Nigeria: Tödlichen Konflikt beenden

Mitglieder der Delegation des Bündnisses der nigerianischen Zivilgesellschaft und LWB-Personal in Genf. Foto: LWB/S. Gallay

LCCN und zivilgesellschaftliche Gruppen fordern politisches Eingreifen gegen Menschenrechtsverletzungen

Genf (LWI) – Die Mitglieder eines nigerianischen zivilgesellschaftlichen Bündnisses der Numan Federation haben die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen aufgefordert, mehr Druck gegenüber der Regierung aufzubauen und sie zu bewegen, die tödlichen Auseinandersetzungen zwischen den landwirtschaftlichen Gemeinschaften und den nomadisierenden Fulani-Viehhaltern zu beenden.

Der Lutherische Weltbund (LWB) hat die Delegation eingeladen, deren Mitglieder dem Adamawa United Forum (AUF) und der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria (LKCN) angehören. Diese Gruppe nimmt auch am Universellen Periodischen Überprüfungsverfahren (UPR) für Nigeria vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf teil.

Die nigerianische Regierung sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, sie sei nicht in der Lage, die Ackerbauern in den nördlichen und zentralen Gebieten des Landes zu schützen. In dem seit Jahren anhaltenden Konflikt stehen sich die Fulani-Nomaden und die indigenen, in der Numan Federation organisierten Bevölkerungsgruppen gegenüber.

Zu der Delegation unter der Leitung von LKCN-Bischof Dr. Peter Bartimawus gehören das frühere LWB-Ratsmitglied und AUF-Koordinatorin Titi Malik, der Rechtsanwalt Leonard Nzadon, der Historiker Dr. Giscard Norris Stanley sowie Felix Samari, der für die LKCN arbeitet.

In den vergangenen zwei Jahren haben die Angriffe durch die Fulani-Viehhalter eine neue Eskalationsstufe erreicht. Nach Aussagen von Stanley habe er im Februar 26 Mitglieder seiner Familie verloren, Nzadon beklagt den Verlust zweier Brüder. Seit 2016 sind mehr als 500 Menschen auf beiden Seiten ums Leben gekommen, erst im Oktober gab es 30 Tote in der Verwaltungszone Lamurde.

Straffreiheit für die Täter

Im Bundesstaat Adamawa leben 4,3 Millionen Menschen, davon 123.000 in der aus zahlreichen Ethnien zusammengesetzten Numan Federation, in der zahlreiche Angriffe stattfinden und wo sich auch der Sitz der LKCN befindet. Die Delegation ist der Meinung, dass die Regierung tendenziell auf der Seite der Fulani-Viehzüchter steht, und klagt die Behörden an, dass sie die Täter straffrei davonkommen lasse.

Gäbe es die Kirche nicht, wäre das menschliche Leid wahrscheinlich noch unermesslicher. „Die Regierung schützt die vorwiegend muslimischen Fulani, während sich die sesshafte indigene Bevölkerung auf die Kirche verlässt. Die kirchlichen Organisationen sind am stärksten involviert“, fügte Nzadon hinzu.

Nach Aussage der Delegation werden die Viehzüchter von Gruppierungen aus anderen Ländern unterstützt und sind schwer bewaffnet. Sie suchen nach Wasserstellen für ihr Vieh. Da aber die sich immer weiter ausbreitende Sahara vor Weideland nicht haltmacht, nehmen sich die Fulani einfach das Land der Ackerbauern und schrecken auch vor Vergewaltigungen und Mord nicht zurück. Auf diese Weise ist eine normale Ernte nicht mehr möglich, so dass bereits Lebensmittelknappheit droht.

Das UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Angelegenheiten hat die Krise im Nordosten Nigerias als einen der schwersten Konflikte weltweit beschrieben – 7,7 Millionen Menschen brauchen 2018 in den am schwersten betroffenen Bundesstaaten, darunter auch Adamawa, humanitäre Hilfe.

„Die Regierung muss sich an die Gesetze halten“

Die Mitglieder des zivilgesellschaftlichen Bündnisses haben in Genf die diplomatischen Vertretungen der Regierungen besucht, die Entwicklungshilfe für Nigeria leisten, und sie gebeten darauf zu bestehen, dass sich das Land an seine eigenen Gesetze hält.

„Die Regierung muss die Gesetze respektieren, die sie selbst erlassen hat. Das Gesetz muss befolgt werden und die Basis für das Vertrauen der Bevölkerung sein“, sagte Nzadon. Eines der Themen, die während der Advocacy-Treffen angesprochen wurden, war die Verpflichtung Nigerias, sich an seine Bundesverfassung zu halten. Als Beispiel nannten sie Nominierungen für Positionen in öffentlichen Entscheidungsgremien und Sicherheitskräften, die die Vorgabe, dass die Mitglieder in diesen Institutionen alle Bundesstaaten und ethnischen Gruppen repräsentieren müssen, nicht berücksichtigen.

Traumatische Folgen für Frauen und Mädchen

Laut Erkenntnis der Delegation sind die Kirchen für sich allein genommen die größte Gruppe, die die Opfer von Gewalt in dieser Region unterstützt. Die LKCN, so berichtet Malik, versorge die Opfer mit Hilfsgütern, um das durch die Krise verursachte Leid zu mildern. „Wenn die Viehhirten die Dörfer angreifen, werden viele Frauen zu Witwen und Kinder zu Waisen. Es ist die Kirche, die zuerst vor Ort ist und den Menschen hilft und sie unterstützt. Da es keinen Schutz gibt, werden die Frauen sexuell missbraucht. Einige werden entführt, einige werden nach wie vor vermisst. Viele sind gestorben, und einige durchleben ihr Trauma auch heute noch immer wieder.“

Sie berichtete, dass Mädchen auf dem Weg zur Schule entführt würden, wobei einige der Kidnapper Lösegeld verlangten, bevor sie ihre Opfer wieder freiließen. Einige der Mädchen würden jedoch trotzdem getötet. Einige überlebten die Folgen der Vergewaltigungen nicht, die sie durchleiden.

Samari sagte, dass fünf Diözesen der Lutherischen Kirche betroffen seien, wobei die gesamte Diözese Todi die schlimmsten Untaten erlebt habe. „Wenn es um Verletzte oder Tote in dieser Diözese geht oder um zerstörte Kirchen, dann ist immer die LKCN betroffen. Unsere Kirche ist die Hauptleidtragende dieser Konflikte“, stellte er fest.

Prophetische Stimme

Die Menschen in Numan sehen jetzt einer bedrohlichen Lebensmittelknappheit entgegen, da die Landwirtschaftsbetriebe keine Saat ausbringen konnten. Auch die Gastgebergemeinschaften leiden.

Malik forderte die lutherische Gemeinschaft zum Gebet auf. „Es ist gut, dass die Mitglieder der Gemeinschaft und die Kirche als Leib Christi nicht nachgegeben oder aufgegeben hat und sich weiterhin mit Gebet und Taten für den Frieden in diesem Gebiet einsetzt.“

Die Kirche hilft sowohl Menschen muslimischen als auch christlichen Glaubens, die von dem Konflikt betroffen sind. „Trotz der Tatsache, dass die Kirche die schwerste Last auf ihren Schultern trägt, hat sie immer ihre Hand in Freundschaft ausgestreckt und mit prophetischer Stimme verkündet, dass wir der Hüter unserer Geschwister sein müssen. Das hat sich nicht geändert. Im Gebet müssen wir dafür sorgen, dass diejenigen, die leiden, sich nicht allein gelassen fühlen“, fügte Malik hinzu.