Neue Narrative über Inklusion und Gleichstellung

Die Podiumsteilnehmerinnen Marcia Blasi, Elitha Moyo, Tamar Haddad und Liria Preciado der CSW-Veranstaltung zum Thema "Women of Power: Leading together for a better future". Fotos: LWB/Johanan Celine Valeriano; LWB/Albin Hillert; Privat; IELCO

LWB als Anwalt für Gendergerechtigkeit auf der 65. Sitzung der UN Frauenrechtskommission

NEW YORK, USA/GENF (LWI) – Ob zu Zeiten alter griechischer Mythologie oder heute in der Politik des 21. Jahrhunderts – Frauen wurden gewohnheitsmäßig zum Schweigen gebracht, unterdrückt und von der öffentlichen Wahrnehmung ausgeschlossen. Heute haben es sich die Kirchen und aus dem Glauben handelnde Organisationen zur Aufgabe gemacht, solche hartnäckigen patriarchalen Haltungen und Handlungen in Frage zu stellen, und sind so zu einer Determinante des Wandels auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene geworden.

In diese Richtung ging auch der dringende Aufruf der für Gleichstellungsfragen zuständigen Delegierten aus Brasilien, Simbabwe, Palästina und Kolumbien, die an einer Podiumsdiskussion auf der 65. Sitzung der UN Frauenrechtskommission (CSW65) teilgenommen haben. Die Veranstaltung vom 16. März hatte den Titel „Women of Power:  Leading together for a Better Future“ („Machtvolle Frauen: gemeinsam führen für eine bessere Zukunft“) und wurde organisiert vom Lutherischen Weltbund (LWB) und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika (ELKA). Der LWB hat eine große Delegation zur CSW65 entsandt. Hauptthemen der Sitzung sind die Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben, die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt und die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen.

Zu den Podiumsgästen gehörte Marcia Blasi, Pfarrerin der Evangelischen Kirche Lutherischen Bekenntnisses in Brasilien (IECLB). Blasi ist vor kurzem zur neuen LWB-Programmreferentin für Gendergerechtigkeit und Frauenförderung ernannt worden. In ihrer Funktion als Theologieprofessorin und Koordinatorin des Gender- und Religionsprogramms an der Faculdades EST in São Leopoldo wies sie auf den „Rückschlag“ für Frauenrechte in Brasilien hin, der seit einigen Jahren zu beobachten ist.  Konservative Kirchen, so berichtete sie, hätten sich mit populistischen Politikern „verbündet“, um das „verstaubte Narrativ, das Frauen auf ihren Platz in der Gesellschaft verweist und sie klein hält“, weiterhin zu zementieren.  

Blasi sagte: „Theologische Institutionen und fortschrittliche Kirchen sind aufgefordert, sich zu Wort zu melden „und neue Narrative zu erzählen, indem sie Frauen auffordern, die Bibel aus einer feministischen Perspektive und in ihrem zeitgenössischen Kontext“ zu lesen. Im vergangenen Jahr hat ihre Kirche während der COVID-19-Pandemie eine Kampagne für „ein Heim ohne Gewalt“ unterstützt, eine Hotline eingerichtet und kostenlose Workshops angeboten, um etwas gegen häusliche Gewalt zu unternehmen. Oftmals „werden Feminismus und Genderfragen“ als ein Übel dargestellt“, sagte sie, aber „es gibt uns Hoffnung, dass wir die Bibel gemeinsam lesen.“

Pfarrerin Elitha Moyo, Koordinatorin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Simbabwe (ELCZ) für Gendergerechtigkeit, sieht es als dringende Aufgabe der Kirchen an, die Regierungspolitik in Frage zu stellen. Frauen müssten sich zudem ein „tieferes Verständnis der Schrift“ aneignen. „Selbst Menschen, die nicht zur Kirche gehen, zitieren die Bibel, um schädliche Geschlechter-Stereotypen zu verfestigen“, sagte sie. Die ELCZ unterstützt Frauen durch Advocacy-Arbeit und Resilienztraining sowie durch Vermittlung von Fähigkeiten zur Verbesserung der Lebensumstände und Beratungen über Möglichkeiten, „Missbrauchsfälle mit Hilfe von Systemen für Überweisungswege aufzugreifen.“

