineinhalb Jahre vergangen sind. Fast alle Häuser in der Gemeinschaft wurden vollständig zerstört, mehr als 10.200 Menschen waren davon betroffen. Da politische Instabilität und Proteste den Wiederaufbau verzögern, leben viele Menschen immer noch in Notunterkünften, darunter auch alte Menschen, Schwangere, junge Mütter und Tausende von Kindern.

Das Fehlen eines funktionierenden Wasser- und Abwassersystems bedeutet, dass Frauen lange zu Fuß gehen müssen, um Wasser aus dem nächsten Fluss zu holen – eine gesundheitlich bedenkliche Quelle, da aufgrund der Zerstörung der sanitären Grundversorgung diese Gewässer oft als Toilette benutzt werden.

 

LWB-Projektbereiche in Rasuwa, einem der entlegensten Distrikte Nepals in der Nähe der Grenze zu Tibet. Die Gemeinschaften hier wurden besonders schwer von dem Erdbeben getroffen, erhielten aber erst sehr spät Hilfe. Foto: LWB

Wie sein Familienname verrät, gehört Tashi Tamang zur ethnischen Tamang-Gemeinschaft, eine der zahlreichen indigenen Gruppen im Grenzgebiet zu Tibet, die von Landwirtschaft oder Heimarbeit leben. Schon vor dem Erdbeben waren die Lebensumstände für diese Menschen schwierig. Nach der Katastrophe sahen sich viele in ihrer Existenz bedroht. Die Familien, oft arm und des Lesens und Schreibens unkundig, hatten keine oder nur sehr wenige Rücklagen, um zu überleben.

Hilfe zum Wiederaufbau in Eigenregie

Der LWB und Islamic Relief haben fünf Dörfer – so genannte Village Development Committees – ausgewählt: Gatlang, Goljung, Chilime, Yarsha und Ramche in Rasuwa.  Nach einer Besprechung der Situation mit der Bevölkerung vor Ort wurde beschlossen, die Betroffenen beim Wiederaufbau ihrer Häuser und Kommunalgebäude, der Wasser- und Abwasserwirtschaft und der Wiederherstellung der Existenzgrundlagen zu helfen. Dieses Hilfsangebot musste aber von der Bevölkerung selbst in die Tat umgesetzt werden und wurde als sinnvolles Mittel genutzt, neue Kompetenzen und Fähigkeiten zur Krisenbewältigung in die Gemeinschaft zu bringen.

Ein Mann nagelt ein vom ACT-Bündnis geliefertes Blechdach auf eine Notunterkunft im Dorf Goljung im Rasuwa-Distrikt in Nepal Foto: Paul Jeffrey/ACT

Das Projekt richtet sich besonders an die von dem Erdbeben schwer getroffenen Gemeinschaften und hat zum Ziel, vorhandene handwerkliche Fähigkeiten zu verbessern, anstatt Wiederaufbauprojekte an Fremdfirmen zu vergeben. Die am schlimmsten betroffenen Menschen haben Vieh wie Ziegen und Hühner erhalten, aber auch Barzuwendungen, um neue Geschäftsideen zu verwirklichen. Der LWB und IRW haben an 2.042 Familien Baumaterial verteilt und örtliche Handwerksbetriebe in Bautechnik unterrichtet.

Insgesamt wurden 90 örtliche Handwerker ausgewählt, die in Workshops in erdbebensicherer Bauweise geschult wurden. Dabei wurde nach einem Lehrplan speziell für Maurerbetriebe auf dem Land unterrichtet, der vom nepalesischen Minister für Stadtentwicklung erarbeitet wurde. Nach Abschluss des Lehrgangs erhielten die Maurer einen Satz neuer und meistens auch qualitativ besserer Werkzeuge.

 

Ausgabe der neuen Werkzeugkästen an Maurer, die an einem Lehrgang des LWB, der IRW und anderen Partnern der ACT-Bündnisses teilgenommen haben. Foto: Paul Jeffrey/ACT

„Handwerker, die wissen, wie man sichere Häuser baut, sind in abgelegenen Siedlungen wie Ramche rar", weiß Dr. Prabin Manandhar, Direktor des LWB-Programms in Nepal. „Die Ausbildung von Leuten wie Tashi Tamang bedeutet, dass wir vor Ort wichtige Kompetenzen aufbauen.“

Tamang, der seit seinem 18. Lebensjahr als Maurer und Tagelöhner arbeitet und früher umgerechnet 5 US-Dollar pro Woche verdiente, hat sein Einkommen seither mühelos verdoppelt und freut sich jetzt über ein volles Auftragsbuch. „Ich bin froh, denn diese Ausbildung birgt nicht nur einen geschäftlichen Vorteil für mich, sondern hat mir auch die Fähigkeit vermittelt, bessere und erdbebensichere Häuser zu bauen", sagt Tamang lachend.

Immer mehr Menschen haben sich mittlerweile an ihn gewandt und ihn mit dem Bau ihrer neuen Häuser beauftragt. Tamang hat ebenfalls mehr als 5 Häuser wiederaufgebaut, die von dem Erdbeben beschädigt worden waren. Jetzt hat er Schwierigkeiten, alle Aufträge annehmen zu können.

„Ich habe das Gefühl, dass sich für mich alles grundlegend geändert hat", sagt er. „Ich verfüge über bessere Fähigkeiten und bessere Werkzeuge. Am wichtigsten ist aber das Wissen, dass die Menschen in meinen Häusern sicher sind, wenn die Erde noch einmal bebt."

Ein Beitrag von Ram Sharan Sedhai, LWB Nepal. Redaktion und Übersetzung: LWB-Kommunikationsabteilung