Diakonie, die Gerechtigkeit, Berufung und Würde fördert

Kinder aus Peeteli in einem von der EELK organisierten Ferienlager auf der Insel Saaremaa, Estland. Foto: Avo Üprus

LWB-Workshop in Manchester mit Schwerpunkt auf „konviventer Ökonomie“

(LWI) – Als Avo Üprus vor 25 Jahren das Pfarramt in der Gemeindekirche in Harkujärve in den Aussenbezirken der estnischen Hauptstadt Talinn übernahmen, brachte er die Strafgefangenen, heimatlosen Kinder und Drogenabhängigen mit.

Der Pfarrer und die Gemeinde luden diese am Rande der Gesellschaft existierenden Menschen ein, in der Kirche zu leben, und unterstützten deren Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung. Mit Erfolg: Heute bietet die Gemeinschaft Mahlzeiten für Kinder an, beschäftigt eines der Mädchen in der Küche und organisiert mit nordischen Partnerkirchen im Sommer Feriencamps.

Der ganzheitliche Diakonieansatz in Harkujärve ist eine der Initiativen, die auf dem Workshop des Lutherischen Weltbundes (LWB) zum Thema „Konvivente Ökonomie“ vom 2. bis zum 6. März in Manchester, Vereinigtes Königreich präsentiert wird. Gemeinsam mit 25 diakonischen Akteurinnen und Akteuren aus Europa und Gästen aus Afrika und Asien berichtet Üprus über neue Möglichkeiten für die gemeinsame Arbeit und politische Veränderungen berichten.

„Wer bist Du?“

Die Lutherische Kirche in Grossbritannien ist die Gastgeberin des Workshops, der vom LWB-Europareferat in der Abteilung für Mission und Entwicklung in Zusammenarbeit mit der Internationalen Akademie für Diakonie und soziales Handeln (interdiac) in der Tschechischen Republik durchgeführt wird.

Bei den 50 Kindern, die regelmässig in der Gemeinde Peeteli der Estnischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (EELK) verpflegt werden, geht es um die Frage „Wer bist du?“. Je besser die Kinder die Kirchengemeinde kennenlernen, umso grösser wird ihr Vertrauen. Sie erleben die Kirche als einen vertrauenswürdigen Ort, an dem sie Hilfe bekommen, so der Pfarrer.

„Zuerst sollten wir einer Person, einem menschlichen Wesen wieder Würde geben“, sagte Üprus vor Kurzem einer Besuchergruppe, der er den diakonischen Auftrag seiner Gemeinde erklärte. Wir dürfen diesen Mitmenschen nicht mit Vorurteilen begegnen, als seien sie Kriminelle. Wir müssen damit beginnen, Menschen mit Respekt zu begegnen und Respekt wiederherzustellen“.

Das Konzept der konviventen Ökonomie betont den Grundsatz der Gerechtigkeit, Berufung und Würde, um etwas gegen die Konzentration von Reichtum, Einkommen und Macht in den Händen einiger weniger zu unternehmen und eine gerechtere Verteilung der Güter einer Gesellschaft zu erreichen, um Armut und Ausgrenzung zu verringern.

Gemeinsame Aktionen

Die Teilnehmenden besuchen verschiedene Projekte in Manchester, die mit den Unterthemen des Workshops in Verbindung stehen: Verschuldung, Korruption und Transparenz, Wohlfahrt und Arbeit, Migration, Schöpfung und Umwelt. Diese Themen werden aus theologischer und ethischer Sicht betrachtet; im Anschluss daran werden gemeinsame Aktionen erarbeitet.

Es gibt ebenfalls einen Austausch von Erlebnisberichten aus den jeweiligen Regionen mit Beispielen, wie sich die wirtschaftlichen Zwänge auf marginalisierte Gemeinschaften, besonders gefährdete Gruppen und vergessene Orte auswirken. Der Workshop stellt ebenfalls Betrachtungen darüber an, was die lutherische Theologie und biblische Quellen zum Thema Ökologie und Arbeit beisteuern können.

In Estland entwickelt Üprus innerhalb seiner Gemeinde die Idee von der konviventen Gemeinschaft. Diese geht Hand in Hand mit dem Aufbau einer Gemeindekirche, die sich um wirtschaftlich schwache Familien kümmert und dazu mit Kirchen und anderen Partnern zusammen arbeitet. Die Kirche wird dieses Jahr eine Konferenz zur Förderung dieser Ziele veranstalten.

Der europäische Diakonieprozess des LWB hat seine ersten Ergebnisse 2013 in dem Bericht „Konvivenz schaffen. Zur Gestaltung von Gemeinwesendiakonie in Europa“ vorgelegt. Konvivenz – die Kunst und Praxis des Zusammenlebens in Solidarität und nachhaltigen Gemeinschaften ist zu einem Fokus für die Umsetzung diakonischen Handels in den europäischen Kirchen geworden.

„Ich hoffe, dass uns der Workshop in Manchester mit seinem Schwerpunkt auf der konviventen Ökologie‘ dazu veranlassen wird, die eigentlichen Herausforderungen einer nachhaltigen Gemeinschaft überall in Europa in Angriff zu nehmen. Hier bietet sich ausserdem die Gelegenheit herauszufinden, wie wir Konzepte und Massnahmen für eine Ökonomie entwickeln können, die Gerechtigkeit und Würde als Grundpfeiler eines Lebens in der Gemeinschaft bewahrt“, sagte LWB-Europareferentin Pfarrerin Dr. Eva-Sibylle Vogel-Mfato.

Vogel-Mfato unterstrich, dass am diesjährigen Workshop auch Delegierte aus anderen LWB-Regionen teilgenommen hätten. „Da wir in einer globalisierten Wirtschaftswelt leben, suchen wir nach Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit und für gegenseitiges Lernen mit Kollegen und Kolleginnen aus den Mitgliedskirchen der lutherischen Gemeinschaft im globalen Süden“, fügte sie hinzu.

Der europäische diakonische Prozess des LWB begann im Jahre 2011, der Workshop in Manchester ist die zweite Veranstaltung innerhalb der Phase 2014-2016. 2014 befassten sich die diakonischen Akteurinnen und Akteure mit dem Aufbau der elektronischen Plattformen, während das Thema für 2016 die konvivente Theologie sein wird.