Südafrika: „Gott von ganzem Herzen suchen“

Pfarrerin Lilana Kasper, Geschäftsführerin der Lutherischen Gemeinschaft im Südlichen Afrika, ist die erste Frau in dieser Position. Foto: R. Mofulatsi/LUCSA

Interview mit Pfarrerin Lilana Kasper, LUCSA-Geschäftsführerin

SOWETO, Südafrika/GENF (LWI) – “Gott von ganzem Herzen suchen“ in allem, was sie tut, ist das Motto von Pfarrerin Lilana Kasper, einer Ehefrau und Mutter dreier Kinder. Sie ist die erste Frau in der Position der Geschäftsführerin der Lutherischen Gemeinschaft im Südlichen Afrika (LUCSA).

Vor 18 Jahren wurde sie in der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (ELCSA) zur Pfarrerin ordiniert und füllte dort verschiedene Ämter aus, unter anderem als leitende Pfarrerin der ELCSA im Soweto-Bezirk. Ihr Lebensweg führte Kasper als Seelsorgerin auch zum Polizeidienst Südafrikas.

Im Interview berichtet sie wie unterschiedliche Erfahrungen ihren Weg als Seelsorgerin prägten und sie auf ihre derzeitige Tätigkeit als LUCSA-Geschäftsführerin vorbereiteten.

Wie hat Sie Ihre Tätigkeit als Polizei-Seelsorgerin auf die Aufgabe der LUCSA-Geschäftsführerin vorbereitet?

Nach 1994 [Übergang von der Nationalen Partei Südafrikas zum Afrikanischen Nationalkongress] ging die Regierung dazu über, nicht mehr von einer Polizeitruppe, sondern vom Polizeidienst zu sprechen. Zu dieser Zeit war ich Dozentin am Lutheran Theological Institute in Pietermaritzburg, aber die Evangelisch-Lutherische Kirche im Südlichen Afrika beschloss aufgrund einiger Herausforderungen, das Institut zu schließen. Zu dieser Zeit annoncierte der Südafrikanische Polizeidienst (SAPS) Stellen für hauptamtliche Geistliche. Ich bewarb mich und hatte Erfolg.

Diese Stelle erwies sich als eine meiner wichtigsten Erfahrungen als Seelsorgerin. Ich war für die Begleitung der Frauen und Männer im Dienst der Polizei verantwortlich.

Nachdem ich in meinem Leben so oft enttäuscht und gebrochen worden war, begegnete ich jetzt Menschen, die auch angefochten waren. Diese Stelle half mir, ihnen den Weg zur Gnade des Gottes zu zeigen, der unsere Schritte lenkt.

Obwohl ich bei meiner Arbeit keinen direkten Kontakt zur Öffentlichkeit hatte, zählten geschlechtsspezifische Gewalt und Femizid zu den Herausforderungen, mit denen die Polizistinnen und Polizisten regelmäßig zu tun hatten. Und es ist sehr traurig, aber wahr, dass auch sie selbst Opfer und Täter von geschlechtsspezifischer Gewalt und Femizid wurden.

Diese Position erfüllte mir den Wunsch, Menschen in ihrer Entwicklung zu helfen; ihnen in dem Versuch zu helfen, beständig zu wachsen und sich zu entfalten. Diesen Wunsch nehme ich mit in mein Amt als LUCSA-Geschäftsführerin.

Erzählen Sie uns von ihrem Weg als Seelsorgerin und wie dieser heute Ihre Arbeit beeinflusst?

Ich war die erste Frau, die als Superintendentin – also als leitende Pfarrerin – im Kreis Soweto in der Zentraldiözese der ELCSA arbeitete. Ich arbeitete auch für den Bischofsrat der ELCSA. Jede neue Aufgabe prägte und formte meinen Charakter und meine Fähigkeit, große Herausforderungen zu meistern. Dies half mir, eine innere Resilienz aufzubauen und eine strategische Planung zu entwickeln.

Die Arbeit als Geistliche im Staatsdienst erweiterte meine Kenntnisse über Einstellungsverfahren, Gesundheit und Wohlbefinden von Angestellten, über die Arbeit mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen und über disziplinarische Maßnahmen. Alle diese Fähigkeiten brauche ich für meine Aufgabe als Geschäftsführerin.

Für die LUCSA arbeitete ich als Projektkoordinatorin für christliche Erziehung und war Teil des Teams, das Materialien für die LUCSA-Plattform für christliche Erziehung entwickelte. Ich bin Gründungsmitglied des LUCSA-Forums für Theologinnen, das seit 2005 besteht.

