Südafrika: Den Mächtigen einfühlsam die Wahrheit sagen

Khulekani Magwaza, LWB-Ratsmitglied und einer der Jugenddelegierten beim UN-Klimagipfel COP26. Foto: LWB/Albin Hillert

Interview mit Khulekani Magwaza, LWB-Ratsmitglied und Jugenddelegierter bei COP26

KAPSTADT, Südafrika/GENF (LWB) – „Als Vertreterinnen und Vertreter von Religionsgemeinschaften bei der Welt-Klimakonferenz sind wir ein moralischer Kompass“, sagt Khulekani Magwaza, einer der Delegierten des Lutherischen Weltbundes (LWB) beim UN-Klimagipfel COP26. „Das ist etwas ganz Anderes als die Rolle der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, anderen Expertinnen und Experten oder Verhandlungsführenden. Wenn wir unsere Botschaften und unsere Forderungen an COP etwas direkter formulieren müssen, sagen wir es mitfühlend und liebevoll. Wenn wir den Mächtigen die Wahrheit sagen müssen, machen wir es auf motivierende Weise.“

Magwaza ist ein junger Südafrikaner, der seit 2016 zur COP-Delegation des LWB gehört.

Unter der britischen COP26-Präsidentschaft konzentriert sich das Programm heute, am 5. November, auf die Jugend und Ermächtigung der Öffentlichkeit. Magwaza spricht über seine Erfahrungen und seine Motivation, sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen, und über sein fortlaufendes Engagement in Kirche und Gesellschaft.

Werden junge Menschen bei COP26 gehört?

Bei COP26 wird den jungen Menschen zugehört. Aber ob sie auch gehört werden, ist nicht sicher. Gehört zu werden bedeutet, dass die Forderungen oder Anliegen der jungen Menschen, von denen einige klimapolitische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Pariser Abkommen betreffen, berücksichtigt werden. Erst wenn wir die Ergebnisse von COP26 sehen, wissen wir, ob die jungen Menschen gehört wurden.

Dieses Jahr hat der LWB für COP eine große Jugenddelegation zusammengestellt, die hauptsächlich online teilnimmt. Sie gehören auch dazu. Wie denken Sie darüber?

Zuerst einmal bin ich als LWB-Ratsmitglied sehr beeindruckt, dass wir eine so große Jugenddelegation haben. 32 Personen nehmen an COP26 teil, sowohl vor Ort als auch online.

Das ist ein hervorragender Schritt zur Umsetzung der Resolution zum Klimawandel der Zwölften LWB-Vollversammlung von 2017. Darin wird eine kontinuierliche Beteiligung und Vertretung der Jugend bei COP-Treffen gefordert.

Junge Männer und Frauen aus allen LWB-Regionen sind Teil der Delegation. Wir hatten genug Zeit, um uns vorzubereiten und die Mitdelegierten kennenzulernen. Die Online-Schulungen, die wir vor COP26 hatten, waren sehr hilfreich. Wir erhielten viele Informationen zu den Abläufen bei COP, zu Klimaabkommen wie das Pariser Abkommen oder das Kyoto-Protokoll sowie zu den allgemeinen Positionen der Parteien. Wir übten sogar ein Rollenspiel, um uns auf Treffen mit Regierungsvertreterinnen und -vertretern und anderen Repräsentantinnen und Repräsentanten vorzubereiten.

Noch nie waren wir so gut vorbereitet. Unabhängig von den Ergebnissen von COP26 glaube ich, dass der LWB sehr gute Arbeit beim Kapazitätsaufbau der Delegierten geleistet hat.

Es gab auch Mentoring-Patenschaften mit den Neuen in der COP-Delegation. Woraus bestand dieses Mentoring? Was waren die wichtigsten Botschaften, die Sie weitergegeben haben?

Da wir bereits einige Erfahrung mit COP-Treffen haben, betreuten Fernanda Zuñiga von der Lutherischen Kirche in Chile und ich einige neue Delegierte.

Ich betonte, dass wir als Vertreterinnen und Vertreter von Religion und Kirche ein moralischer Kompass sind. Das ist etwas ganz Anderes als die Rolle von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, anderen Expertinnen und Experten oder Verhandlungsführenden. Wenn wir unsere Botschaften und unsere Forderungen an der COP etwas direkter formulieren müssen, sagen wir es mitfühlend und liebevoll. Wenn wir den Mächtigen die Wahrheit sagen müssen, machen wir es auf motivierende Weise.

