Ratstagung 2022: „Zukunftsfähigkeit und Kontinuität“ im LWB im 75. Jahr seines Bestehens

LWB-Generalsekretärin Anne Burghardt. Foto: LWB/S. Gallay

Generalsekretärin Anne Burghardt legt Bericht mit Höhepunkten aus ihrem ersten Amtsjahr vor

GENF, Schweiz (LWI) – Der Umgang mit dem Konflikt in der Ukraine und die gleichzeitige Aufrechterhaltung der humanitären Hilfe für die Überlebenden von Krisen in anderen Ländern. Die Vorbereitungen auf die Vollversammlung 2023 in Krakau und der Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedskirchen in verschiedenen Teilen der Welt durch den Solidaritäts-Fonds der Kirchengemeinschaft. Das sind nur einige Beispiele der Entwicklungen, die die Generalsekretärin des Lutherischen Weltbundes (LWB), Anne Burghardt, in ihrem ersten Bericht an den LWB-Rat herausgestellt hat.

Burghardt hat in ihrer Ansprache auf die vielfältigen Herausforderungen des vergangenen Jahres und dabei insbesondere die COVID-19-Pandemie zurückgeblickt, die dazu geführt hatte, dass auch ihre eigene Wahl zur Generalsekretärin im Rahmen einer Online-Tagung stattgefunden hatte.

Trotz der vielen Herausforderungen und Beschränkungen, die die Arbeit der Kirchengemeinschaft in vielen Teilen der Welt auch heute noch erschwerten, sei das Engagement und die Einsatzbereitschaft der Ratsmitglieder, das reibungslose Funktionieren des LWB auch in dem 75. Jahr seines Bestehens zu gewährleisten, ein Zeichen von „Zukunftsfähigkeit und Kontinuität“, so Burghardt.

Die vier Grundpfeiler des LWB

Die Generalsekretärin erinnerte an die vier Grundpfeiler der Organisation – „Hilfe für notleidende Menschen, gemeinsame Anstrengungen in der Theologie, gemeinsames Zeugnis für ökumenische Einheit und gemeinsames Engagement in der Mission“ – und erklärte, der LWB überlege auch weiterhin, „wie diese vier Säulen am besten in die Arbeit des Büros der Kirchengemeinschaft und das praktische Leben der Kirchengemeinschaft ‚übersetzt‘ werden könnten“.

Sie mahnte, dass sich die Kirchen „gewissenhaft darum bemühen müssen, den Geist Gottes zu erkennen“, um „den Vormarsch autoritärer und populistischer Regimes“ und „den Zulauf zu fundamentalistischen und irreführenden Theologien“ zu bekämpfen, die viel zu einfache Antworten auf komplexe Probleme geben wollen. Es sei besonders gefährlich, betonte sie, „wenn sich bestimmte Theologien und religiöse Identitäten parallel zu autoritären und ethno-nationalistischen Linien radikalisieren und instrumentalisiert werden, um die jeweiligen wirtschaftlichen und politischen Ziele voranzutreiben“.

Die LWB-Generalsekretärin betonte, dass es eine der wichtigsten Aufgaben des Büros der Kirchengemeinschaft in Genf sei, den Kontakt zwischen den Mitgliedskirchen zu fördern, um die Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern und Regionen in einem sich beständig wandelnden globalen Kontext zu stärken. Das Gemeinschaftsbüro könnte sozusagen als „Super-Konnektor“ bezeichnet werden.

Mit Blick auf einige der wichtigsten Höhepunkte in den bilateralen und multilateralen ökumenischen Dialogen des vergangenen Jahres unterstrich Burghardt, wie wichtig es in den ökumenischen Beziehungen sei, „die globale Eben mit der lokalen und die lokale Ebene mit der globalen“ zu verbinden. Auch wenn nicht alle LWB-Mitgliedskirchen hauptamtliche Ökumene-Beauftragte hätten, erklärte sie, sollte mit der Gründung eines Netzwerks von Ökumene-Beauftragten eine Möglichkeit geschaffen werden, wichtige Akteure zusammenzubringen, die sich auf nationaler und globaler Ebene für die Einheit von Christinnen und Christen einsetzten.

Theologische Ausbildung wichtiger Arbeitsschwerpunkt

Hinsichtlich der Entwicklungen in der Abteilung für Theologie, Mission und Gerechtigkeit sagte die Generalsekretärin, dass die theologische Ausbildung von den meisten der sieben LWB-Regionen in ihren ersten Gesprächen mit den Ratsmitgliedern und beratenden Personen im März als ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt genannt wurden. Aufbauend auf eine Resolution der Zwölften Vollversammlung, unterstrich sie, würde das Netzwerk für theologische Aus- und Weiterbildung heute „eine maßgebliche Rolle bei der Förderung von Synergien und Partnerschaften in der Kirchengemeinschaft“ spielen.

