Stolz darauf, Lutheraner im Nahen Osten zu sein

Bischof Azar bei seine Amtseinführung in Bethlehem. Foto: ELKJHL/ Ben Gray

Der neue Bischof der ELKJHL ist besorgt über die Lebensumstände der Menschen

(LWI) - Ibrahim Azar wurde als neuer Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELKJHL) in sein Amt eingeführt und ist somit Nachfolger von Bischof Munib A. Younan, der in den Ruhestand gegangen ist. In einem Gespräch mit der Lutherischen Weltinformation (LWI) spricht Bischof Azar über die Herausforderungen für seine Kirche, wie man sich als Lutheraner im Nahen Osten fühlt und was es bedeutet, Teil der LWB-Kirchengemeinschaft zu sein.

Jerusalem und das Heilige Land sind ein schwieriger Kontext. Wie beeinflusst Ihr Umfeld das Kirchenleben?

Wir erleben eine sehr schwierige Zeit in Palästina, Israel und Jordanien, all das ist Thema in den Nachrichten. In den Medien hören wir ständig über die Besatzung, die Mauer und die Konflikte, aber als Kirche sitzen wir nicht da und warten darauf, dass sich eine Lösung für diese Probleme ergibt. Diese Lösung wird, so glauben wir, kommen.

Als Kirche beschäftigt uns der Alltag der Menschen, ihre Träume und ihre täglichen Kämpfe. Es gibt so viele Mauern in den Herzen der Menschen, die wir nicht sehen. Die Kirche sollte sich dafür einsetzen, diese unsichtbaren Mauern im Leben der Menschen einzureissen. Unsere Mitglieder befinden sich in ständigen sozialen Konflikten. Unsere Kinder sollten im Park Fussball spielen, aber sie sind dauernd durch ihre Lebensumstände belastet. Es gibt zum Beispiel gar keinen Park, und es gibt auch keine Arbeit, und deshalb frage ich mich: Wie können wir als Christinnen und Christen den Menschen beistehen? Wie kann die Kirche einen Weg zu ihnen und ihren Bedürfnissen finden? Wie können wir ihnen helfen, eine Lösung für ihre täglichen Probleme zu finden?

Die Menschen hier brauchen Sicherheit, Hoffnung und die Gewissheit, dass auch für sie die grundlegenden Menschenrechte gelten. Aber ihre Träume scheitern an zahlreichen sozio-ökonomischen Problemen. Wenn Kinder nicht träumen können, dann verlieren sie einen wichtigen Teil ihres Lebens.

"Sie brauchen Sicherheit, Hoffnung und die Gewissheit, dass auch für die die grundlegenden Menschenrechte gelten. Aber die Erfüllung ihrer Träume scheitert an zahlreichen sozio-ökonomischen Problemen. Wenn Kinder nicht träumen können, dann verlieren sie einen wichtigen Teil ihres Lebens." – Bischof Ibrahim Azar, Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land

Vor welchen Herausforderungen steht Ihre Kirche heute?

Es gibt 13 christliche Kirchen, die verbunden sind durch die Anerkennung der israelischen, palästinensischen und jordanischen Behörden. Nach unserer Auffassung eint Christus aber alle Menschen christlichen Glaubens unabhängig von ihrer Konfession. Einheit kann aber zu einer Herausforderung werden, wenn wir uns nicht kennen und nicht am Leben der anderen teilhaben.

Es ist deshalb wichtig, Möglichkeiten für Beziehungen zu unseren Mitmenschen zu finden, die über diese eine Woche der Einheit der Christen hinausgehen. Wenn wir Zeit für gemeinsame Gebete finden und die Gegenwart der anderen erleben, sind wir vereint im Geiste Christi.

Was bedeutet es für Sie, lutherisch zu sein?

Wir sind sehr stolz darauf, Lutheraner im Nahen Osten zu sein. Die deutschen evangelisch-lutherischen Missionswerke haben die Bibel in arabischer Sprache  in unsere Region gebracht. Danach folgten im 19. Jahrhundert lutherische Schulen für Mädchen.

Der Lutherische Weltbund hat eine wichtige Rolle beim Schutz unserer Kirchen und Schulen nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt hat. Er hat sich damals  zum Eigentümer dieser Liegenschaften erklärt, als die Regierung alle angeblich im deutschen Besitz befindlichen Gebäude konfiszierte. Aufgrund dieses mutigen Eingreifens verfügen wir nach wie vor über das Auguste Victoria-Krankenhaus, die Himmelfahrtskirche und unsere Schulen und Kirchen.

Ein Teil Ihres Dienstes besteht in der Leitung von Bildungseinrichtungen für Studierende mit christlichem und muslimischem Hintergrund. Wie nehmen Sie diesen interreligiösen Dialog wahr?

Die Missionswerke haben uns gelehrt, dass die Art und Weise der gegenseitigen Akzeptanz am wichtigsten ist. Wir werden keinen Erfolg haben, wenn wir Menschen muslimischen Glaubens zum Christentum konvertieren wollen, aber wir werden Erfolg haben, wenn wir Freundschaften mit Muslimen, mit allen Menschen schliessen. Wir werden weiterhin unsere Zeit und unsere Ressourcen in unseren Schulen einsetzen, denn dort haben wir die besten Möglichkeiten, über dem Bildungsweg Freundschaften zwischen unseren christlichen und muslimischen Schülern und Schülerinnen zu fördern, die zusammen lernen und leben.

Wo sehen Sie die Schätze Ihrer Kirche?

Unsere Schätze sind unsere sechs Kirchen in Jerusalem, dem Westjordanland und in Jordanien, unsere vier Schulen und die diakonische Arbeit, die unsere Gemeinden und Schulen leisten. Dazu gehören zum Beispiel das Adult Day Care Center in Jerusalem (Tagesbetreuungszentrum für Erwachsene), das Meals on Wheels-Programm (Essen auf Rädern) im Ramallah und unsere Anlaufstellen für Frauen und junge Menschen. Diese Dienste gehen auf die diakonischen Wurzeln der Missionswerke in dieser Region zurück. Das sind unsere Schätze, die an uns weitergegeben wurden.

Welches sind Ihre wichtigsten Themen als Bischof der ELKJHL? Welches sind Ihre Prioritäten?

Matthäus 28 sagt uns in seinem Missionsbefehl, dass wir hingehen und lehren und taufen sollen: „Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“

Unsere Kirche geht hin zu den Menschen. Wir werden nicht darauf warten, dass sie an unsere Tür klopfen. Das ist unsere Priorität.

Was bedeutet es für Sie, Teil der lutherischen Gemeinschaft zu sein?

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Jordanien und im Heiligen Land ist die einzige lutherische Kirche im Nahen Osten, aber wir sind nicht allein. Wir sind stolz, durch unsere Partnerschaften und unsere Gemeinschaft mit dem Lutherischen Weltbund zu den vielen lutherischen Kirchen weltweit zu gehören. Das gibt uns Stärke.