Welttag der humanitären Hilfe: Mehr Selbstbestimmung für Rohingya-Flüchtlinge

Bela Wadud verteilt Lernmaterial an Kinder in den Aufnahmegemeinden, deren Bildung unterbrochen wurde. Foto: RDRS Bangladesh

Beauftragte für Genderfragen und Inklusion ist in Cox‘s Bazar im Einsatz

COX‘S BAZAR, Bangladesch/GENF (LWI) – Am Welttag der humanitären Hilfe am 19. August wird Bela Wadud noch mehr als üblich damit beschäftigt sein, die Unterstützung für die besonders schutzbedürftige Rohingya-Flüchtlingsbevölkerung zu koordinieren, deren Lebensbedingungen sich in den Flüchtlingslagern von Cox‘s Bazar ständig verschlechtern. Sie arbeitet als Beauftragte für Genderfragen und Inklusion für RDRS Bangladesch, ein ehemaliges Länderprogramm des Lutherischen Weltbundes (LWB), das seit 1997 als autonome lokale Organisation arbeitet. Im Rahmen der Förderung dieser Lokalisierung unterstützt der LWB den RDRS Bangladesch bei der Bewältigung der Rohingya-Krise in Cox‘s Bazar. 

Im August 2017 sind rund 750.000 Rohingyas über die Grenze von Myanmar nach Bangladesch geflohen und haben dort Tausende andere Vertriebene getroffen. So entstand eine der größten Flüchtlingssiedlungen auf der Welt. Seither leistet der RDRS humanitäre Hilfe und führt langfristige Aufbauprogramme für die Flüchtlinge und die Aufnahmegemeinschaften durch. 

Wadud sorgt dafür, dass Frauen, Mädchen und Menschen mit Behinderungen in gleicher Weise die Chance haben, Unterstützung zu erhalten und selbst ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aufgrund ihrer Kenntnisse in Ökonomie arbeitete sie vorher im Entwicklungssektor in der Hauptstadt Dhaka. Dort erlebte sie, wie Frauen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen nur unter größten Mühen ihre Existenzgrundlage sichern konnten. Wadud wuchs zu Hause mit einem körperlich und mental behinderten Familienmitglied auf. Diese Erfahrung inspirierte sie in ihrer Arbeit, da sie gelernt hatte, wie wichtig es ist, die schutzbedürftigsten Mitglieder einer Gesellschaft mit Würde und Mitgefühl zu behandeln.

Das Elend der Rohingya ist in den Medien nicht mehr besonders präsent. Die Situation hat sich aber im vergangenen Jahr für diese Menschen weiter verschlechtert. Bei einem verheerenden Brand sind im März 15 Menschen in den Lagern ums Leben gekommen. Das Feuer hat Tausende Unterkünfte zerstört, und die schweren Überschwemmungen und Erdrutsche in letzter Zeit haben mindestens ein Dutzend Todesopfer gefordert und weitere fünftausend Menschen obdachlos zurückgelassen. Ende Juli hat das UN-Flüchtlingshochkommissariat berichtet, dass die Lager mit einer Niederschlagsmenge von 300 mm überflutet worden sind, das entspricht fast der Hälfte der durchschnittlichen monatlichen Regenmenge in nur einem Tag.

Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts

„Die Überflutung hat die Kanalisation überlastet und erhöht das Risiko von Erkrankungen“, sagt Wadud. „Wir reinigen und reparieren deshalb ständig die Abwassersysteme und unterrichten die Menschen in persönlichen Hygienemaßnahmen, um sie vor Krankheiten, die durch verunreinigtes Wasser entstehen, und vor COVID-19 zu schützen.“ Wenn Behausungen von den Fluten mitgerissen werden, müssen die Menschen in andere Notunterkünfte umziehen und dort mit Nahrungsmitteln versorgt werden, bis sie wieder selbst für ihr Einkommen sorgen können und über die eigenen Mittel verfügen, ihr Leben wieder aufzubauen“, fügt sie hinzu. Frauen, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen seien besonders gefährdet, so Wadud. Ihre Aufgabe besteht deshalb darin sicherzustellen, dass diese Menschen Zugang zu Trinkwasser, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) haben und an Maßnahmen zur Sicherung der Lebensgrundlage teilnehmen.

