Religionen haben Schlüsselrolle in der Zivilgesellschaft

Der Generalsekretär des Kirchenrats von Simbabwe (ZCC), Kenneth Mtata. Foto: LWB/S. Gallay

Kenneth Mtata: FBOs können Gerechtigkeit und Frieden fördern

Harare, Simbabwe/Genf (LWI) – Es ist eine wesentliche Aufgabe der Religionen, Räume zu schaffen, in denen die Zivilgesellschaft in den Austausch mit der jeweiligen staatlichen Seite treten kann, findet Pfr. Dr. Kenneth Mtata, Generalsekretär des Kirchenrats von Simbabwe (ZCC), auch wenn diese Funktion oft übersehen oder missverstanden wird. Diese Position legte Mtata in einem Referat anlässlich der Mitgliederversammlung der Partnerschaft für Religion und nachhaltige Entwicklung (International Partnership on Religion and Sustainable Development, PaRD) dar, die das dänische Außenministerium vom 1. bis 3. Mai in Kopenhagen ausrichtete.

An der Versammlung nahm auch der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfarrer Dr. h.c. Dr. h.c. Martin Junge, teil. Er moderierte eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern von Staaten, Vereinten Nationen sowie im Bereich der Religionen beheimateten Organisationen (sog. faith-based organizations, FBOs).

In seinem Referat betonte Mtata, in vielen Ländern seien die FBOs breiter aufgestellt und genössen größeres Vertrauen als jede andere Institution. Sie böten einen sicheren Raum, in dem sich die Zivilgesellschaft, „abseits der Einschränkungen und der Überwachung durch den Staat“, zusammenfinden könne. Insbesondere im globalen Süden stellten die Religionen die größte unabhängige Gemeinschaft dar, deren Mitglieder sich regelmäßig jede Woche versammelten. „Die Kirche, die Moschee oder die Synagoge“ sei also „die am regelmäßigsten besuchte, eigenständig organisierte, identitätsstiftende und Legitimität verleihende Institution“ mit weitem Vorsprung vor jeder anderen zivilgesellschaftlichen Organisation.

Unter Verweis auf seine Heimat Simbabwe erläuterte Mtata, dort sei die Zivilgesellschaft zerfallen aus Furcht davor, „was die scheidende Regierung des ehemaligen Präsidenten Robert Mugabe tun könnte“. 2017 hätten die Kirchen, im Rahmen der National People’s Convention, einer großen zivilgesellschaftlichen Konferenz, die Stimme der Zivilgesellschaft in der Zeit des politischen Übergangs organisiert und verkörpert.

Zu diesem Zeitpunkt hätten die Kirchen den Umfang ihrer Möglichkeiten der gesellschaftlichen Mobilisierung als Rückhalt für ihre Rolle als mächtige Verhandlungspartnerin selbst nicht erfasst, so Mtata. „Hätten wir die Macht verstanden, mit der wir mobilisiert haben, hätten wir etwas sehr viel Dauerhafteres und Nachhaltigeres erreichen können.“ Ähnlich hätten im Januar 2019, nachdem Proteste wegen der hohen Treibstoff- und Lebensmittelpreise niedergeschlagen worden waren, viele Menschen bei den Kirchen Zuflucht gesucht als dem „einzig sicheren Raum“, der den zivilgesellschaftlich Aktiven eine Reflexion und Neuorganisation erlaubte.

Nehmen die Glaubensgemeinschaften diese wesentliche Funktion wahr, so müssen sie dabei Partnerschaften der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kirchen und Religionen aufbauen, um einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung einbinden und vertreten zu können, befand Mtata. In der Region des südlichen Afrika gehören nach seiner Aussage nahezu 90 Prozent der Menschen entweder dem Islam oder dem Christentum an. In Simbabwe repräsentieren allein die christlichen Kirchen über 86 Prozent der Bevölkerung.

Mtata ergänzte, als ein Hauptargument für die Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Raums führten Staaten die nationale Sicherheit an. Wer sich für die Menschenrechte einsetze, werde vielfach der Subversion oder umstürzlerischer Ziele verdächtigt. Weiterhin rechtfertige die staatliche Seite diese Einschränkungen vielfach mit einem „ökonomischen Reduktionismus“, so Mtatas Formulierung. Man habe ausschließlich die Wirtschaftsentwicklung im Blick und ignoriere damit einhergehende Probleme, wie etwa die Umsiedlung von Gemeinwesen oder die Umweltzerstörung.

Der ZCC-Generalsekretär unterstrich, die Kirchen seien in der Lage, dieselben Anliegen wie säkulare Gruppen in „einer anderen Sprache“ zu vermitteln. Wenn also Staaten die Debatte über ein bestimmtes Thema unterbänden, könnten Glaubensgemeinschaften mit „religiösen Ritualen“ oder auch einer „die Konfrontation entschärfenden Sprache“ dieselben Gedanken im Sinne des Schutzes der Menschenrechte oder der Verwirklichung von Nachhaltigkeitszielen weitergeben. Diese religiöse Sprache eigne sich, um „starke Glaubensüberzeugungen oder Haltungen von Bevölkerungsgruppen“ anzusprechen, wodurch eine breitere Unterstützung und langfristigere Mitwirkung bewirkt werden könne, als dies anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen möglich sei.

Mtata erinnerte in diesem Zusammenhang an den Besuch des Generalsekretärs des Ökumenischen Rates der Kirchen, Pfr. Dr. Olav Fykse Tveit, 2017 in Simbabwe, der zeige, wie Leitungsverantwortliche aus dem religiösen Bereich globale Ressourcen und Netzwerke nutzen können, um mit größerer Glaubwürdigkeit und moralischer Autorität zu sprechen als säkulare Organisationen. Der damalige Besuch der international besetzten ökumenischen Delegation habe „vor Ort gewaltiges Kapital geschaffen“, mit dem „Türen aufgestoßen wurden, die zuvor verschlossen waren“, stellte Mtata fest.

Die Anerkennung und der Respekt, die religiös Leitungsverantwortlichen entgegengebracht würden, ermöglichten es ihnen vielfach, unterdrückerische Systeme auf eine Weise anzusprechen, wie dies anderen Akteurinnen und Akteuren der Zivilgesellschaft nicht möglich sei. Aber die Glaubensgemeinschaften dürften dabei nicht vernachlässigen, einen Ausgleich zu schaffen zwischen ihrer prophetischen Rolle, die Unterdrückung und Missbrauch anprangere, und der notwendigen konstruktiven Mitarbeit am Aufbau gerechterer und friedlicherer Gesellschafte