Weiterhin unterstrich Burghardt den laufenden Prozess zur lutherischen Identität, der seinen Höhepunkt bei der Dreizehnten Vollversammlung erreichen werde, und das Projekt „Jahr der Bibel“ zur Feier des 500-jährigen Jubiläums von Luthers „Septembertestament“ in diesem Jahr. Dies seien zwei zentrale Elemente, mithilfe derer der LWB das Verständnis der Bibel verbessern und die gelebten Erfahrungen von lutherischen Gläubigen in ihren jeweiligen Ländern und kulturellen Kontexten vertiefen wolle, sagte sie.

Auch das anhaltende Engagement des LWB, Frauen und junge Erwachsene auf allen Leitungsebenen der Kirchen zu unterstützen und zuzurüsten wurde in Burghardts Bericht beleuchtet. Insbesondere wies sie in diesem Kontext auf die Einrichtung der neuen Hélène Ralivao-Stiftung für Frauen in der Theologie und in Führungsverantwortung in Afrika und die Wiederbelebung des Globalen Netzwerks junger Reformatorinnen und Reformatoren durch die Ausrufung eines „Jahres des Friedens für 2022“ hin.

„Zeitgemäßes und ergiebiges“ Thema für die anstehende Vollversammlung

Die LWB-Generalsekretärin richtete einen Blick auf die Erfolge der neuen Zentralstelle des LWB für Advocacyarbeit, des Referats „Engagement für Gerechtigkeit“, wie die Publikation eines neuen Rahmenwerks für die Advocacy-Arbeit, das „der Kirchengemeinschaft im Umgang mit den Herausforderungen unserer heutigen Welt ein Hilfsmittel und Leitfaden sein soll“. Sie sprach über das wichtige Engagement für Gendergerechtigkeit und Klimagerechtigkeit und über das unerlässliche Engagement des LWB im interreligiösen Dialog und in der interreligiösen Zusammenarbeit.

Burghardt unterstrich die Arbeit der Abteilung für Weltdienst, die die Grundbedürfnisse von einigen der vulnerabelsten Menschen und Bevölkerungsgruppen in der Welt zu decken versuche. Sie erinnerte sich, dass sie bei ihrem Besuch beim größten Länderprogramm des LWB in Uganda „zutiefst beeindruckt“ gewesen sei, betonte aber auch, dass es weiterhin Finanzierungsengpässe für diese Arbeit gebe und dass das Arbeitsumfeld für die humanitären Akteure zunehmend schwierig sei.

Die Generalsekretärin berichtete vom mehrgleisigen Ansatz des LWB in seiner Antwort auf den Krieg in der Ukraine und erläuterte die koordinierte Hilfe für die Menschen in der Ukraine selbst und in den Nachbarländern. Neben Bargeldhilfen und anderen Formen praktischer Hilfe bestünde Bedarf an pastoraler Fürsorge und psychosozialer Unterstützung für die vom Krieg traumatisierten Menschen, sagte sie und berichtete weiter, dass der LWB eng mit seinen Mitgliedskirchen zusammenarbeite, um deren Kapazitäten für die Bewältigung des Kriegs auszubauen. Weiterhin berichtete sie von den Fragen, die die Kirchen in Bezug auf Friedensethik, einen gerechten Krieg und andere Themen im Zusammenhang mit „dem Appell an westliche Länder, der Ukraine Waffen zu liefern“, aufgeworfen haben.

Schließlich richtete Burghardt ihren Blick auf die kommende Vollversammlung in Krakau. Der Veranstaltungsort habe „seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine“ und der daraus resultierenden Ankunft von Millionen Geflüchteten in Polen „an Bedeutung gewonnen“. Das Thema „Ein Leib, Ein Geist, Eine Hoffnung“ sei „zeitgemäß und ergiebig“, sagte sie, „und ich lade Sie alle ein, es in ihren Kirchen und Kontexten bekannt zu machen“.

Der LWB-Rat ist das höchste Entscheidungsgremium des LWB zwischen den Vollversammlungen. Er besteht aus dem Präsidenten, dem Vorsitzenden des Finanzausschusses und 48 Mitgliedern aus LWB-Mitgliedskirchen in sieben Regionen. Das derzeitige Leitungsgremium wurde auf der Zwölften Vollversammlung im Mai 2017 in Windhoek, Namibia, gewählt. Die diesjährige Ratstagung findet vom 9. bis 14. Juni im Ökumenischen Zentrum in Genf statt.

LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung: Andrea Hellfritz, Redaktion: LWB/A. Weyermüller