Nepal: Gerüstet für Hilfe im Notfall

Teilnehmende eines Workshops in Nepal im Dezember 2019 entwickeln Ideen, wie das Pilotprojekt „Kirchen und Katastrophen“ in den beiden Zielgemeinschaften durchgeführt werden kann. Foto: LWF/NELC

Neues LWB-Programm für Notfälle und Naturkatastrophen

Kathmandu, Nepal/Genf (LWI) – Als am Morgen des 25. April 2015 ein Erdbeben der Stärke 7,8 die Landesmitte und den Osten Nepals erschütterte, erinnerte sich Pfr. Marandi Patras, Generalsekretär der Evangelisch-Lutherischen Kirche Nepals (NELC), an den Workshop des Lutherischen Weltbundes (LWB), an dem er im Vorjahr in Kambodscha teilgenommen hatte.  Thema des Workshops waren die Vorbereitung auf Katastrophenfälle und Nothilfemassnahmen. Dort lernte Patras, wie er seiner Kirche helfen konnte, um in solchen Naturkatastrophen richtig zu reagieren. Diese Kenntnisse erwiesen sich als äusserst hilfreich, als die NELC nach dem Erbeben damit begann, Geld einzusammeln und betroffene Gemeinschaften zu unterstützen.

„Es ist uns gelungen, zahlreichen Menschen zu helfen, aber gleichzeitig hat das Erdbeben auch gezeigt, dass die Kirche ganz allgemein nicht gut auf einen solchen Notfall vorbereitet war“, erinnert sich Pfr. Patras. Ein grosses Problem sei die isolierte Lage zahlreicher betroffener Gemeinschaften gewesen, so Patras, weshalb es schwierig gewesen sei, die Überlebenden zu erreichen und ihnen rechtzeitig zu helfen. In den Gemeinschaften gab es keine Lebensmittelvorräte oder Hygiene-Sets, und die  am stärksten Betroffenen waren über mehrere Tage von der Umwelt abgeschnitten und ohne Zugang zu Nahrungsmitteln oder anderen lebensrettenden Ausrüstungen. Dem Erdbeben fielen fast 9.000 Menschen zum Opfer, mehr als 22.000 Menschen wurden verletzt.

Im Dienste aller ethnischen und religiösen Gemeinschaften

Die NELC hat viel aus diesen Erfahrungen gelernt. Mit Hilfe des LWB-Weltdienstprogramms in Nepal hat die Kirche ihre Fähigkeiten verbessert, sich auf derartige Tragödien vorzubereiten und sie zu bewältigen. Als im August 2017 weite Teile des Landes von Überschwemmungen betroffen waren, konnte die NELC deutlich schneller und effizienter reagieren.

Wie die lutherischen Kirchen in zahlreichen anderen Ländern sieht es auch die NELC als Teil ihrer diakonischen Tätigkeit als ihre Aufgabe an, für die schutzbedürftigsten Menschen da zu sein, ungeachtet ihres ethnischen oder religiösen Hintergrunds. Kirchenpräsident Pfr. Joseph Soren bekräftigt, dass Menschen in ihrer äusserten Not zunächst und vor allem Hilfe bei ihrer örtlichen Kirche suchen: „Lange vor der Ankunft humanitärer NGOs und ihres Einsatzpersonals können die örtlichen Kirchen die Schäden einschätzen und die vorhandenen Hilfsgüter wie Nahrungsmittel, Wasser und Zelte verteilen und die medizinische Erstversorgung übernehmen.“

Kleine Gruppe während eines Workshops in Nepal im Dezember 2019 entwickeln Ideen, wie das Pilotprojekt „Kirchen und Katastrophen“ durchgeführt werden kann. Foto: LWF/NELC
Kleine Gruppe während eines Workshops in Nepal im Dezember 2019 entwickeln Ideen, wie das Pilotprojekt „Kirchen und Katastrophen“ durchgeführt werden kann. Foto: LWF/NELC

