UNO: Flüchtlinge aus Kenia ergreifen das Wort

Flüchtlinge im Transitzentrum Nadapal nahe der südsudanesischen Grenze. Foto: LWB/C. Kästner

LWB-Delegation lässt Flüchtlinge für sich selbst sprechen

GENF (LWI) – Flüchtlinge für sich selbst sprechen lassen – mit dieser zentralen Botschaft hat eine LWB-Delegation bestehend aus Flüchtlingen und Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft an der vorbereitenden Sitzung zur anstehenden Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfungen (Universal Periodic Review – UPR) der Menschenrechtslage in Kenia teilgenommen. Sie hat dazu aufgerufen, die Rechte von Flüchtlingen in Bezug auf ihren Status insgesamt, ihr Recht zu arbeiten und ihr Recht auf Integration, ihren Zugang zu Dienstleistungen und den Schutz schutzbedürftiger Gruppen zu verbessern.

Die Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfungen sind ein Mechanismus der Vereinten Nationen, mithilfe dessen die Menschenrechtslage in den einzelnen Mitgliedsstaaten regelmäßig von der internationalen Gemeinschaft überprüft wird. Nichtregierungsorganisationen sind dabei aufgerufen, so genannte „Schattenberichte“ über Erkenntnisse und Befunde aus der Arbeit vor Ort vorzulegen. Diese können von Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen dann als offizielle Empfehlungen aufgenommen werden.

Gesetze umsetzen

Die LWB-Delegation geht in ihrem Bericht auf sechs Themen ein. Mit einem weiteren beschäftigt sich der Bericht des kenianischen Zentrums für Minderheitenrechte und Entwicklung (Kenyan Centre for Minority Rights and Development). Die sechs Themenbereiche im Schattenbericht des LWB sind das Recht auf Asyl, der Zugang zu Grundversorgung und Bildung, das Recht arbeiten zu dürfen, das Recht auf Freizügigkeit, das Recht auf Integration und Einbürgerung in Kenia sowie sexuelle, geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen.

In vielen der Empfehlungen geht es um die praktische und konkrete Umsetzung bereits geltenden Rechts. „Gegen das Recht auf Asyl verstößt die Regierung in Kenia fast dauerhaft“, sagt Mark Okello Kyat aus dem Flüchtlingslager in Dadaab und Mitglied des KADANA-Flüchtlingsnetzwerks in Kenia. „Die Menschen müssen sehr viel länger als die gesetzlich vorgeschriebene Frist von maximal 90 Tagen darauf warten, dass ihr Status geklärt wird.“ Währenddessen sei ihre Freizügigkeit eingeschränkt, was wiederum den Zugang zu spezialisierter Gesundheitsversorgung oder höherer Bildung erschwere.

Keine Dokumente – kein

ugang zu Dienstleistungen

Flüchtlinge – egal ob in Flüchtlingslagern oder in einer Stadt – gerieten dadurch in eine prekäre Lage, so Oyat. Für den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen seien bestimmte Dokumente notwendig. Die Flüchtlinge würden also gezwungen, sich auf halb-legalem Wege das zu beschaffen, was sie benötigen, und das mache sie anfällig für Ausbeutung: die Eröffnung eines Bankkontos, Geldtransfer, der Kauf einer SIM-Karte, aber auch der Zugang zu öffentlichen Schulen und spezialisierten Gesundheitsdiensten sei ohne bestimmte Dokumente nicht möglich.

„Die Schulen bei uns im Flüchtlingslager in Kakuma sind völlig überfüllt“, führt Lilian Kantai, LWB-Referentin für Advocacyarbeit beim Kenia-Dschibuti-Somalia-Programm als Beispiel an. „Die Qualität des Unterrichts für die Flüchtlingskinder ist dadurch natürlich stark beeinträchtigt. In den Sekundarschulen ist noch schlimmer. Sie haben noch weniger Mittel und Möglichkeiten.“

Flüchtlinge werden seit Langem aufgenommen

Seit mehr als 25 Jahren nimmt Kenia Flüchtlinge auf. Aktuell leben dort rund eine halbe Million Flüchtlinge aus mehr als 30 Ländern. Viele von ihnen leben schon in der dritten oder vierten Generation in den Flüchtlingslagern, da anhaltende langjährige Konflikte in ihrer Heimat eine Rückkehr unmöglich machen. Genau aus diesem Grund hat die Zivilgesellschaft in letzter Zeit immer mehr auf langfristigere und dauerhaftere Lösungen gedrängt, dass Flüchtlingen zum Beispiel erlaubt werden solle, zu arbeiten, Geschäfte zu eröffnen und möglicherweise sogar die kenianische Staatsbürgerschaft anzunehmen.

„Das Flüchtlingslager in Kakuma ist die viertgrößte Stadt Kenias und hat eine entsprechende Wirtschaft. Nach aktueller Gesetzgebung ist es für Flüchtlinge sehr schwer, im formalen Sektor wirtschaftlich etwas beizutragen – und sie zahlen natürlich auch keine Steuern. Es verlieren derzeit also eigentlich alle“, sagt Lilian Obiye vom Flüchtlingskonsortium Kenia (Refugee Consortium of Kenya).

 

Viele der Flüchtlingslager seien in Gebieten der indigenen Bevölkerung errichtet worden, Gebiete also, die sowieso schon marginalisiert waren. Das schafft zusätzlich noch ganz eigene Probleme. „Mit der indigenen Bevölkerung wurde vorher nicht gesprochen“, berichtet Nyang‘ori Ohenjo, vom Zentrum für Minderheitenrechte und Entwicklung. „Das macht die Integration vor Ort extrem schwierig.“

Günstiger Zeitpunkt für Wandel

Der Zeitpunkt, der für Januar 2020 vorgesehenen Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung der Menschenrechtslage in Kenia ist für das Land sehr günstig, denn Kenia überarbeitet derzeit seine Flüchtlingsgesetze. Das neue Gesetz gehe auch auf die im für den UPR-Prozess vorgelegten Schattenbericht genannten Themen ein, so Obiye. „Der Gesetzentwurf ist gut – braucht nur ein paar wenige Änderungen. Wir wollen die Allgemeine Regelmäßige Überprüfung zudem nutzen, um die große Bedeutung dieser Änderungen hervorzuheben und sicherzustellen, dass das Gesetz so nun auch verabschiedet wird.“