USA: „Wir sind verbunden mit einer großen und wachsenden lutherischen Familie“

Elizabeth Eaton ist die Leitende Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika und LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordamerika. Foto LWB/S. Gallay

Interview mit Elizabeth A. Eaton, LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordamerika

(LWI) – Für die Leitende Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA), Elizabeth A. Eaton, bedeutet ihr Amt als Vizepräsidentin des Lutherischen Weltbundes (LWB) für die Region Nordamerika, dass sie das Bewusstsein in den ELKA-Gemeinden stärken will, Teil einer wachsenden globalen lutherischen Familie zu sein.

„Der LWB ist eine lutherische Bewegung, die in hunderten verschiedenen Sprachen die Gnade und Freiheit verkündigt, die wir in Christus haben“, so Eaton.

In dieser Ausgabe der „Stimmen aus der Kirchengemeinschaft“ erzählt Eaton von Prägungen ihrer Kindheit, berichtet, wer sie inspiriert hat, und geht auf das ökumenische Engagement ihrer Kirche im Eintreten gegen den „christlichen Nationalismus“ in den USA ein.

Erzählen Sie uns von Ihrer religiösen und spirituellen Erziehung als Kind.

Ich wurde am 2. April 1955 geboren und am 8. Mai 1955 getauft. Die Kirche hat in meiner Kindheit von Anfang an eine Rolle gespielt und mich geprägt. Spirituelle und religiöse Erziehung war ein wichtiger Aspekt unseres Familienlebens. Sonntags gingen wir immer in die Sonntagsschule und in den Gottesdienst.

Im Sommer wurden meine Brüder und ich in die Sommerferien-Bibelschule geschickt und an den Adventssonntagen haben wir uns um den Adventskranz bei uns zu Hause versammelt und gemeinsam in der Bibel gelesen und liebgewonnene Advents- und Weihnachtslieder gesungen.

Beim Abendessen haben wir reihum das Tischgebet gesprochen. Meine Mutter hat uns beigebracht, dass das Essen gegen den Uhrzeigersinn weitergegeben wird und die Zuständigkeit für das Gebet mit dem Uhrzeigersinn. Immer wenn mein kleiner Bruder an der Reihe war, gab er sich Mühe, auch wirklich an jeden Menschen zu denken, der zu dem Essen auf dem Tisch beigetragen hatte – vom Landwirt bis hin zu den Mitarbeitenden im Supermarkt und alle dazwischen – und dankte ihnen allen einzeln. Wir anderen stichelten dann immer, dass das Essen kalt würde.

Wer hat Sie entscheidend beeinflusst?

Viele Menschen und Ereignisse haben mich beeinflusst. Als ich Teenagerin war, hatte mein Vater zwei Herzinfarkte. Damals, 1973, waren Operationen am offenen Herzen noch selten. Mein Vater war ein ehrbarer Mann, der seine Familie sehr liebte, sich aktiv in der Gemeinde und gesellschaftlich engagierte. Ich habe mich damals gefragt, warum ein gläubiger und anständiger Mensch wie mein Vater so leiden musste.

Das brachte mich dazu, eine Liste von Fragen aufzuschreiben, die ich erst unserem Gemeindepfarrer und später unserer Hochschulseelsorgerin stellte. „Warum passieren guten Menschen schlechte Dinge?“, fragte ich. „Warum gibt es so viel Leid in der Welt?“, „Wo ist Gott in all dem?“ Sowohl unser Gemeindepfarrer, John Evans, als auch die Hochschulseelsorgerin, Cynthia Jarvis, haben mir den Raum und die Möglichkeit zugestanden, diese schwierigen Fragen zu stellen, und haben mir ermöglicht, zu erkennen, dass diese Fragen und Zweifel dem Glauben nicht entgegenstehen, sondern ein gesunder, wenn auch vielleicht unbequemer, Teil des Glaubens sind. Ich habe versucht, mir das in meinem Dienst zum Vorbild zu nehmen.

Die ELKA hat zusammen mit anderen US-amerikanischen christlichen Führungspersonen die Erklärung „Christians against Christian Nationalism“, also „Christliche Gläubige gegen christlichen Nationalismus“, formuliert. Worum geht es dabei?

Christlicher Nationalismus entspricht dem Evangelium in keinster Weise und verdreht unsere theologische Tradition. Als christliche Gläubige müssen wir mit einer Stimme sprechen und den christlichen Nationalismus verurteilen, weil dieser das Evangelium von Jesus Christus verzerrt und die amerikanische Demokratie gefährdet. In der Erklärung heißt es: „Egal ob wir in einer Kirche, einer Moschee, einer Synagoge oder einem Tempel beten, in den USA gibt es keinen Glauben zweiter Klasse. Gemäß der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika sind alle Menschen gleich.“

Am 6. Januar 2021 haben die Vereinigten Staaten christlichen Nationalismus am Kapitol in Washington D.C. hautnah erlebt, als die gewalttätigen Angreifenden mit christlichen Symbolen im Gepäck die Sprache unseres Glaubens missbrauchten, um unsere Demokratie zu untergraben. Der Untersuchungsausschuss des US-Kongresses berichtet, dass „dem Vorliegen und Wirkungspotenzial eines christlichen Nationalismus und einer christlich-nationalistischen Ideologie“ Beachtung geschenkt werden müsse, und benennt klar die Bedrohung, die sie für unsere Identität als multireligiöses und demokratisches Land darstellen.

Die lutherische Kirche stellt sich dem christlichen Nationalismus entgegen und verpflichtet sich, mit ihren ökumenischen Partnern zusammenzuarbeiten, um dieser Verzerrung des christlichen Glaubens entgegenzutreten.

Wie versuchen Sie als LWB-Vizepräsidentin für die Region Nordamerika dafür zu sorgen, dass die Menschen mit dem LWB und der weltweiten Kirchengemeinschaft verbunden bleiben?

Immer wenn ich im Land unterwegs bin und Synoden und Ortsgemeinden besuche, erinnere ich sie daran, dass sie mit einer großen und wachsenden lutherischen Familie verbunden sind. Der LWB hat Mitgliedskirchen auf allen Kontinenten außer der Antarktis und ist eine lutherische Bewegung, die in hunderten verschiedenen Sprachen die Gnade und Freiheit verkündigt, die wir in Christus haben. Selbst die kleinste LWB-Mitgliedskirche ist an der lebensverändernden humanitären Hilfe und Advocacy-Arbeit des LWB beteiligt. Und die ELKA ist als eine der zahlreichen LWB-Mitgliedskirchen auch ein Teil dieser verwandelnden Arbeit.

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.

LWB/A. Gray. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller