Uganda: Regionaler Workshop behandelt Kinderschutz

Kinderrechts-Club im Flüchtlingslager Kaya (Südsudan). Foto: LWB/C. Kästner

Mechanismen zum Schutz der Schwächsten

Bunj (Südsudan)/Kampala (Uganda)/Genf, 30. April 2015 (LWI) – „Achtet unbedingt auf die Schweine“, das ist eine der ersten Lektionen, die Mitarbeitende der Hilfsorganisationen im Bezirk Maban im Südsudan lernen. Immer wieder sind die Tiere mitten auf der roten, staubigen Strasse anzutreffen, die die vier Flüchtlingslager Gendrassa, Yusuf Batil, Doro und Kaya und die dazwischen liegenden Gemeinwesen verbindet.

Zwar scheinen die freilaufenden Tiere niemandem zu gehören, aber selbst wer nur ein kleines Ferkel überfährt, wird schnell mit ein paar hundert US-Dollar Schadenersatzforderung konfrontiert. Schweine sind bei der einheimischen Bevölkerung in Maban die Währung für den Brautpreis und somit sichtbares Zeichen seit langem bestehender Vereinbarungen und Familienbande sowie der Macht lokaler Gemeinwesen, die in der Region eines der größten Probleme für den Kinderschutz darstellen.

„Frühehen sind hier weit verbreitet“, erklärt Julius Tiboa, Kinderschutzkoordinator des Lutherischen Weltbundes (LWB) und übergangsweise Teamleiter in Maban. „Das ist ein komplexes Problem, das viel Fingerspitzengefühl verlangt.“ Die Situation in der einheimischen Bevölkerung und in den Flüchtlingslagern von Maban gehörte zu den lokalen Kontexten, die bei einem Workshop zum Kinderschutz in Kampala (Uganda) erörtert wurden.

Gesetz gilt wenig

21 Teilnehmende, fast alle aus LWB-Länderprogrammen in Afrika, diskutierten vom 3. bis 6. März 2015 Probleme des Kinderschutzes in der Region. Der Workshop wurde von der Abteilung des LWB für Weltdienst organisiert und von Australian Lutheran World Service, der Not- und Flüchtlingshilfeorganisation der Lutherischen Kirche Australiens, sowie der australischen Regierung unterstützt. Die Durchführung des Workshops übernahm das Kinderschutz-Netzwerk Keeping Children Safe. Das 2001 gegründete Netzwerk besteht aus in der Region arbeitenden Hilfswerken, darunter auch der LWB.

Der Workshop hatte die Aufgabe, bei den Teilnehmenden das Bewusstsein und Verständnis für die internationalen Kinderschutznormen zu stärken und zu vermitteln, wie sie im lokalen Kontext anzuwenden sind. Er stellte die Kinderschutzregeln des LWB und die verfügbaren Beschwerdemechanismen vor und vermittelte den Teilnehmenden Kenntnisse, wie Gefahren für Kinder eingeschätzt und Kapazitäten entwickelt werden können, um diesen Gefahren zu begegnen.

Das südsudanesische Gesetz über die Rechte von Kindern soll Kinder davor schützen, verheiratet zu werden, bevor sie mit 18 Jahren volljährig sind. In der Praxis bestehen aber kaum Möglichkeiten, diesem Gesetz Geltung zu verschaffen. „Wir sprechen hier über Kindesmissbrauch, und das ist eine Straftat“, so Tiboa. „Aber wie können wir dem begegnen in einem Umfeld, in dem es keine wirksamen Instrumente zur Durchsetzung des Kinderschutzgesetzes gibt?“

Das Team in Maban hat zwei Optionen gefunden, um mit der Situation umzugehen. „Zunächst ist es wichtig, Fälle von Kindesmissbrauch bei den Partnern aus den Bereichen Kinderschutz, Bildung und Lagerverwaltung zu melden und mit ihnen gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie den Kindern geholfen werden kann“, erklärt Tiboa.

Der zweite Handlungsansatz sucht die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinwesen. In den Primarschulen gibt es inzwischen Kinderrechts-Clubs, in denen Kinder und Eltern gleichermassen über die Gefahren einer Frühehe für junge Mädchen aufgeklärt werden. Die Einschulung bietet auch Jungen einen gewissen Schutz davor, gegen ihren Willen zu Kindersoldaten gemacht zu werden, wie es in vielen Konfliktregionen allzu oft passiert. Die Milizen haben es meist auf unbegleitete und nicht registrierte Kinder abgesehen. Viele Familien sind nach wie vor darauf angewiesen, dass Kinder Tiere hüten oder auf dem Markt arbeiten, um ihr Einkommen aufzubessern. So haben diese Kinder auch keine Chance, in den Kinderrechts-Clubs mitzumachen.

Es müssen ausserdem Massnahmen ergriffen werden, damit die Sicherheit der Kinder auch im Umgang mit den Mitarbeitenden der Hilfsorganisationen gewährleistet ist. „Aus dem Workshop nehme ich die wichtige Erkenntnis mit, dass der Schutz der Kinder zwar in der Verantwortung jeder einzelnen Person im LWB liegt, das Management aber auch darauf achten muss, dass sich das Personal regelkonform verhält“, erklärt Tiboa abschliessend.

„Der Kinderschutz dient nicht nur den Kindern, mit denen wir arbeiten, er schützt auch das Personal der Organisation, das mit den Kindern zu tun hat, und vor allem den guten Ruf des LWB. Durch den Schutz der Kinder schaffen wir Vertrauen bei den Menschen, die wir unterstützen.“

Zusammenarbeit mit traditionellen Verantwortungsträgern

In Maban arbeitet das Team mit den Sheikhs und Umdas zusammen, die unter den Menschen im Lager traditionell Führungsverantwortung tragen. Als Hüter traditioneller Werte geniessen sie hohes Ansehen. „Im Workshop hatten wir eine sehr interessante Diskussion darüber, wie Kinder bei den Menschen hier wahrgenommen werden“, berichtet Tiboa. „In vielen afrikanischen Traditionen werden Mädchen als Quelle familiären Reichtums angesehen und Jungen als Hüter und Zukunft des Familienstammbaums.“

Oft werden spätere Ehen schon in den ersten Lebensjahren der Mädchen arrangiert. Ab diesem Zeitpunkt erhält die Familie des Mädchens bereits Brautgeldzahlungen. Wenn die Mädchen dann mit 12 oder 13 Jahren verheiratet werden, haben sie kaum die Möglichkeit, sich zu weigern, erklärt Tiboa. Wenn sie sich ihren Eltern widersetzten, würde das für die Familie finanzielle Probleme nach sich ziehen, da sie ja bereits seit Jahren Brautgeld in Form von Vieh und Lebensmitteln erhalten hat und kaum in der Lage wäre, diese Gaben zurückzuerstatten. „Wir stellen hier traditionelle Werte in Frage, die seit Generationen gepflegt werden.“

Kinderschutz bedeutet deshalb auch, kleine Fortschritte wertzuschätzen. „In einem Fall hatten wir ein Mädchen in der zweiten Klasse, das heiraten sollte“, erzählt Abraham Loyangi Mawa, LWB-Kinderschutzbeauftragter in Gendrassa. „Der Kinderrechts-Club hat eine Kundgebung organisiert und ist zum Haus der Eltern gezogen. Sie waren erfolgreich, das Mädchen konnte wieder zur Schule gehen.“