Ich erinnere mich daran, als die LWB-Delegation bei COP25 die Delegation von El Salvador traf. Wir hatten eine offene, freundliche Unterhaltung und konnten voneinander lernen. Wir erklärten unsere Absichten und sie hörten uns zu und respektierten unsere Punkte. Ich glaube, dieser Dialog hat sie motiviert. Und das ist es, was wir bei COP machen: motivieren und ermutigen.

Ich ermutigte auch die Neuen, darauf zu achten, ihren Kirchen und Gemeinschaften etwas Nützliches von COP zurückzubringen.

Wie sind Sie dazu gekommen, sich für Klimagerechtigkeit zu engagieren?

Ich war ein aktives Mitglied meiner Kirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Südafrika (ELCSA) und Mitglied im Studierendenrat des Lutherischen Theologischen Instituts, wo ich damals studierte. Aufgrund dieses Engagements haben mich die Leitungspersonen in meiner Kirche als Delegierten des LWB für COP22 vorgeschlagen.

Damals kannte ich die politischen Themen zum Klimawandel noch nicht sehr genau und war mir der Dringlichkeit der Klimakrise nicht bewusst. Doch kannte ich bereits einige der Umweltprobleme, die wir in der Schule durchgenommen hatten. Deshalb lag mein Schwerpunkt bei COP22 auf Kapazitätsaufbau und Bildung. Ich wollte meiner Gemeinschaft und meiner Kirche etwas zurückbringen.

Nach der Konferenz schrieb ich einen Bericht an die Kirche und empfahl die Gründung einer Initiative, die sich mit dem Klimawandel und insbesondere mit der Klimapolitik befasst. Auf dieser Grundlage gründeten wir Green ELCSA als Pilotprojekt in meiner Kirche und später auch in meiner Gemeinde. Mittlerweile ist es eine kirchenweite Initiative.

Wie engagieren Sie sich heute für den Klimaschutz in Ihrer Kirche und in Ihrem Heimatland?

Heute arbeite ich beim SAFCEI (Southern African Faith Communities Environment Institute; Südafrikanisches Umweltinstitut der Glaubensgemeinschaften) mit mehr als zehn verschiedenen Glaubensgemeinschaften zusammen. Dort koordiniere ich Aktivitäten im Bereich der Klimagerechtigkeit in der Energiepolitik.

In dieser Funktion konzentriere ich mich auf die Nationally Determined Contributions (NDCs; national festgelegte Beiträge). NDCs sind die Maßnahmen, die Regierungen als Antwort auf den Klimawandel umsetzen wollen und die dazu beitragen sollen, die weltweiten Ziele aus dem Pariser Abkommen zu erreichen. Südafrika hat vor Kurzem ein überarbeitetes Dokument an das Komitee für das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) eingereicht. Wir waren an der Ausarbeitung des Dokuments beteiligt und vertraten Glaubensgemeinschaften in der Zivilgesellschaft.

Zurzeit arbeiten wir mit der Regierung zusammen, insbesondere mit der Klimakommission des Präsidenten. Sie soll einen Sozialpakt für einen gerechten Klimawandel ausarbeiten. Beim Aufbau einer kohlenstoffarmen, klimaresistenten Wirtschaft und Gesellschaft müssen wir menschenwürdige Arbeit für alle, soziale Integration und die Beseitigung der Armut gewährleisten.

 

Welche Entwicklungen haben Sie bei den Klimakonferenzen, an denen Sie dabei waren, beobachtet? Welche positiven Schritte wurden für die Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015 gemacht und was verhindert Fortschritte?

Ich war 2016 zum ersten Mal bei einer Welt-Klimakonferenz, beim COP22 in Marrakesch in Marokko.

Ein Jahr nach 2015 und ihrem Meilenstein, dem Pariser Abkommen, wurde auf COP22 in den offiziellen Verhandlungen die Marrakesch-Partnerschaft für globale Klimaschutzmaßnahmen ins Leben gerufen. Sie bietet einen strukturierten und kohärenten Rahmen zur Umsetzung der in Paris vereinbarten Ergebnisse. Damit sollen der Umfang und das Tempo der Klimamaßnahmen der Vertragsparteien und der nichtvertragsgebundenen Akteure in allen Teilen der Welt beschleunigt werden. Der Schwerpunkt liegt auf einem ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Systemwandel, mit dem alle Beteiligten zu mehr Ehrgeiz angespornt werden sollen, um gemeinsam das Temperaturziel von 1,5 °C und eine klimaneutrale und widerstandsfähige Welt zu erreichen.

