Neue Fluchtwelle vom Südsudan nach Uganda

Flüchtlinge kommen in der Sammelstelle Elegu an. Foto: LWB/ P. Kikomeko

Mehr als 12 000 Flüchtlinge in LWB-Aufnahmelagern

ADJUMANI, UGANDA/GENF, 21. Juli 2016 (LWI) – Nach heftigen Kämpfen im Südsudan suchen tausende Menschen Zuflucht im Nachbarland Uganda. Die Mehrzahl der Flüchtlinge reist über die Sammelstelle Elegu ein, die sich an der Grenze zwischen Südsudan und Uganda befindet und seit Dezember 2013 vom Lutherischen Weltbund (LWB) verwaltet wird.

„Über fünf Stunden hatten wir einen ununterbrochenen Zustrom von Neuankömmlingen. Wir standen am Tor der Sammelstelle und haben die Leute eine Stunde lang gezählt: durchschnittlich kamen pro Minute 41 Personen herein, also rund 2 400 pro Stunde“, berichtet LWB-Mitarbeiterin Betty Lamunu. Zwischen dem 17. und dem 21. Juli hat der LWB mehr als 12 000 Flüchtlinge aufgenommen, wobei am 21. Juli mit über 7 000 Neuankömmlingen der Höchststand erreicht wurde. Das Team erwartet in den kommenden Tagen einen weiteren Anstieg dieser Zahlen. Auf Fragen der LWB-Mitarbeiter nach den Gründen für ihre Flucht nach Uganda nennen die Flüchtlinge vor allem die Gefährdung ihrer Sicherheit, Kämpfe, Folterungen, Zwangsrekrutierung von Jugendlichen, Plünderungen und Hunger.

Verzweifelt, ausgezehrt, traumatisiert

Der Flüchtlingsstrom ist das Ergebnis neuerlicher heftiger Zusammenstöße in der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Berichten zufolge wurden bei den Kämpfen zwischen rivalisierenden bewaffneten Gruppen hunderte Menschen – meist Soldaten – getötet. In der Bevölkerung steigt die Angst vor einem erneuten offenen Konflikt. Am 4. Juli scheiterte ein Friedensabkommen zwischen dem südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir und seinem Vizepräsidenten Riek Machar. Seither ist die Sicherheitslage kritisch. Letzte Woche wurden die LWB-Mitarbeiter nach Hause geschickt beziehungsweise evakuiert. Das Juba-Büro des LWB wurde vorläufig nach Nairobi, Kenia,  verlagert.

Am 14. Juli hatte ein ugandischer Militärkonvoi die Grenze zum Südsudan überquert, um in Juba ansässige ugandische Staatsangehörige zu evakuieren. Der aus 50 Lastwagen bestehende Konvoi löste die Flüchtlingswelle aus, die jetzt nach Uganda strömt. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen UNHCR erwartet, dass besonders nach Aufhebung aller Kontrollpunkte auf der 200 Kilometer langen Straße zwischen Juba und Nimule, die die südsudanesische Hauptstadt mit Uganda verbindet, noch mehr Menschen nach Uganda fliehen werden. Eine Folge dieser Situation ist, dass jetzt mehr Flüchtlinge per Lastwagen kommen. Die Neuankömmlinge fliehen zumeist aus dem Bundesstaat Ost-Äquatoria, eine kleinere Anzahl kommt aus Juba. Sie berichten, dass die Sicherheitslage unbeständig bleibt und dass die Kämpfe jederzeit wieder aufflammen können.

Adjumani in Norduganda ist das Hauptziel der südsudanesischen Flüchtlinge. Der LWB nimmt die Neuankömmlinge weiterhin am Grenzpunkt Elegu in Empfang und stellt Notunterkünfte bereit, in denen die Menschen auf Registrierung und Transport warten können. Der LWB sorgt auch für Hygiene an der Sammelstelle; er verteilt Seife und Hygieneartikel an alle Haushalte sowie Päckchen mit Hygieneprodukten für Frauen und Mädchen. Auch kümmert er sich um besonders bedürftige Personen wie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Kinder, die von ihren Eltern getrennt wurden, Personen mit Behinderungen und Opfer sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt.

In Elegu wurde auch eine Anlaufstelle für die psychosoziale Begleitung in besonders schweren Fällen geschaffen. Nach Angabe von LWB-Mitarbeitern sind die Flüchtlinge verzweifelt, ausgezehrt nach tagelangen Märschen ohne Essen und traumatisiert. Lamunu erzählt vom Schicksal eines 12jährigen Mädchens, das zu Beginn der Kämpfe im Internat war. Als es nach Hause kam, fand es beide Eltern verbrannt in ihrem Haus vor. Es gibt auch Kinder, die von ihren Nachbarn mitgebracht wurden und nicht wissen, ob ihre Eltern noch leben. „Vielleicht sind einige von ihnen zu jung, um zu begreifen, was um sie herum geschieht, aber in ihrem Herzen wissen sie, dass etwas Schlimmes passiert ist“, sagt sie.

Verstärkter Zustrom erwartet

Im Juni 2016 wurden in Uganda 228 250 südsudanesische Flüchtlinge gezählt, wovon 137 929 in der Flüchtlingssiedlung Adjumani leben, in der der LWB etwa 60 Prozent der Flüchtlingsbevölkerung mit Wasser und sanitären Anlagen versorgt sowie ihnen Schutz und andere lebensrettende Maßnahmen bietet. Ein weiterer Standort wurde gefunden, der bis zu 22 000 Flüchtlinge aufnehmen kann. Zurzeit leben dort 10 000 Menschen. Wahrscheinlich wird er innerhalb kurzer Zeit seine Kapazitätsgrenze erreicht haben wird. Aufgrund des massiven Zustroms von Menschen gibt es jetzt erhebliche Versorgungslücken in den Kernbereichen WASH (Wasser/sanitäre Anlagen/Hygiene), Unterkunft, grundlegende Hilfsgüter und Schutz. „Es wird wichtig sein, sich um die dringenden Bedürfnisse der Neuankömmlinge zu kümmern und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sich die Situation der großen Zahl südsudanesischer Flüchtlinge stabilisiert, die bereits in Adjumani leben“, sagt LWB-Ländervertreter Jesse Kamstra.

„Die Flüchtlinge, die hier ankommen, bestätigen unsere Vermutung, dass in den kommenden Wochen ein starker Flüchtlingsstrom nach Uganda zu erwarten ist. Schnelles Handeln und lebensrettende Maßnahmen müssen in der heutigen, sich schnell verschlechternden Situation unbedingt Priorität erhalten.“

Das LWB-Länderprogramm in Kenia hat sich ebenfalls auf steigende Flüchtlingszahlen eingestellt. Der LWB verwaltet das Aufnahmezentrum im Flüchtlingslager Kakuma, in dem hauptsächlich Flüchtlinge aus dem Südsudan leben, sowie das Übergangslager an der Grenze zwischen Kenia und dem Südsudan. Da die Grenze zu Kenia weiter von Juba entfernt ist, gehen die LWB-Mitarbeiter davon aus, dass die Flüchtlinge viel später dort ankommen werden.