Advocacy-Arbeit und Resilienztraining

Als Teil der Führungsstruktur der National Women‘s Coalition of Zimbabwe, so Mojo, „machen wir immer wieder auf das Problem Frauen und Landbesitz aufmerksam“, denn „bisher haben nur wenige Frauen“ von dem Landreformprogramm profitiert. Zwar hat die Regierung ein neues Gesetz für die Landverteilung vorgelegt, aber, so berichtet Mojo, „so gut wie keine Frau in den ländlichen Regionen Simbabwes hat Zugang zu Informationen oder eine Idee, was sie unternehmen soll.“ Die Kirche „ist auch in weit abgelegenen Regionen präsent und kann helfen, der Gemeinschaft zu erklären, was Gesetze bedeuten.“

Podiumsgast Tamar Haddad, Studentin der California Lutheran University und Autorin des Buches „The Future of Palestine: How Discrimination Hinders Change“, sprach über das anhaltende Problem der Ehrenmorde in ihrer Region. Sie wies darauf hin, dass im letzten Jahr etwa 90 Frauen in Jordanien und Palästina ermordet worden seien, weil „sie die Familienehre verletzt haben“, und dass sie ihr Buch wegen einer Freundin geschrieben habe, die Opfer eines solchen Ehrenmordes wurde.

Haddad, die ebenfalls Projekte für den Aufbau von Führungskompetenzen entwickelt und durchführt, sprach über die überwältigende Unterstützung, die sie durch das International Women Leaders Program der ELCA und auch durch ihre eigene Kirche erhalten habe, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land. „Mein Land ist sehr religiös“, sagte sie. „Kirchen spielen daher eine sehr, sehr wichtige Rolle, um Unterdrückung und Leid der Frauen zu beenden.“

Stärkung des Selbstwertgefühls

Eine vierte Podiumsteilnehmerin, die die wichtige Rolle der Kirche bei der „Veränderung tief verwurzelter patriarchalischer Denkmuster“ betonte, war Liria Preciado, Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirche Kolumbiens. Sie berichtete über die Arbeit ihrer Kirche, die Frauen, Heranwachsende und Kinder begleitet und versucht, die „Distanzen zwischen Männern und Frauen“ abzubauen und so geschlechtsspezifische Gewalt zu verringern.

Patriarchalische Narrative hätten in ihrem Land, so Liria, den Glauben der Frauen an sich selbst beschädigt. Deshalb besteht ein großer Teil ihrer Arbeit darin, „das Selbstwertgefühl der Frauen zu stärken“ und ihnen zu vermitteln, dass „sie von Gott geliebt werden und wertvolle Mitglieder der Gesellschaft sind.“ Gleichzeitig muss die Kirche Frauen dabei unterstützen, Kompetenzen zu erwerben, und sie muss die Regierung auffordern, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen.

Die Podiumsgäste wiesen darauf hin, dass es in der Zeit nach der Pandemie eine signifikante Chance geben könnte, neue kulturelle Narrative zu etablieren und Frauen die Möglichkeit zu geben, Führungspositionen auf allen Ebenen der Kirche und der Gesellschaft zu übernehmen. „Als Lutheraner und Lutheranerinnen“, sagte die Diskussionsleiterin Mary Streufert, bei der ELCA Leiterin des Referats für Gerechtigkeit für Frauen, „glauben wir, dass Gott alle Menschen so geschaffen hat, dass sie sich am öffentlichen Leben beteiligen und sie auch dazu auffordert, und dass sie vor Gewalt geschützt sind.“

Von LWB/P. Hitchen. Deutsche Übersetzung Detlef Höffken, Redaktion LWB/A. Weyermüller

 

Der Lutherische Weltbund nimmt an der CSW mit einer Delegation von mehr als 70 Mitgliedern aus mehr als 30 Ländern teil und bringt dort die Stimmen der Frauen und Männer zu Gehör, die sich in verschiedenen Teilen der Welt für Gendergerechtigkeit einsetzen. Koordiniert vom Lutherischen Büro für Weltgemeinschaft in New York, nutzen die Delegierten die CSW für Advocacy-Arbeit bei Regierungsdelegationen und nehmen an zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen mit ökumenischen und interreligiösen Partnern teil.