Eine theologische Ausbildung für „die Zeit, in der wir leben“

Pfarrerin Katia Maria Cortez Cristalles von der Nicaraguanischen Lutherischen Kirche „Glaube und Hoffnung“. Foto: LWB/S. Gallay

Interview mit der nicaraguanischen Pfarrerin Cortez Cristalles

GENF (LWI) – Eine der Resolutionen, die auf der Zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) verabschiedet wurden, ruft den LWB und seine Mitgliedskirchen auf, „Schritte [zu] unternehmen, um sicherzustellen, dass die theologische Ausbildung auch verschiedene Kontexte berücksichtigt und allen offensteht.“

Daraufhin berief der LWB am 25. und 26. September in Genf einen Runden Tisch ein, um mit der Entwicklung einer Strategie für die theologische Ausbildung innerhalb der weltweiten Kirchengemeinschaft zu beginnen. Das Büro der Kirchengemeinschaft wird bis 2020 eine Strategie für die Zusammenarbeit und verbesserte Zugangsmöglichkeiten zur theologischen Ausbildung ausarbeiten und veröffentlichen.

Der mit 15 Verantwortlichen aus Lehre und Leitung von Mitgliedskirchen, akademischen Einrichtungen und Missionsorganisationen aller sieben LWB-Regionen besetzte Runde Tisch diskutierte die unterschiedlichen methodischen Ansätze, die bei der Vorbereitung von Menschen auf das ordinierte Amt und andere kirchliche Dienste zur Anwendung kommen. Zudem arbeitete sie die vielfältigen Gaben und Chancen heraus, die für die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen nutzbar gemacht werden können.

Pfarrerin Katia Maria Cortez Cristalles von der Nicaraguanischen Lutherischen Kirche „Glaube und Hoffnung“, die am Runden Tisch teilnahm, sprach mit der Lutherischen Welt-Information (LWI) über die theologische Ausbildung in ihrer eigenen Kirche und einige Ideen, die sie vom Runden Tisch mitgenommen hat.

Wie rüstet Ihre Kirche die Geistlichen für ihre Arbeit zu, um ein Gleichgewicht zwischen Theologie und Kontext vor Ort zu gewährleisten?

Unsere Ausbildung stützt sich auf eine kritische Harmonie, die in unserer Realität verankert ist. Wir versuchen, eine Theologie des täglichen Lebens zu betreiben und immer zu prüfen, was Gott uns heute sagt in dem Bewusstsein, dass die aktuelle Botschaft der Zeit gilt, in der wir leben. Generell arbeiten wir mit einer ganzheitlichen beziehungsweise abgerundeten Ausbildung, die nicht nur biblische Themen umfasst, sondern auch kirchliche Arbeit, Liturgie, spirituelle Identität sowie die Entwicklung einer Vision von der eigenen Berufung im Glauben.

Welche Herausforderungen und Chancen bieten sich der Ausbildung für den kirchlichen Dienst in Ihrem Kontext in Nicaragua?

Eine Herausforderung, vor der wir stehen, ist die Frage, wie wir mehr Menschen dafür interessieren können, das geistliche Amt im Sinne unseres lutherischen Verständnisses vom Priestertum aller Gläubigen wahrzunehmen. Eine weitere Herausforderung wäre das Wachstum in der Kirche, denn wir sind – mit 7.050 Mitgliedern – eine kleine Kirche.

Noch eine Herausforderung ist die Bereitstellung der notwendigen Instrumente der biblischen und theologischen Ausbildung für unsere Geistlichen. Und schließlich müssen wir unsere Pfarrerinnen und Pfarrer besser integrieren und ihnen auch eine theologische Weiterbildung ermöglichen.

Die größte Chance für uns ist unsere Jugend – wir haben in unserer Kirche einen recht hohen Anteil junger Menschen. Eine zweite Chance bietet uns unser Verständnis von der Rolle der Laiinnen und Laien sowie vom geistlichen Amt, wonach alle Kirchenmitglieder am Amt in der Kirche teilhaben. Weiterhin bietet sich uns die Chance der Mitwirkung im LWB, auch durch die Arbeit des Gebietsreferats für Lateinamerika und die Karibik. Durch diese Mitwirkung haben wir Zugang zu Unterstützung und Ausbildungsangeboten für Geistliche und Kirchenleitende bei Institutionen wie dem Nachhaltigkeitsinstitut für Lateinamerika und die Karibik an der theologischen Hochschule in São Leopoldo (Brasilien) sowie dem Seminario Luterano Augsburgo in Mexiko. Das sichert die Qualität unserer Ausbildung und ermöglicht es uns, unsere Arbeit auch den anderen Kirchen und Konfessionen in unserem Land bekannt zu machen.

Was nehmen Sie vom Runden Tisch zum Thema Ausbildung für den kirchlichen Dienst mit – was hat sie inspiriert oder überrascht und warum?

Zunächst möchte ich betonen, dass der Runde Tisch mich inspiriert hat, mich als Teil der weltweiten Kirchengemeinschaft zu empfinden, in der meine Kirche, obwohl sie im Vergleich zu anderen sehr klein ist, als wichtiges Mitglied gilt. Ich habe gespürt, dass die Arbeit, die wir vor Ort tun, einen Wert hat und das auch gewürdigt wird. Mein Eindruck ist, dass wir Gehör finden. Es war überraschend für mich, zu erleben, dass alternative Modelle der theologischen Bildung und Ausbildung für den kirchlichen Dienst, wie wir sie in Lateinamerika und insbesondere auch in meinem Land bereits praktizieren, Anerkennung finden und dass sie in der Kirchengemeinschaft Vorbildfunktion haben können. Außerdem ist das Anliegen der theologischen Bildung und Ausbildung für den kirchlichen Dienst ein Thema, mit dem der LWB sehr sorgsam umgehen und das er sehr ernst nehmen sollte – der Runde Tisch belegt, dass er genau das auch tut.

In Lateinamerika verfolgen wir neue Initiativen auf folgende Weise und arbeiten so schon seit 2012: Wir haben alle unsere Schwächen im Blick auf die theologische Bildung und Ausbildung für den kirchlichen Dienst auf den Tisch gelegt. Aber wir legen auch die potenziellen Ressourcen auf den Tisch. Seit 2012 hat diese Vorgehensweise uns das Nachhaltigkeitsinstitut für Lateinamerika und die Karibik beschert. Beim Runden Tisch hat sich in den vergangenen beiden Tagen recht deutlich gezeigt, dass ein starker Schwerpunkt auf der Vernetzung liegt und ich denke, hier gibt es Parallelen zu unserem Ansatz als lateinamerikanische und karibische Kirchen. Wir üben Weggemeinschaft, auch wenn wir unabhängig sind. Die Arbeit, die wir hier geleistet haben, stimmt mich sehr hoffnungsvoll für die weiteren Schritte.