AVK: Zahlungsverzug gefährdet Leben von Palästinenserinnen und Palästinensern
Auguste Viktoria-Krankenhaus muss Patientinnen und Patienten abweisen, weil aufgrund der Finanzierungskrise Arzneimittel fehlen
OSTJERUSALEM, Palästina/GENF (LWI) – Die Mitarbeitenden im Auguste Viktoria-Krankenhaus (AVK) in Ostjerusalem müssen tagtäglich aufs Neue entscheiden, welche Patientinnen und Patienten sie behandeln können und welche sie aufgrund der anhaltenden Finanzierungskrise abweisen müssen.
Sieglinde Weinbrenner, Vertreterin des LWB in Jerusalem, sagt, der derzeitige Ausnahmezustand gefährde unnötig das Leben von hunderten Palästinenserinnen und Palästinensern. Sie hoffe, dass die Europäische Union die verspäteten Gelder schnellstmöglich an die Palästinensische Autonomiebehörde auszahlen werde, damit diese ausstehende Rechnungen begleichen könne. „EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist doch selbst Ärztin und weiß, was es bedeutet, wenn Krebsbehandlungen unterbrochen werden“, sagt Weinbrenner.
Das Krankenhaus, dessen Träger und Betreiber der Lutherische Weltbund (LWB) ist, ist auf Krebsbehandlungen spezialisiert und bietet Behandlungen an, die für Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland und Gazastreifen sonst nirgends zugänglich sind. Seit einigen Monaten befindet sich das Auguste Viktoria-Krankenhaus aufgrund erheblicher Verzögerungen bei der Bezahlung von Rechnungen für palästinensische Patientinnen und Patienten, die vom palästinensischen Gesundheitsministerium zur Behandlung hierhin überwiesen wurden, in einer finanziellen Notlage.
Die Finanzhilfen der Europäischen Union an die Palästinensische Autonomiebehörde für das Jahr 2021, die es letzterer ermöglichen, für die Krankenhausbehandlungen und andere Aspekte der Grundversorgung der Bevölkerung zu bezahlen, werden seit mehr als sechs Monaten zurückgehalten. Begründet wird dies damit, dass in den Schulbüchern für palästinensische Schulen bestimmte Änderungen vorgenommen werden sollen.
Das Krankenhaus hat die Aufnahme neuer Patientinnen und Patienten bereits seit September letzten Jahres gestoppt, wodurch nun mindestens 500 Menschen mit einer Krebsdiagnose keinen Zugang zu den lebensrettenden Behandlungen und der lebensrettenden Versorgung haben. Weil zunehmend Medikamente fehlen, müssen Dr. Yousef Hamamreh, der stellvertretende medizinische Leiter des AVK und Direktor des Krebsbehandlungszentrums, und sein Team inzwischen auch viele Patientinnen und Patienten abweisen, die ihre Behandlung bereits begonnen hatten. „Ich muss jeden Tag Triage-Entscheidungen treffen und bestimmen, wer morgen behandelt werden kann“, berichtet er.
Anfang dieses Monats hatte die LWB-Generalsekretärin, Pfarrerin Anne Burghardt, an EU-Präsidentin von der Leyen appelliert, die zugesagten Mittel freizugeben, damit die Palästinensische Autonomiebehörde die geschätzten 70 Million Euro bezahlen könne, die sie dem AVK für 2021 schuldet. Wenn das nicht passiere, hatte sie gesagt, hätte das „potenziell fatale Folgen“ insbesondere für palästinensische Kinder, die besonders gefährdet seien, wenn Behandlungen unterbrochen werden müssen.
LWB/P. Hitchen
Das Auguste Viktoria-Krankenhaus ist ein medizinisches Kompetenzzentrum in Ostjerusalem, das für die Versorgung der fünf Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland und Gazastreifen zuständig ist. Zu den dort angebotenen spezialisierten Behandlungen zählen umfassende Krebs- und Diabetesbehandlungen, die Versorgung bei Nierenleiden und Dialyse, kompetente Pflege und Langzeitpflege sowie Hals-, Nasen- und Ohrenoperationen und weitere spezielle Operationen. Das Auguste Viktoria-Krankenhaus ist von der Joint Commission International für seine ausgezeichnete Qualität akkreditiert. Die Patientinnen und Patienten werden von der Palästinensischen Autonomiebehörde zur Behandlung hierhin überwiesen