Ein geschützter Raum für Frauen und Mädchen im Irak

Ein Workshop beim BWA-Zentrum in Siji. Foto: LWB/H. Muhammed

LWB unterstützt Opfer sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt

DOHUK, Irak/GENF (LWI) – Ein offenes Ohr, Unterstützungsgruppen, Rechtsberatung und Vermittlung von Kompetenzen, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten: Für viele Frauen und Mädchen in Irak bedeuten diese Maßnahmen den Unterschied zwischen dem Leben in einer Familien- oder Partnersituation, die von Missbrauch geprägt ist, und dem Beginn eines neuen Lebens ohne Gewalt. Der Lutherische Weltbund (LWB) bietet diese Unterstützung gemeinsam mit der örtlichen Baghdad Women‘s Association (BWA) für Opfer sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt.

Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen

Der LWB ist seit 2014 im Irak im Einsatz und unterstützt dort Binnenvertriebene, Aufnahmegemeinschaften und syrische Flüchtlinge. Im September 2020 waren immer noch fast 6,5 Millionen Menschen im Irak auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 1,35 Millionen Binnenvertriebene und 4,7 Millionen Heimkehrende. Die politische Lage und die Sicherheitssituation im Irak bleiben prekär und wurden durch COVID-19 zusätzlich verschärft. 

„Die Situation für Frauen und Kinder ist besonders dramatisch. Es gibt Menschenhandel, Kinderehen, Zwangsheiraten, Ehrenmorde, Genitalverstümmelung bei Frauen und die doppelte Diskriminierung von Opfern sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt. Viele dieser Probleme erleben wir aufgrund der COVID-19-Pandemie öfter als in normalen Zeiten“, sagt Caroline Tveoy, beim LWB-Weltdienst zuständig für die regionale Programmkoordinierung im Nahen Osten und für Gendergerechtigkeit.

Der LWB hat seine Arbeit in erster Linie auf die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt und entsprechende Gegenmaßnahmen ausgerichtet. Um auch schwer zugängliche Gemeinschaften und Personen zu erreichen, arbeitet der LWB mit lokalen Partnern zusammen, darunter auch die Baghdad Women‘s Association (BWA) https://www.bwa-iraq.org/. Mit Unterstützung des LWB und anderer Partner übernimmt die BWA die psychosoziale Betreuung und juristische Beratung von Frauen und Mädchen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt wurden. Hierzu stehen fünf Beratungszentren in den Gouvernements Baghdad, Ninawa und Dohuk zur Verfügung.

Gewalt bereits vor der Vertreibung ein Problem

Für viele Frauen, die diese Zentren aufsuchen, begannen die Gewalterfahrungen nicht erst mit der Vertreibung 2014. „Die Frauen haben schon in ihrer Heimat in schwierigen Verhältnissen gelebt, und das wird auch nach ihrer Vertreibung nicht besser“, sagt Huda Rafid, Sozialarbeiterin im BWA-Zentrum in Siji im Gouvernement Dohuk. 

Das Zentrum in Siji bietet Frauen einen geschützten Raum, psychosoziale Betreuung und juristische Beratung. Durch Kleinkredite und Cash-for-Work-Angebote werden Wege in die wirtschaftliche Emanzipation aufgezeigt. In den vergangenen Monaten hat das Zentrum ebenfalls im Rahmen von Informationsveranstaltungen über COVID-19 aufgeklärt.

Andere Zentren informieren ebenfalls über Themen wie reproduktive Gesundheit, erörtern mit Dienstleistern Überweisungswege und bieten auch für Männer Workshops an, um sie für das Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt zu sensibilisieren.  Die Zentren verteilen auch Hygiene-Sets, damit sich besonders gefährdete Familien vor COVID-19 schützen können.

„Ich komme jetzt seit zwei Jahren hierher, um mich unterstützen zu lassen“, sagt Nora F., eine Hausfrau aus der Region Dohuk. „Das ist gut für meine psychische Gesundheit und mein Wohlbefinden.“

Remonda, die noch in der Ausbildung ist, hat ebenfalls von beruflicher Bildung und juristischer Beratung profitiert. „Das Zentrum hat mir geholfen, mich und meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln“, sagt sie.

Vor kurzem hat die BWA ein System für Überweisungswege ins Leben gerufen. Damit besteht die Möglichkeit, Opfer mit ihrer Zustimmung an Gesundheitseinrichtungen der Regierung und andere Dienstleister zu überweisen. Diese Überweisungshilfen beinhalten einen Ausweis, eine Lebensmittelkarte, einen Wohnberechtigungsschein, einen Pass, humanitäre Hilfe und monatliche Zuwendungen an Witwen und Waisen. 

COVID-19 und häusliche Gewalt

Die COVID-19-Pandemie hat die Arbeit der BWA weiter verkompliziert und ihr eine noch höhere Bedeutung verliehen. Da es immer mehr Fälle häuslicher Gewalt gibt, bietet die Baghdad Women‘s Association auch eine psychosoziale Fernbetreuung von Frauen und Mädchen über Skype, WhatsApp und Zoom an. Auf Facebook führen sie eine gesundheitliche Aufklärungskampagne mit Kurzvideos über richtige Hygiene und Abstandsregelungen durch. Die BWA hat ebenfalls Broschüren und Informationsmaterial über COVID-19 und Schutzmaßnahmen gegen das Virus verteilt.

Die gemeinsam vom LWB und der BWA geleistete Arbeit wird ebenfalls von der englischsprachigen Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Genf (ELKG) unterstützt.  „Unsere Gemeinde veranstaltet jedes Jahr ein Erntedankfest, auf dem wir Geld für ein oder mehrere Projekte außerhalb unserer Gemeinde sammeln. Auf diese Weise sagen wir Dank und können etwas zurückgeben“, sagt Pfr. Andy Willis von der ELKG. 

„Wir sind alle tief besorgt über den Anstieg sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt während dieser Pandemie, und deshalb bedeutet es uns viel, die Arbeit des LWB und der BWA zu unterstützen. Wir werden durch ihre Arbeit inspiriert und sind dankbar für ihren Einsatz, überall in Gemeinschaften im Irak geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und dagegen vorzugehen.“