In „Robuster Mässigung“ üben

Bischof Younan in Diskussion mit Delegierten während der LWB-Ratstagung 2015. Photo: LWB/ Helen Putsman

Ansprache von LWB-Präsident Younan bei Ratstagung 2015

Genf, 18. Juni 2015 (LWI) – Der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), Bischof Dr. Munib A. Younan, hat in seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung der diesjährigen LWB-Ratstagung die lutherischen VerantwortungsträgerInnen aufgerufen eine Hoffnung zu verkünden, die niemanden zurücklässt.

Die weltweite lutherische Kirchengemeinschaft müsse sich im Widerstand gegen den wachsenden Extremismus in „robuster Mässigung“ üben, so der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELKJHL) im Rahmen seiner Rede.

Der Rat, der vom 18. bis 22. Juni tagt, ist zwischen den Vollversammlungen das oberste Leitungsgremium des LWB.

In seiner Ansprache zum Thema der diesjährigen Ratstagung, „Hoffnung enttäuscht nicht“ betonte Younan, ChristInnen seien berufen, Hoffnung zu nähren und zu erhalten. Inmitten der aktuell zunehmenden religiös geprägten Gewalt könne dies eine schwierige Aufgabe sein. Trotzdem enttäusche Hoffnung nicht und trenne die ChristInnen auch nicht von der Welt.

„Sie enttäuscht uns nicht. Sie enttäuscht auch unsere Nächsten nicht. Wir lassen niemanden zurück. Unsere weltweite Kirchengemeinschaft ist auf ganzheitliche Mission und prophetische Diakonie verpflichtet, das heisst, dass wir das Gedeihen aller Gemeinschaften anstreben“, betonte Younan.

Der LWB-Präsident stellte fest, die Welt erlebe aktuell eine von Wirren geprägte Zeit, in der verschiedene extremistische Gruppen Menschen Leid zufügten, es duldeten und rechtfertigten, um illusorische Ziele und Totalitarismus zu verwirklichen. Younan forderte die LutheranerInnen auf, sich unmissverständlich für eine religiöse und politische Mässigung auszusprechen, die solche Vorgehensweisen energisch anprangert.

Weisheit und Klarheit der lutherischen Lehre

„Es ist unsere Verantwortung, falschen Botschaften eschatologischer Hoffnung die Weisheit und Klarheit der lutherischen Lehre und der biblischen Auslegung entgegenzusetzen. Die Reformationsgeschichte liefert die Instrumente zur Arbeit an diesem dringenden Projekt“, betonte Younan.

Die LutheranerInnen müssten ausserdem für eine Gemeinschaft eintreten, in der für Mitmenschen gesorgt, Nahrungsmittel geteilt und Gaben wertgeschätzt werden, Heimat bewahrt wird und alle das Recht haben, Gott auf ihre eigene Wiese anzubeten, so der Bischof der ELKJHL. „In dieser Vision kosten wir von der Hoffnung, die mich von meinem Egoismus und von der ausschliesslichen Konzentration auf meine eigenen Interessen befreit. Diese Hoffnung erdet mich in einer Gemeinschaft, die eine Vision hat für die Welt. Sie macht mich zum Teil eines grösseren Ganzen, wo mich Unterschiede und Vielfalt nicht verunsichern“, führte Younan weiter aus.

Damit diese Vision Raum greifen könne, müssten sich die LutheranerInnen mit den Ursachen des Extremismus auseinanderzusetzen, forderte der LWB-Präsident.

Die Zugehörigkeit zur lutherischen Kirchengemeinschaft mache die einzelne Person sowohl zur Weltbürgerin als auch zur in wechselseitiger Abhängigkeit von anderen lebenden Christin, erläuterte Younan. „Meine Identität als arabisch-palästinensisch-lutherischer Christ hat einen direkten Bezug zur afrikanischen Spiritualität, zur asiatischen Wertschätzung des Mysteriums, zum Erbe der europäischen Aufklärung, zum amerikanischen Erfindergeist und Einfallsreichtum und gleichermassen zur lateinamerikanischen Befreiung. Jeder einzelne dieser Stränge hat mich Stütze und Prägung in der Kirchengemeinschaft erfahren lassen, so dass ich sagen kann, der Begriff Lutheranerin oder Lutheraner ist heute keine partikulare Bezeichnung mehr.“

Die Ansprache des Präsidenten wird im Plenum und in den Ausschüssen des Rates erörtert.

An der diesjährigen Ratstagung nehmen über 100 Personen teil, darunter Mitglieder und BeraterInnen des Rates, die die LWB-Mitgliedskirchen in aller Welt vertreten, sowie weitere geladene  Teilnehmende, ökumenische Gäste und Mitarbeitende.

 

Alle Unterlagen der Ratstagung sind hier in Englisch verfügbar. Aktuelle Berichte finden Sie unter Aktuelles.