Populismus bekämpfen – was können die Kirchen unternehmen?

Screenshot des Webinars über die Antwort der Kirchen auf den Populismus Foto: LWB

LWB-Webinar erörtert Verantwortung und Möglichkeiten im Umgang mit populistischer Ausgrenzungsrhetorik

(LWI) - Was bedeutet Populismus? Kann dieser Begriff auch positiv besetzt sein? Kann die Demokratie manipuliert werden? Ist die Kirche zu politisch? Wie sollen Christinnen und Christen auf den zunehmend spaltenden und aggressiven Sprachgebrauch populistischer Politiker und Politikerinnen reagieren? Um diese Fragen ging während einer thematisch breit gefassten Diskussion am 25. Juni, gemeinsam organisiert vom Lutherischen Weltbund (LWB), der Norwegischen Kirche und der Denkfabrik Skaperkraft aus Oslo.

Das vom LWB-Programmreferenten für öffentliche Theologie und interreligiöse Beziehungen, Pfr. Dr. Sivin Kit, geleitete Webinar sollte Orientierung für Kirchenleitende auf allen Ebenen geben, um innerhalb einer sich verändernden politischen Landschaft, die von den Folgen der COVID-19-Pandemie betroffen ist, Kurs zu halten.

Zwei Lesarten des Populismus

Die Referenten und Referentinnen sprachen über die Verantwortung des einzelnen Menschen und der Glaubensgemeinschaften und über die Mittel, die die Kirchen einsetzen können, um die im Evangelium verkündeten Werte wie Inklusion, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Versöhnung als Vorbilder darzustellen.

Luke Bretherton, Community Organizer und Professor für theologische Ethik an der Duke University in North Carolina, eröffnete das Webinar mit der Definition zweier unterschiedlicher Lesarten des Populismus: einer positiven demokratischen Version, die für ausgewogene Vertretung und Teilhabe am Gemeinwohl steht, und im Gegensatz dazu die negative Ausprägung, der es um die Durchsetzung persönlicher Interessen unter Umgehung der Systeme der „Checks and Balances“ demokratischer Institutionen geht.

Übermass an Angst, Mangel an Hoffnung

Erzbischöfin Antje Jackelén, Erzbischöfin der Schwedischen Kirche und LWB-Vizepräsidentin für die nordischen Länder, zeigte sich überzeugt davon, dass der Populismus Teil einer umfassenderen explosiven Gemengelage sei, die sie als „die 5 Ps“ bezeichnete, u. a. Polarisierung, Protektionismus, postfaktische Politik und Patriarchat. Alle diese Denkmuster und Verhaltensweisen enthüllen „ein Übermass an Angst und einen Mangel an Hoffnung.“

Die schwedische Erzbischöfin, die regelmässig in Radio, Fernsehen und sozialen Medien aus kirchlicher Sicht berichtet, erklärte, dass Christen diese negative Rhetorik durch eine „Theologie der Resilienz, der Koexistenz und der Hoffnung“ konterkarieren könnten. Kirchen müssten sowohl demütig als auch mutig ihre Stimme in der öffentlichen Debatte zu Gehör bringen, forderte sie nachdrücklich, und verwies auf das  LWB-Studiendokument „Die Kirche im öffentlichen Raum“.

Die deutsche Theologin Simone Sinn, beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) Programmreferentin der ÖRK-Kommission für Glauben und Kirchenverfassung und Dozentin am Ökumenischen Institut in Bossey, befasste sich mit der Antwort der evangelischen und der katholischen Kirche Deutschlands auf den zunehmend feindseligen politischen Diskurs, der Politik, Gemeinschaften, Kirchen und Familien spaltet.

Kirche muss sich einmischen

Christen und Christinnen müssten sich anders als bisher mit diesen Themen auseinandersetzen, betonte die Theologin. Der Beitrag der Kirchen zur öffentlichen Debatte sei nicht nur abstrakte Ideologie, sondern greife direkt auf die praktischen Erfahrungen aus der Arbeit mit Flüchtlingen und anderen marginalisierten Gruppen zurück.

Demokratische Werte seien niemals als selbstverständlich anzusehen, so die Referenten und Referentinnen, sondern müssten von jeder nachfolgenden Generation kultiviert und gepflegt werden. Die in jüngster Zeit zu beobachtende Zunahme ausgrenzender populistischer Rhetorik sei eine Folge unseres Unvermögens, für das Gemeinwohl einzustehen.

 Wenn die Kirchen ihren Glauben an Gottes Heilsgeschenk ernst nähmen, könnten sie zuversichtlich einen Beitrag zu dieser Aufgabe leisten und eine gemeinsame Hoffnung teilen, die in Werten wie Inklusion, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Liebe verankert ist.

 

Link zur Videoaufnahme des Webinars (vimeo)