50 Jahre Frauenordination in Estland

Im Rahmen eines Festgottesdienstes im Tallinner Mariendom wurde am 7. September an die erste Frauenordination in Estland vor 50 Jahren erinnert. Foto: Endel Apsalon

Würdigung von Pfarrerin Laine Villenthal, Anstoß zu kontinuierlicher Reformation

TALLIN,Estland/GENF (LWI) – Die Estnische Evangelisch-Lutherische Kirche (EELK) hat im Rahmen einer Tagung sowie eines Festgottesdienstes unter Beteiligung einheimischer und internationaler Gäste an ihre erste Frauenordination erinnert, die sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt.

Eröffnet wurde die Festveranstaltung am 7. und 8. September, die eingebettet war in die estnischen Gedenkfeierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum, mit einem Abendmahlsgottesdienst im lutherischen Dom zu Tallinn. In der Predigt erinnerte Erzbischof Urmas Viilma an Pfarrerin Laine Villenthal (1922-2009), die als erste Frau seiner Kirche am 16. November 1967, ebenfalls im Tallinner Dom, ordiniert wurde. Villenthal stand bis 2003 einer Gemeinde in der südestnischen Stadt Pindi vor.

Der Erzbischof der EELK und Vizepräsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) für die Region Mittel- und Osteuropa zitierte aus Villenthals Ordinationspredigt: „Allein durch die Gnade Jesu Christi stehe ich hier! Wir beide [Villenthal und Pfarrer Harri Rein], die wir soeben ordiniert worden sind, wurden weder durch unsere Eltern zum Pfarrer und zur Pfarrerin, auch wenn wir ihnen zu Dank verpflichtet sind, weil sie die Last unserer Erziehung getragen haben, noch durch die Schule, wo uns das nötige Wissen für das tägliche Leben vermittelt wurde. Auch gibt es keinen Grund, der Kirchenleitung dafür Anerkennung zu zollen, obwohl die entsprechende Entscheidung dort gefallen ist. Allein durch die liebende Gnade Gottes, die in Jesus Christus offenbar geworden ist und den sündigen Menschen nachgeht, sind wir Pfarrer und Pfarrerin. Weil das so ist, gehören unser beider Leben dem Dienst an dieser Gnade. Wir wollen diese Gnade bekennen in Wort und Tat und mit unserem ganzen Leben und fangen auf der Stelle damit an.“

Im Rahmen der Tagung wurden aus der Perspektive mehrerer Länder (Deutschland, Estland, Finnland, Großbritannien, Lettland, Polen, Schweden und Ungarn) unterschiedliche historische und aktuelle Erfahrungen und Aspekte zum Thema Frauen im ordinierten Amt beleuchtet, darüber hinaus kamen hermeneutische und exegetische Fragestellungen zur Sprache. Vertreten wurde der LWB, neben Erzbischof Viilma, durch die Vizepräsidentin für die Nordische Region, Erzbischöfin Antje Jackelén (Schwedische Kirche), Bischof Dr. Tamás Fabiny (Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn) sowie Mitarbeitende des Büros der Kirchengemeinschaft in Genf.

Jackelén referierte über den Zusammenhang zwischen Reformation und Weltverantwortung, Fabiny sprach über seine Erfahrungen in Mittel- und Osteuropa sowie die Geschichte der Kirchen und Gesellschaften der Region während der Zeit des Kommunismus.

Auf Frauenordination verpflichtet

Pfarrerin Dr. Elaine Neuenfeldt, Referentin für Frauen in Kirche und Gesellschaft beim LWB, legte dar, dass seit 1984 die Vollversammlungen der Kirchengemeinschaft ihre Verpflichtung auf die vollumfängliche Teilhabe von Frauen am ordinierten Amt der Kirche immer wieder bekräftigt haben. Eine Befragung der Mitgliedskirchen in allen sieben LWB-Regionen habe ergeben, dass dieser langwierige Prozess bis dato dazu geführt habe, dass aktuell 119 von 145 – also 82 Prozent – der Mitgliedskirchen Frauen ordinieren. Noch 2012 sei die Frauenordination in lediglich 77 Prozent der Mitgliedskirchen praktiziert worden. Die Befragung habe weiterhin gezeigt, dass in denjenigen Kirchen, die bisher keine Frauen ordinieren, das Thema weiterhin geprüft werde. Der LWB ermutige die Kirchen außerdem, für Frauenpartizipation auf allen Leitungsebenen der Kirche zu sorgen, betonte Neuenfeldt.

Im Blick auf die ökumenische Dimension erläuterte Anne Burghardt, Referentin des LWB für ökumenische Beziehungen und selbst Pfarrerin der EELK, die wichtigsten Argumente pro und contra Frauenordination, die in den multi- und bilateralen ökumenischen Dialogen eine Rolle spielen. Es reiche nicht, so Burghardt, lediglich einige Bibelstellen ins Feld zu führen, „da die wesentlichen Fragen sich auf das breitere Verständnis des biblischen Zeugnisses beziehen, was auch unser Verständnis unter anderem von Amt, der Christologie und der neuen Schöpfung in Christus umfasst.“

Prof. Dr. Anne Kull, Inhaberin des Lehrstuhls für Systematische Theologie im Fachbereich Theologie und Religionswissenschaft der Universität Tartu, referierte über Frauen in der Reformation und hinterfragte, warum wichtige, in der Reformationszeit im 16. Jahrhundert aktive Frauen so wenig bekannt seien. Es müssten Anstrengungen unternommen werden, ihre Beiträge sichtbar zu machen.

Die Tagung vermittelte Wissen und Inspiration, die nicht nur die Teilnehmenden selbst, sondern ihre Kirchen insgesamt ermutigen, die Reformation kontinuierlich weiterzuführen.

Die EELK, der etwa 180.000 Gläubige angehören, ist seit 1963 Mitglied im LWB. Zwar sind ein Fünftel ihrer 213 Geistlichen weiblich, in den Leitungsgremien der Kirche jedoch sind keine Frauen vertreten.

(Ein Beitrag von Agnieszka Godfrejów-Tarnogórska, redigiert und übersetzt durch das LWB-Kommunikationsbüro.)