Eine weitere Entwicklung in den letzten Jahren sind die NDCs. Sie bilden ein Kernstück des Pariser Abkommens und umfassen die Maßnahmen aller Länder zur Senkung nationaler Emissionen und für Anpassungen an die Auswirkungen des Klimawandels. Mit dem Pariser Abkommen verpflichtet sich jede Vertragspartei, sukzessive NDCs, die sie erreichen will, auszuarbeiten, zu kommunizieren und aufrechtzuerhalten. Leider reichen die bis jetzt von den Ländern eingereichten NDCs nicht aus, um die globale Erwärmung auf unter 1.5 °C zu beschränken. Das ist eine der größten Herausforderungen an der jetzigen COP26.

Auf einer persönlicheren Ebene: Bei meiner ersten COP, die eine überwältigende Erfahrung für mich war, verfolgte ich Verhandlungen zum Kapazitätsaufbau. Da ich mit den Abläufen und Taktiken nicht vertraut war, fand ich es etwas entmutigend, den Verhandlungsführenden zuzuhören, wie sie über Texte stritten. Es war sehr seltsam, jemandem zuzuhören, von dem ich annahm, dass er sich für Klimaschutz und Klimagerechtigkeit einsetzt, der aber nur sehr zögerlich einzelnen Wörtern wie "sollte" oder "soll" zustimmen konnte.

Erzählen Sie uns doch etwas darüber, was bei den UN-Klimakonferenzen der außerhalb der Konferenzräume passiert.

Außerhalb der formalen Gespräche erlebte ich, wie sich Glaubensgemeinschaften untereinander vernetzten. Das finde ich immer sehr ermutigend. Es motiviert mich zu sehen, wie der LWB, der Ökumenische Rat der Kirchen, ACT Alliance und andere ökumenische Organisationen als eine Gemeinschaft arbeiten. Wenn die Menschen zusammenarbeiten und ein gemeinsames Verständnis davon haben, was zu tun ist, erlebe ich ein besonderes Gefühl von Gemeinschaft.

Ich erinnere mich an eine Pressekonferenz, bei der einer der religiösen Führer sagte, dass der Klimawandel die Menschen Gottes betrifft. Deshalb sei er für Gott von Bedeutung. Und weil er für Gott von Bedeutung sei, wären wir alle dafür verantwortlich, das Problem zu lösen, egal woran wir glaubten.

Was bedeutet es für Ihre Kirche, Ihre Arbeit und für Sie selbst, Teil der LWB-Kirchengemeinschaft zu sein?

Es ist wunderschön, Teil einer globalen Gemeinschaft zu sein und für Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit zu arbeiten. Es ist ermutigend, Teil des globalen Leibs Christi mit all seiner Vielfalt zu sein. In dieser Vielfalt können wir Dinge finden, die wir gemeinsam haben und Dinge, die wir alle brauchen. Ich bin zusammen mit anderen aus der ökumenischen Familie Teilnehmer an der Mission Gottes.

Von LWB/A. Weyermüller. Übersetzung: Tonello-Netzwerk

Der LWB nimmt an der 26. UN-Klimakonferenz (COP26) teil, die vom 31. Oktober bis 12. November in Glasgow, Schottland, stattfindet. Dieses Engagement ist Teil der laufenden Bemühungen der lutherischen Weltgemeinschaft, Klimaschutzmaßnahmen und Anwaltschaft auf allen Ebenen zu stärken. Junge Menschen sind hierbei wichtige Akteure des Wandels und bilden den größten Teil der LWB-Delegation zur COP26.

Stimmen aus der Kirchengemeinschaft:

Der Lutherische Weltbund (LWB) ist eine weltweite Gemeinschaft, deren Mitglieder sich gemeinsam für das Werk und die Liebe Christi in der Welt einsetzen. In dieser Reihe präsentieren wir Kirchenleitende und Mitarbeitende, die über aktuelle Themen sprechen und Ideen entwickeln, wie Frieden und Gerechtigkeit in der Welt geschaffen werden und die Kirchen und die Gemeinschaft in ihrem Glauben und ihrem Engagement wachsen können.