Wirtschaftliche Teilhabe für Frauen sichern

Eine Frau bei der Feldarbeit in der Provinz Quaddai im östlichen Tschad. Foto: LWB/Allahramadji Gueldjim

Selbstbestimmung durch Kompetenz, Ausbildung und Ressourcen

Genf (LWI) – Die Förderung der wirtschaftlichen Autonomie von Frauen und die Beseitigung geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Arbeitswelt sind entscheidende Voraussetzungen für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Der Lutherische Weltbund (LWB) setzt sich umfassend dafür ein, dass sich etwas an den Machtdynamiken, kulturellen Normen, rechtlichen Rahmen und am ungleichen Zugang zu Ressourcen ändert – alle diese Faktoren sind Barrieren für Frauen.

Bei der LWB-Abteilung für Weltdienst beginnt jede Initiative zur Existenzsicherung mit einer Analyse der Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern, der Bedarfssituation und den besonderen Benachteiligungen. Dem LWB geht es darum, den am stärksten gefährdeten Haushalten die Möglichkeit für Kompetenzerwerb und Einkommenssicherung zu geben und dabei besonders Frauen und junge Erwachsene zu unterstützen. Durch eine Analyse der Lebenssituation, Aufklärungsarbeit und die gemeinsame Entwicklung von Handlungsansätzen zur Überwindung von Strukturen, die Ungleichheit auf Ebene der einzelnen Personen, der Familie und der Gemeinschaft verstetigen, können Gender-Gerechtigkeit und damit auch wirtschaftliche Gerechtigkeit erreicht werden.

Zugang zu Land und Saatgut

Im Tschad hat der LWB von Frauen geleiteten Haushalten in wirtschaftlich schwieriger Lage mit der Bereitstellung von Land und Saatgut geholfen. Die 49 Jahre alte Hawa Fadoul Ahmat, Mutter von sieben Kindern und die zweite von drei Frauen in einer polygamen Ehe, erklärt: „Aufgrund meiner familiären Situation hatte ich das Recht auf den Bezug von Lebensmitteln, aber die Rationen haben nie gereicht. Um unser Einkommen zu verbessern, habe ich unterschiedliche Jobs angenommen und für andere Leute gearbeitet. Als Gegenleistung habe ich ein sehr kleines Stück Land zugeteilt bekommen, das ich für meinen eigenen Bedarf bewirtschaften kann. Diese Arbeit war extrem hart, ich musste das Feld vor Tieren schützen, und die Ernte hat nie ausgereicht, um meine Familie zu ernähren.“

„Eines Tages kam der LWB in unser Dorf. Nachdem sie die Situation geprüft hatten, bekamen ich und 20 weitere von Frauen geführte Haushalte unseren eigenen Hektar Land direkt im Dorf oder in der näheren Umgebung. Wenn wir jetzt ernten, wird es das erste Mal sein, dass wir genug angebaut haben, um die Familie zu ernähren! Ich hoffe, dass ich genug Gewinn erzielen kann, um mich mit einem kleinen Geschäft selbständig zu machen und, so Gott will, mit mehr Hoffnung in die Zukunft schauen kann.“

Nach Erkenntnissen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) haben Frauen in der Landwirtschaft deutlich weniger Zugang zu Land als Männer. Dies gilt auch für die Kontrolle und den Besitz von Land und anderem Produktionsvermögen. Frauen gehören lediglich 12,8 Prozent des Agrarlandes weltweit.

Berufliche Bildung verbessert die Lebensgrundlagen

In dem vom Krieg, Armut und Unterentwicklung heimgesuchten Südsudan sind besonders in der Provinz Jonglei in erster Linie Frauen die Leidtragenden dieser wirtschaftlichen Notlage. Durch den Klimawandel haben sich die extremen Auswirkungen von Dürre- und Flutkatastrophen weiter verschärft. Da die meisten Familien nicht mehr als eine Mahlzeit am Tag haben, wirkt sich dies negativ auf die Gesundheit besonders der Frauen und Kinder und auch auf das Wachstum der Kinder aus.