Ende 2019 haben sich Delegierte der Kirche mit den Mitarbeitenden des LWB-Weltdienstes getroffen und mit ihnen darüber gesprochen, wie diese Erfahrungen und Kenntnisse im Rahmen eines neuen LWB-Programms mit dem Titel „Kirchen und Katastrophen“ weiter vertieft werden können. Ab 2020 unterstützt der LWB seine Mitgliedskirchen beim Aufbau nachhaltiger Strukturen als Vorbereitung auf Katastrophenfälle und ihre Bewältigung. In enger Zusammenarbeit mit Fachleuten des LWB-Weltdienstes vor Ort werden Kirchen in Nepal, Myanmar und Kamerun das Programm als Pilotprojekt in zwei Gemeinschaften je Land umsetzen.

Landwirte bringen Saatgut zu der von LWB Nepal in der Gemeinde Rangeli eingerichteten Saatgutbank. Die NEWLC plant ähnliche Saatgutbanken in den beiden Pilotgemeinschaften. Foto: LWB Nepal
Landwirte bringen Saatgut zu der von LWB Nepal in der Gemeinde Rangeli eingerichteten Saatgutbank. Die NEWLC plant ähnliche Saatgutbanken in den beiden Pilotgemeinschaften. Foto: LWB Nepal

In Nepal befinden sich die beiden vorwiegend nicht-christlichen Pilot-Gemeinschaften direkt an Flussläufen, sie sind deshalb regelmässig jedes Jahr von Überflutungen betroffen. NELC-Delegierte und LWB-Personal vor Ort haben die Gemeinschaften im Januar 2020 besucht und einen jährlichen Umsetzungsplan ausgearbeitet. Neben Advocacy-Initiativen auf nationaler Ebene und regelmässigen Schulungen in zwei Zielgemeinschaften über Risikoreduzierung in Katastrophenfällen, Erste Hilfe und psychosoziale Unterstützung ist ebenfalls der Aufbau von Saatgutbanken für diese Gemeinschaften ein fester Bestandteil dieses Plans.

„Abgesehen von der Wasser- und sanitären Grundversorgung sowie der Errichtung von Notunterkünften ist der weitere wichtige Faktor des Überlebens nach einer Naturkatastrophe die Versorgung mit Nahrungsmitteln“, erklärt Gopal Dahal, Koordinator des LWB-Weltdienstprogramms für Krisenbewältigung und Risikoreduzierung in Nepal. „Aus diesem Grund wollen wir in den beiden Zielgemeinschaften einen Mechanismus etablieren, damit Menschen direkt nach einer Katastrophe Zugang zu Nahrungsmitteln haben, bis Hilfe von aussen eintrifft.“

Die Kirche plant, während der nächsten Erntezeit von den Landwirten kleine Mengen an Saatgut entgegenzunehmen, abhängig von der Grösse das Ackerlandes und der Produktion. Dieses Saatgut wird dann im Katastrophenfall an die bedürftigsten Familien ausgegeben. Wenn es im Laufe eines Jahres zu keiner Katastrophe kommt, wird der gesammelte Saatgutbestand zum Zeitpunkt der nächsten Ernte verkauft, und ein neuer Vorrat wird angelegt. Der Ertrag fliesst in einen lokalen Notfallfonds, wobei das Geld durch einen inklusiven gemeinschaftlichen Ausschuss verwaltet wird.

Pfr. Petras sieht der Durchführung des Programms  „Kirchen und Katastrophen“ dieses Jahr mit Zuversicht entgegen und freut sich darauf, die in Nepal gewonnenen Erfahrungen an Kirchen aus den anderen Zielländern Kamerun und Myanmar weiterzugeben. „Wir wünschen uns autarke Gemeinschaften, die sich des Katastrophenrisikos bewusst sind und vorbereitet sind, wenn eine Notlage eintritt. Die Kirche kann in diesen Kontexten zu einem Zeugnis werden, indem sie den Bedürftigen mit ihrer diakonischen und spirituellen Arbeit die Hand reicht.“