Weltklimakonferenz: Lokalen Stimmen Gehör verschaffen

Der Programmkoordinator des LWB-Äthiopienprogramms, Biruk Kebede, beteiligte sich im Rahmen der COP-22 in Marrakesch an einer Podiumsdiskussion zum Thema Bildung, Jugend und Klimawandel. Foto: LWB/Ryan Rodrick Beiler

LWB-Äthiopien zeigt katastrophale Folgen des Klimawandels vor Ort auf

MARRAKESCH, Marokko/GENF (LWI) – Im Rahmen einer Nebenveranstaltung zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen, die vom 7. bis 18. November in Marokko stattfindet, berichteten Delegierte des Lutherischen Weltbundes (LWB) und anderer Nichtregierungsorganisationen von den Chancen und Herausforderungen, die für sie mit der Bewahrung der Schöpfung einhergehen.

„Ich habe leidende Kinder gesehen, ich habe leidende Frauen gesehen“, berichtete Biruk Kebede, Programmkoordinator beim LWB-Äthiopienprogramm. „Vor zwei Wochen habe ich in einem Dorf mit einer alten Frau gesprochen. Heute bin ich in Marrakesch und spreche mit jungen Leitungsverantwortlichen aus aller Welt. Das ist für mich die Verbindung, die ich beitrage“, erläuterte der 29-Jährige im Rahmen einer Podiumsdiskussion zum Thema Bildung, Jugend und Klimawandel, die vom LWB und dem Weltbund des CVJM veranstaltet wurde.

Kebede ergänzte, seine persönliche Perspektive als Äthiopier ermögliche es, die Stimmen der Schwächsten dort zu Gehör zu bringen, „wo die Entscheidungen fallen, und dafür zu sorgen, dass diese Stimmen von denen, die entscheiden, gehört werden.“

Mathilde Emilie Thue von LNU, dem norwegischen Kinder- und Jugendrat, nahm ebenfalls an dem Podium teil. In ihrem Land, wo die Klimaveränderungen weniger spürbar seien, sei es sehr wichtig, Erfahrungsberichte von Menschen aus der Südhalbkugel zu hören, die unmittelbar unter den Folgen des Klimawandels litten, führte sie aus. So könnten die Herzen und der Verstand der Menschen am wirksamsten erreicht werden.

Kebede stimmte ihr zu: „Zuerst einmal müssen wir wissen, was sich bei den am schwersten Betroffenen, bei den Schwächsten abspielt.“

Inzwischen haben die politisch Verantwortlichen der Staatengemeinschaft beim Eröffnungsplenum der 22. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien (COP-22) des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) bestätigt, dass die Tagung in Marokko ihr besonderes Augenmerk auf die Situation der jungen Generation sowie auf besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen auf dem afrikanischen und anderen Kontinenten legen müsse. Dies könne sich als schwierig erweisen, wenn andere Krisen ebenfalls bewältigt werden müssten, Aufmerksamkeit und Mittel aber an ihre Grenzen stießen, befand Kebede, stellt aber fest, es komme auf die Sichtweise an.

Hunger und Dürre

„Da hört man: Der Klimawandel wird sich erst in 20 Jahren auf Afrika auswirken“, führte er aus. „Es ist Bürgerkrieg. Es herrscht Hunger. Die Jungen gehen nach Europa. Das ist augenfälliger und das braucht dringender Lösungen“, umriss er die äthiopische Situation, wo Anfang 2016 nach einer zwei Jahre andauernden Dürre der Notstand ausgerufen wurde und 10,2 Millionen Menschen zum Überleben auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Im Mai fiel in einigen Landesteilen etwas Regen, anderswo führten starke Niederschläge zu Überschwemmungen, die neuerliche Zerstörung brachten.

„Hier wird nicht der Zusammenhang hergestellt, dass es der Hunger ist, der zur Migration führt. Der Hunger aber wird durch die Dürre verursacht, die Dürre durch den Klimawandel. Deswegen wird es Zeit, dass wir ein Bewusstsein schaffen für diese Zusammenhänge und die Grundursachen des Klimawandels“, schloss Kebede.

Das 2015 bei der COP-21 in Paris geschlossene Abkommen ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem weltweiten Konsens für den Kampf gegen die Klimaerwärmung und das Engagement für die Eindämmung der Folgen extremer Wetterereignisse, die besonders die Schwächsten treffen. Die COP-Präsidentschaft hat erklärt, die aktuelle Tagung müsse eine „Tagung der Beschlüsse“ („COP of actions“) sein. Die politisch Verantwortlichen weltweit müssten also im Einzelnen konkret festlegen, wie die ambitionierten Ziele zu verwirklichen sind.

Initiative und Führungsrolle der jungen Generation

Kebede vertrat die Auffassung, dass die junge Generation eine gleichermaßen wichtige Rolle bei der Verwirklichung von Klimagerechtigkeit spiele.

„Auch die jungen Menschen müssen aktiv werden“, betonte er. „Wir müssen uns in unserer jeweiligen Kirche, Schule oder sonst in unserem Umfeld in Initiativen einbringen und auch selbst Initiativen anstoßen.“

Anfang 2011 hatte der LWB entschieden, sich bei der jährlichen UN-Klimakonferenz primär durch mit jungen Menschen besetzte Delegationen vertreten zu lassen. LWB-Jugendreferentin Caroline Bader erläuterte, damit solle den Beteiligten zudem auch die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Befähigung zur Advocacy-Arbeit und ihre Führungskompetenzen zu stärken.

Kebede verwies auf den Mangel an demokratischen Räumen, mit dem die junge Generation in vielen Ländern und Kirchen konfrontiert sein. Er hoffe, dass sie zukünftig verstärkt in die entsprechenden Foren eingebunden würden, sich dort aktiv einbringen und an der Entscheidungsfindung beteiligen könnten.

„Beim LWB haben wir uns auf der Weltebene darauf verpflichtet, 20 Prozent der Leitungsfunktionen mit jungen Menschen zu besetzen“, betonte er. „Man kann nicht immer nur in der hinteren Reihe stehen und murren. Es wird langsam Zeit, dass wir vortreten, uns ins Rampenlicht stellen und dabei mitreden, wie unsere Welt morgen aussehen soll.“

Er forderte die junge Generation auf, die Botschaft vom Klimawandel aktiv weiterzusagen und führte, unter Verweis auf das gemeinsame katholisch-lutherische Reformationsgedenken, das jüngst in Lund (Schweden) stattfand, aus: „Wir müssen um einen Wandel der Herzen und der Sinne beten, nicht nur bei uns selbst, sondern auch bei denen, die aktuell über die Umsetzung des Pariser Abkommens verhandeln.“

Unterstützung der Betroffenen in Äthiopien

Das LWB-Äthiopienprogramm unterstützt kleinbäuerliche Familien mit Bewässerungsanlagen, sauberem Trinkwasser, Weiterbildung und technischen Fachkenntnissen. Bei Dürre oder Überschwemmungen stellt der LWB Nahrungsmittelhilfe und sonstige Hilfsgüter für die betroffene Bevölkerung bereit.

Die LWB-Mitgliedskirche im Land, die Äthiopische Evangelische Kirche Mekane Yesus, betreibt ihrerseits ländliche Entwicklung in Gebieten, wo die Bevölkerung besonders durch extreme Wetterereignisse gefährdet ist.

(Ein Beitrag von Ryan Rodrick Beiler, freier Journalist, von der COP-22 in Marrakesch, redaktionell bearbeitet und übersetzt durch das LWB-Kommunikationsbüro.)