Später arbeitete ich für den Entwicklungsdienst der ELCSA als Projektkoordinatorin für das Projekt Lutherische Aktion gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Es prangerte vor allem das Übel der geschlechtsspezifischen Gewalt und des Femizids an.

2015 kam ich als Dozentin für Praktische Theologie an das Lutheran Theological Institute. Damit erfüllte sich ein Traum aus meiner Studienzeit am Umphumulo Lutheran Theological Seminary. Ich träumte davon, eines Tages zur Ausbildung von Theologie-Studierenden beizutragen, insbesondere von jungen Studentinnen.

Sie träumten davon, mit jungen Theologinnen zu arbeiten – warum?

Auch in der Arbeit, die LUCSA auf diesem Gebiet leistet, gibt es immer noch nicht genügend zielgerichtete Programme, die Frauen in Leitungspositionen unterstützen und Frauen auf Leitungspositionen vorbereiten. Mentoring, Management und Verwaltung, Finanzwissen und Selbstbehauptungstraining sind Programme, die zielgerichtet für Frauen angeboten werden sollten, damit diese die Schule und die theologische Ausbildung erfolgreich abschließen können.

Was erfüllt Sie mit Stolz bezüglich Ihres Engagements gegen geschlechtsspezifische Gewalt?

Als erstes würde ich meine Berufung und meinen Dienst nennen. Es ist ein Geschenk und ein Privileg, im Weinberg Gottes zu dienen. Über die Jahre hat das LUCSA-Forum für Theologinnen enorm zur Entwicklung von Pfarrerinnen in der LUCSA-Region beigetragen.

Die Geschichten, die auf den Treffen erzählt werden, und die Tatsache, dass Frauen in den Mitgliedskirchen von LUCSA Leitungspositionen eingenommen haben, legen Zeugnis von der Arbeit ab, die wir durch dieses Forum geleistet haben.

In den Jahren, die ich für die Lutherische Aktion gegen geschlechtsspezifische Gewalt [Lutheran Action Against Gender Based Violence (LAAGBV)] gearbeitet habe, habe ich das Toolkit gegen geschlechtsspezifische Gewalt für das „Lutheran Action Against“-Projekt entwickelt. Ich entwickelte das Programm „Trauma-Begleitung für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt“ während meiner Zeit als Polizei-Seelsorgerin.

Da ich selbst eine Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt bin, helfe ich mit Leidenschaft dabei, dass Frauen ihre gottgegebenen Potenziale ausschöpfen können. Für mich ist es außerordentlich wichtig, in den Menschen die Überzeugung zu wecken, dass sie nicht das sind, was ihnen passiert ist, sondern dass sie – im Gegenteil – das sind, was aus ihnen geworden ist, als sie heilten.

Welchen Rat würden Sie der nächsten Generation von Frauen in Leitungspositionen geben?

Lernen, lernen und lernen! Eine gute Ausbildung und eine beständige Weiterentwicklung sind entscheidend. Es ist wichtig, unterstützende Netzwerke aufzubauen und zielgerichtet Frauen in Leitungspositionen zu unterstützen. Frauen sollten niemals im Leben aufgeben, egal wie schwer es gerade ist. Jeder Stolperstein ist ein Sprungbrett zum Erfolg.

Wo liegen Ihre Prioritäten für LUCSA?

Ich glaube fest an inklusive Leitung und daran, dass alle einen rechtmäßigen Platz am Tisch haben. Ich achte sowohl Frauen als auch Männer und die Beiträge, die sie in der Welt leisten. Meine Erfahrungen in der Kirche zeigen, dass es von überragender Bedeutung ist, Frauen in Top-Positionen zu haben, so dass Themen angesprochen werden, die nur Frauen betreffen – zum Beispiel Mutterschutz.

Um sicherzustellen, dass die Geschlechtergleichstellung am Arbeitsplatz erreicht wird, müssen Frauen auf Positionen, an denen Entscheidungen getroffen werden, gewählt oder aufgrund ihrer Leistungen ernannt werden.

Was bedeutet es für Ihre Organisation, Teil des Lutherischen Weltbundes zu sein?

Der LWB bildet einen umfassenden Rahmen und eine Plattform für ein breit angelegtes Engagement zur Beendigung von Ungerechtigkeiten. Er bietet Begleitung, Gemeinschaft und Zugang zu Ressourcen; und er bietet eine Plattform zur kontextbezogenen Unterstützung und Stärkung von Beziehungen zwischen den LWB-Mitgliedskirchen.

Von LUCSA/R. Mofulatsi und bearbeitet von LWB/A. Gray. Deutsche Übersetzung: Tonello-Netzwerk, Redaktion: LWB/A. Weyermüller

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.