Eine der wichtigsten, vom RDRS unterstützten Aktivitäten ist das Pflanzen von Bäumen auf Berghängen ohne Vegetation, da es hier während der Monsunzeit von Juni bis September besonders schnell zu tödlichen Erdrutschen kommen kann. Flüchtlinge und Mitglieder der örtlichen Aufnahmegemeinschaft einschließlich einer Freiwilligengruppe mit dem Namen Green Voice werden auf Tagesbasis nach dem Grundsatz „cash for work“ beschäftigt, um die Setzlinge zu pflanzen und anschließend zu hegen. Bevorzugt werden schnell wachsende Baumarten und Pflanzen, die sich auch für Heilzwecke nutzen lassen. 

Eine weitere wichtige Erwerbstätigkeit ist die Hühnerzucht, die für die Zustände in den Lagern besonders gut geeignet ist. Die Familien dort haben nur wenig Fläche, um Nahrungsmittel zu erzeugen oder um andere Tiere zu halten. Hühner und frische Eier sind eine wichtige Eiweißquelle im täglichen Speiseplan der Familien. Die Eier können außerdem auf den lokalen Märkten verkauft werden und so das Einkommen aufbessern, das gilt besonders für Frauenhaushalte und Menschen mit Behinderungen. Frisches Gemüse wird ebenfalls für wirtschaftlich schwache Haushalte zur Verfügung gestellt, und schwangere Frauen und stillende Mütter erhalten zusätzliche Rationen und eine Ernährungsberatung für sich und ihre Familien.

Hygiene-Sets für Frauen und Mädchen

Wadud beaufsichtigt ebenfalls die Ausgabe von Artikeln für die Monatshygiene und die reproduktive Gesundheit, die unter der Bezeichnung „Dignity Kits“ an die Frauen und Mädchen in den Camps verteilt werden. Indem sie über ihre eigenen Erfahrungen berichtet, ermutigt sie andere Frauen, ohne Befangenheit Fragen zu stellen und über ihre Sorgen zu sprechen. Da sie aufgrund der strengen Lockdown-Vorschriften nicht mehr selbst in die Lager gehen konnte, hat sie ihre Arbeit im Rahmen eines Netzwerks aus Rohingya-Freiwilligen weitergeführt, die die Umsetzung dieser Gender- und Inklusions-Programme beaufsichtigen. Seit Beginn dieser Pandemie verteilt der RDRS in den Aufnahmegemeinschaften ebenfalls Bücher und Lehrmaterialien an Kinder, deren Schulbesuch ausgesetzt wurde.

Zwar hat es in der Flüchtlingsbevölkerung weitaus weniger COVID-19-Todesfälle gegeben, als anfangs befürchtet worden war, aber aufgrund der strikten Lockdown-Maßnahmen ist es für die Menschen immer problematischer geworden, Arbeit zu finden, Nahrungsmittel zu kaufen und Zugang zu existenziell wichtigen Diensten zu bekommen. Bhoj Khanal, der die asiatische und regionale pazifische Einsatzzentrale des LWB koordiniert, weist darauf hin, dass für die Flüchtlingsbevölkerung nach wie vor keine Impfstoffe zur Verfügung stehen. Nur drei Prozent der 165 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung von Bangladesch sind bisher geimpft worden.

Khanal sagt, dass COVID-19 ebenfalls zu finanziellen Kürzungen für bestimmte Projekte geführt habe, während andere Programme neu ausgerichtet werden mussten, um mehr Freiwillige für die Übernahme von Aufgaben in den Camps auszubilden. Die Arbeit des RDRS wird zurzeit von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika, der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder und dem Australischen Lutherischen Weltdienst sowie von UN Frauen und dem Department für auswärtige Angelegenheiten und Handel von Australien finanziert.

Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Detlef Höffken, Redaktion: LWB/A. Weyermüller