Der LWB hat hier Handlungsbedarf erkannt und eine Analyse der Markterfordernisse und der Bedarfssituation in der Region vorgenommen. Die Ergebnisse haben dazu geführt, dass Berufsbildungsmaßnahmen für 40 Frauen im Bereich Verpflegung und für 10 Frauen im Friseurhandwerk angeboten wurden. Eine der Teilnehmerinnen, Abul Kongor Angok, hat gerade eine zweimonatige Ausbildung abgeschlossen. „Abgesehen von der Möglichkeit, selbst ein kleines Lebensmittelgeschäft zu eröffnen, kann ich die während der Ausbildung erworbenen Kenntnisse auch dazu nutzen, für meine Familie ein gesundes und nahrhaftes Essen auf den Tisch zu bringen. Mit dem erzielten Einkommen will ich meine Kinder unterstützen, damit sie weiter zur Schule gehen können, und ich kann die Kosten für medizinische Behandlungen und Arzneimittel aufbringen.“ 

Weltweit gesehen führt eine Verbesserung des Bildungsangebots für Frauen zu beträchtlich mehr Wirtschaftswachstum. Nach Aussage von UN Frauen bedeuten diese signifikanten Fortschritte bei der Ausbildung von Frauen jedoch nicht automatisch, dass sich deren Situation im Arbeitsmarkt verbessert.

Existenzsicherung für schutzbedürftige Frauen

Diskriminierungen und Hindernisse sind für die syrischen Frauen im Flüchtlingslager Zaatari in Jordanien an der Tagesordnung. Sie leiden unter der dreifachen Stigmatisierung, dass sie Frauen und Flüchtlinge sind und schon seit fast zehn Jahren in dem Lager leben. Das Camp zählt nach wie vor fast 80.000 Flüchtlinge, wobei 20 Prozent der Haushalte von Frauen geleitet werden. 2012 gegründet, hat die LWB-Einrichtung vor kurzem ein Berufsbildungszentrum eröffnet, das sich besonders an syrische männliche und weibliche Flüchtlinge ab 32 Jahre richtet. 

Auf der Grundlage ähnlicher Erfahrungen, die der LWB im vergangenen Jahr mit Flüchtlingen außerhalb des Lagers in Irbid gemacht hat, bietet das Zentrum praxisorientierte Ausbildungen in ausgewählten Bereichen. Dazu zählt auch die Vermittlung von Soft Skills und Marketingkenntnissen. „Da die jordanische Regierung 2018 das häusliche Gewerbe legalisiert hat, ist die Entwicklung von Fähigkeiten, einen solchen Betrieb erfolgreich zu leiten, eine wichtige Priorität“, erklärt Islaam Esmat Al-Shdefat, der LWB-Gebietsmanager für Zaatari. „Der LWB wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass Frauen mehr Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bekommen und das Probleme wie Belästigung und Diskriminierung angesprochen werden. Genauso wichtig ist es, etwas für die Existenzsicherung besonders schutzbedürftiger Frauen zu unternehmen, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind.“

Nach Erkenntnissen der Weltbank haben mehr als 2,7 Milliarden Frauen nach geltender Rechtslage nicht die gleichen Möglichkeiten der Berufswahl wie Männer. In 104 der im Jahre 2018 untersuchten 189 Volkswirtschaften gibt es nach wie vor Gesetze, die Frauen die Ausübung bestimmter Berufe verbieten. Die Förderung des Zugangsrechts von Frauen zu Land und Erbschaften, die Beseitigung gesetzlich erlaubter Diskriminierung und ein besserer Zugang zu Technologie, Märkten und Krediten gehören zu den festgelegten Zielen des LWB in dieser strategischen Periode. 

Die Vermittlung von Führungskompetenzen für Frauen im Rahmen von Initiativen zur Existenzsicherung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass diese Frauen Einfluss auf ihre Familien und Gemeinschaften, auf politisch Verantwortliche und traditionelle Autoritäten auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene nehmen können.