Die Rechte von Flüchtlingen in anhaltenden Krisensituationen

Podiumsdiskussion über die Rechte von Flüchtlingen in anhaltenden Krisen. Foto: LWB/C. Kästner

LWB-Podiumsdiskussion über die Rechte von Flüchtlingen vor dem Hintergrund der Dauerkrise in Ostafrika

GENF (LWI) – Die langwierige Flüchtlingsproblematik konfrontiert humanitäre Organisationen mit zusätzlichen Aufgaben, die weit über direkte Hilfeeinsätze hinausgehen. Zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmenden einer Nebenveranstaltung über „Die Rechte von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen in Ostafrika und am Horn von Afrika“, durchgeführt vom Lutherischen Weltbund (LWB) anlässlich der Tagung des  Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen.

Diese Veranstaltung fand in der Folge der Annahme der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten durch die Vereinten Nationen statt und befasste sich mit der praktischen Bedeutung der Verpflichtungen der Erklärung für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, die in Ostafrika und am Horn von Afrika Zuflucht suchen. Dabei wurden auch bewährte Vorgehensweisen in Uganda und Äthiopien und die bleibenden Herausforderungen thematisiert.   

 Überwältigende Willkommenskultur

„Die Länder in der Region haben sich in bemerkenswerter und überwältigender Weise bereitgefunden, Flüchtlinge aufzunehmen", sagte Ralston Deffenbaugh, assistierender Generalsekretär des LWB für Internationale Angelegenheiten und Menschenrechte. Er zitierte aktuelle UN-Berichte, nach denen Äthiopien inzwischen 744.000 Flüchtlinge aufgenommen hat, direkt gefolgt von Uganda und Kenia mit jeweils etwa einer halben Million. Diese Situation beansprucht die Möglichkeiten der Gastgeberländer und der Hilfeorganisationen bis aufs äußerste.

„Wir beim UNHCR und unsere Partner arbeiten in einem immer schwieriger werdenden Geberumfeld", berichtete Ann Encontre, stellvertretende Direktorin in der Region Bureao für Afrika beim UNHCR, und nennt in diesem Zusammenhang Spendenmüdigkeit, sich ändernde Geberprofile und vor allen die zahlreichen weltweiten Krisenherde.

„Ich danke besonders den Regierungen, die Menschen in dieser Region aufnehmen, und ich begrüße die New Yorker Erklärung.“ Um diese Erklärung umzusetzen und die Vertriebenen angemessen zu versorgen, werden allerdings viel mehr „personelle, finanzielle und technische Ressourcen gebraucht", erklärte Encontre abschließend. 

Frage der Ressourcen und der Rechenschaft

„Diese Erklärungen sind wunderbar“, meinte Sophie Gebreyes, Direktorin des LWB-Programms in Äthiopien. „Aber wie können wir dafür sorgen, dass sie auch Realität  werden? Wer nimmt die Unterzeichnerstaaten in die Verantwortung und sorgt dafür, dass die Flüchtlinge auch bekommen, was ihnen versprochen wurde?"

Der äthiopische Chargé d’Affaires Geremew Ayalew bestätigte, dass Flüchtlinge und Asylsuchende das Recht haben, beschützt zu werden – nicht nur nach dem etablierten internationalen Flüchtlingsrecht, sondern allein aufgrund der Tatsache, dass sie Menschen sind. Er wies darauf hin, dass Äthiopien einer zunehmenden Zahl von Flüchtlingen erlauben wird, außerhalb der Camps zu leben und ihnen Arbeitsgenehmigungen erteile, Zugang zu Bildung ermögliche und Ackerland zuteile.

Nach Aussage von Diskussionsteilnehmenden aus Äthiopien und Uganda wird die Last der Flüchtlingsversorgung nach wie vor zum größten Teil von den  Gastgeberländern geschultert. „Die Regierung in Uganda hat mit die liberalste Flüchtlingspolitik weltweit“, sagte Botschafter Ben Lukwiya von der ständigen Vertretung Ugandas.

„Sie hat über die unmittelbare Notfallhilfe hinausgedacht und die Bedeutung einer langfristigen Entwicklung erkannt. Die Flüchtlinge sind in die Gemeinschaften integriert, haben Zugang zu den gleichen Dienstleistungen wie die Bevölkerung Ugandas, haben das Recht auf Arbeit und können eigene Firmen gründen", fügte er hinzu. „Uganda hat aber schon mehr als genug damit zu tun, für die eigene Bevölkerung zu sorgen. Die Regierungen, die Flüchtlinge aufnehmen, brauchen mehr Unterstützung." 

Bildung ist entscheidend

Diese Art der Nothilfe ist inzwischen seit mehr als zehn Jahren erforderlich. Die Dauerkrise mit Flüchtlingen besonders in der Region Ostafrika und am Horn von Afrika erfordert zusätzliche Maßnahmen. „Unser größtes Problem besteht darin, dass wir für alle diese Flüchtlinge keine dauerhaften Lösungen haben", berichtete Sophie Gebreyes, die Direktorin des LWB-Programms in Äthiopien.

Matendo Lokiru Yohana, LWB-Regionalkoordinator für Ostafrika und das Horn von Afrika, betonte besonders die Aufgabe, den vertriebenen Kindern eine angemessene Bildung zukommen zu lassen. In einigen Siedlungen hätten sie einen Anteil von mehr als 70 Prozent der dort lebenden Flüchtlinge. „Wir haben erlebt, dass ganze Generationen für die Bildung verloren waren, weil sie aufgrund des Krieges nicht zur Schule gehen konnten. Humanitäre Hilfen haben tendenziell lebensrettende Maßnahmen und nicht Bildungsprogramme im Fokus."

Gleichzeitig, so erklärte Yohana, sei „Bildung ein wichtiger Grund geworden, um wieder nach Hause zurückzukommen. Wenn den Menschen die Fähigkeiten zum Wiederaufbau vermittelt werden, erleben wir oft, dass sie wieder in ihr Land zurückkehren wollen."

Veränderte Identität

Wie dieses Beispiel zeigt, stellt die andauernde Flüchtlingskrise auch die humanitären Organisationen vor ein Dilemma: Zwar wollen Schulen, Berufsbildung sowie Projekte zur Existenzsicherung und für den sozialen Zusammenhalt eine bestmögliche Integration der Flüchtlinge in den Gastgebergemeinschaften bewirken, aber eine der Hauptaufgaben der Flüchtlingsarbeit nach wie vor die Repatriierung.

Bei anhaltenden Krisenlagen könnte dieser Grundsatz der Flüchtlingshilfe jedoch nicht länger gelten. „Wir müssen akzeptieren, dass sich die Wahrnehmung der eigenen Identität der Flüchtlinge ändern kann, wenn sie sich im neuen Land einleben", erklärte der assistierende LWB-Generalsekretär Deffenbaugh.  „Es ist zudem eine fundamentale Achtung der Würde eines Menschen, ihn diese Entscheidung treffen zu lassen und ihm die Möglichkeit zu geben, einen Beitrag für das Land zu leisten, das ihn so großzügig aufgenommen hat.“