Papst Franziskus betet an palästinensischer Trennmauer

LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan überreicht Papst Franziskus während einer Audienz im März 2013 ein Kreuz aus El Salvador. © Servizio Fotografico „L'Osservatore Romano“

Rückblick des LWB-Präsidenten auf den Besuch des Papstes im Nahen Osten

(LWI) – Bischof Dr. Munib A. Younan, Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB), hat Papst Franziskus auf seiner dreitägigen Reise durch das Heilige Land vom 24. bis zum 26. Mai zusammen mit einer Delegation von Kirchenleitenden begleitet.

Nach dem Besuch des Papstes berichtet Younan, der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land ist, über die Gespräche zwischen Papst Franziskus und der Palästinensischen Autonomiebehörde und die Heilige Messe auf dem Krippenplatz.

Der Gottesdienst habe dem palästinensischen Volk, „ob christlichen oder muslimischen Glaubens, ein Gefühl der Hoffnung gegeben“, sagte Younan. „Dass der Staatspräsident, der Premierminister, die Ministerinnen und Minister und die Kirchenleitenden gemeinsam mit Christinnen und Christenaus Galiläa und mehr als 10.000 Menschen aus aller Welt auf dem Krippenplatz an dieser Heiligen Messe teilnahmen hat das palästinensische Volk moralisch aufgebaut. Wir sind ein besetztes Land und wir brauchen eine Führungspersönlichkeit, die uns zeigt, dass die Welt uns hört und wahrnimmt. Ich glaube, dass hat Papst Franziskus geschafft.“

Zwei-Staaten-Lösung gefordert

Der Pontifex besuchte mehr als 30 Veranstaltungen in Jordanien, Palästina und Israel. Am Sonntag nahm er dem israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres und dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas,  das Versprechen ab, ihn im Juni im Vatikan zu besuchen, gemeinsam zu beten und Friedensgespräche zu führen.

„Hier am Geburtsort des Friedenfürst möchte ich Sie einladen, mit mir gemeinsam im innigen Gebet Gott um das Geschenk des Friedens zu bitten“, sagte der Papst.  „Ich möchte mein Zuhause im Vatikan zu einem Ort der Begegnung für diese Gebete machen“.

In seiner Ansprache an Peres und die israelische Regierung erklärte der Papst auch: „Frieden zu schaffen ist schwierig, aber ohne Frieden zu leben ist eine ständige Qual“.  

Younan berichtete, dass der Pontifex während seines Besuchs eine Zwei-Staaten-Lösung gefordert habe. Jeder der beiden Staaten müsse international anerkannte Grenzen haben. Diese Aufforderung entspricht der vom LWB-Rat im Juni 2013 angenommenen Resolution über die Beziehungen zwischen Israel und Palästina. Die Resolution ruft die LWB-Mitgliedskirchen auf, sich für eine Beendigung des weiteren Siedlungsbaus  und  für die sofortige Wiederaufnahme der Friedensgespräche einzusetzen, die zu einer Lösung der Statusfrage und zu einem Ende der Besatzung führen sollen. Nur so könne ein lebensfähiger palästinensischer Staat neben Israel entstehen, der den Menschen in Israel und Palästina ein Leben in Sicherheit und Frieden garantiert.

Mauer „trennt Palästinenser von Palästinensern“

Auf seiner Reise besuchte der Papst wichtige heilige Stätten in der Altstadt Jerusalems wie die al-Aqsa-Moschee und den Felsendom. In Bethlehem unweit von Rachels Grab unterbrach er seine Reise, um an der Sperrmauer zu beten. 

Younan hob hervor, wie wichtig es gewesen sei, dass der Pontifex während seines Besuchs nicht nur mit bedeutenden Amtspersonen gesprochen habe, sondern auch direkt die Lebenswirklichkeit der einfachen Menschen direkt erfahren habe. „Die Realität ist, dass diese Mauer nicht nur Palästinenser und Israelis voneinander trennt, sondern auch Palästinenser von Palästinensern. Sie hält Palästinenser von ihrem Land fern“, sagte Younan. „Ich glaube, Papst Franziskus hat für den Fall dieser Mauer gebetet, und ich bete mit ihm. Ich hoffe, dass alle Menschen guten Gewissens mit ihm darum beten, dass diese Mauer abgerissen wird, dass diese Mauer des Hasses fällt und zu einer Brücke für Gerechtigkeit und Versöhnung zwischen Palästinenserinnen und Palästinensern und Israelis wird.“  

„Der Papst hat die Komplexität der Situation verstanden, insbesondere durch die Gespräche, die er in Bethlehem beim Mittagessen mit palästinensischen Familien führen konnte“, erzählte Younan. „Für mich ist wichtig, dass der Papst selbst sehen konnte, mit welchen Problemen das palästinensische Volk leben muss.“  

Neue Impulse für die Ökumene

Younan weiss auch die Worte von Papst Franziskus zu schätzen, die er während seines Besuchs an die christliche Bevölkerung im Nahen Osten gerichtet hat. „Papst Franziskus sagte unmissverständlich, dass die Christinnen und Christen, die seit mehr als 2.000 Jahren im Nahen Osten unter teilweisen schwierigen Umständen Zeugnis abgelegen, eine wichtige Rolle in ihren Gesellschaften spielen und dass ihre Rolle in diesem Teil der Welt nicht übersehen werden sollte“, sagte Younan. „Ich glaube, dass dies vor allem die arabischen Christinnen und Christen unterstützt, die im Nahen Osten Zeugnis für ihren Glauben ablegen.“

Younan wies auch auf die besondere ökumenische Bedeutung des Papstbesuchs hin. „Das Treffen mit dem Ökumenischen Patriarchen in der Grabeskirche hat der Ökumene in Jerusalem neue Impulse gegeben. In Jordanien hat König Abdullah II eine Rede über die christlich-muslimischen Beziehungen gehalten und die wichtige Rolle Jordaniens für die Förderung dieser Beziehungen hervorgehoben. Auf dem al-haram asch-scharif, dem Tempelberg, wurde dieses Gefühl des gegenseitigen Vertrauens bei dem Treffen zwischen Papst Franziskus und dem Grossmufti von Jerusalem deutlich spürbar.

Das Treffen gab den Beziehungen zwischen Menschen muslimischen und christlichen Glaubens neuen Aufwind und ich hoffe, dass diese Begegnung dazu beiträgt, die weltweite Angst vor dem Islam zu überwinden. Gleichzeitig hoffe ich, dass das Treffen zwischen Papst Franziskus und den beiden Grossrabbinern Israels für die jüdische Seite dazu führt, den Antisemitismus zu bekämpfen und die christlich-jüdischen Beziehungen zu verbessern“, sagte Younan.