Mut zum Sein

Gedenkstein für die zwölf ermordeten Herero auf dem Friedhof in Windhuk. Foto: LWB/H. Martinussen

Ostergedanken von Pf. Silvio Schneider

An einem Sonntagnachmittag vor einigen Wochen besuchten die Teilnehmer des Vorbereitungskomitees der Zwölften LWB-Vollversammlung drei Friedhöfe in Windhuk, um etwas über die Geschichte der Befreiung Namibias zu lernen.

Der erste Friedhof war gut gepflegt. Er war für die weiße Bevölkerung bestimmt. In der Zeit der Apartheid wohnte diese in einem Villenviertel, das bis heute ironisch “Beverly Hills” genannt wird.

Da die Einheimischen gewaltsam gezwungen worden waren, sich in einem abgesonderten Bereich an der Peripherie der Stadt anzusiedeln, mussten sie auch ihren eigenen Friedhof haben. Er sieht nicht so schön aus, wird aber immerhin von der Kommune instand gehalten. Die Menschen, die in seiner Umgebung wohnten, waren Söhne und Töchter aus Mischehen oder aus Beziehungen der Vertreter der Kolonialmacht mit einheimischen Frauen.

„Wo niemand wohnen möchte“

Geht man noch etwas weiter aus der Stadt hinaus, findet man schliesslich den Friedhof der armen Afrikaner. Er befindet sich in der Gemeinde Katutura, das bedeutet „der Ort wo niemand wohnen möchte“. Am Eingang des Friedhofs sieht man ein Massengrab. Am 10. Dezember 1959 wurden 12 Namibier erschossen, weil sie sich geweigert hatten, noch weiter umzuziehen. Sie wurden Opfer der Gewalt des Apartheidsregimes. Ihr Grab ist heute ein Denkmal, sie selbst werden als Helden verehrt. Sie haben ihr Leben geopfert um die menschliche Würde zu bezeugen und auf diese Weise dazu beigetragen, dass Namibia vor 25 Jahren unabhängig wurde.

Der Versuch, Menschen auch noch nach dem Tod unterschiedlich einzustufen und sie zu trennen – heute mehr nach ihren sozialen Status, damals wegen ihrer Hautfarbe und Kultur - gehört zu einer Überzeugung, dass der Tod und alles was mit ihn verbunden ist das letzte und entscheidende Wort hat. Diese Trennung steht für die Überzeugung, dass ein Land und seine Menschen durch Gewalt und Terror regiert werden können.

Gleichzeitig wurde den Besuchern aber auch vom Beitrag der Christen und der weltweiten Begleitung und Unterstützung der Ökumene an der Befreiung und dem Aufbau des Landes erzählt. Der Glaube an Christus hat Hoffnung und Stärke erweckt. Der Glaube an den auferstandenen Christus, hat den Tod besiegt und Frieden und Gerechtigkeit als Gottes Wille für alle Menschen bestätigt.

Die Osterbotschaft wird durch das erste urchristliche Bekenntnis bekannt gegeben: Jesus Christus lebt. Er ist gestorben und war begraben, doch die Hand Gottes holte ihn ins Leben zurück. Er ist auferstanden (1.Kor 15:3-5). Der Herr ist auferstanden.

Eine andere Wirklichkeit

Mit dieser Botschaft ist eine andere Wirklichkeit in diese Welt herein gebrochen. Diese Wirklichkeit Gottes schenkt eine wunderbare Lebenszuversicht und eine wirksame, kraftvolle Hoffnung. Sie schenkt dem Glaubenden Mut, nie aufgeben sondern dem Leben zu vertrauen. An den Grenzen des Lebens und in allen Situationen, wo Leiden und Lebensgefahr auf den Tod als letzte Grenze hinzeigen, lautet das Bekenntnis vom Sieg des Lebens über den Tod: Er ist auferstanden! Christus lebt!

Mit der Auferstehung Jesu ist auch uns gegeben, gelassener und vertrauter mit unseren eigenen Begrenzungen umzugehen, in dem Bewusstsein, dass wir nicht für immer auf dieser Erde sind. Und wenn wir hingehen können wir uns tragen lassen wie Lazarus (Lukas 16, 22), auf Händen getragen, damit “dein Fuß nicht an einen Stein stosse” (Psalm 91, 12) und sich niemand in der Richtung irrt. Denn, so sagt der Auferstandene: Es geht zum Vater! Bei ihm laufen alle Wege zusammen. Der Schöpfer erwartet zurück, was sein ist. Der uns in diese Welt gesetzt hat, der holt uns auch heim. Der Himmel ist kein Ort, der Himmel ist eine Person: wir versammeln uns an der Quelle des Lebens, bei Gott.

Der Beginn der Ewigkeit

“Er ist auferstanden!“ Der Sieg des Lebens über den Tod ist eine außergewöhnlich frohe Botschaft! Sie will uns tragen, ermutigen, und hoffen lassen. Es ist der Anbruch des Himmelreichs in dieser Welt, der Beginn der Ewigkeit in dieser Zeit. Seit der Zeit, als Jesus predigte und lehrte, Wunder tat und den Menschen die Liebe Gottes vorlebte, hat die Bewegung für das Leben und gegen den Tod eingesetzt.

Jesus lebt! Er ist auferstanden! Dennoch sind die tödlichen Gefahren weiterhin gegenwärtig. Das Leid der Menschen in unserer Nähe und in der Ferne trifft uns bis ins Herz. Und doch ist da die kaum zu begreifende Hoffnung und Lebenszuversicht, die sich immer wieder durchsetzt. Nämlich: dass es gut wird mit uns und unserer Welt, daß Gott es gut mit uns meint. Es geht um den Mut zum Sein, auch wenn die Lage noch so ausweglos erscheint.

Das ist die Wahrheit, die seit jenem Ostermorgen unverbrüchlich gilt. Das dürfen wir glauben. Voller Furcht, voller Zittern, wie damals die Frauen am Grab Jesu, und dennoch mit großer Freude.

Pf. Silvio Schneider ist der Interimsdirektor der LWB-Abteilung für Mission und Entwicklung (AME).