LWB-Solidaritätsbesuch in Nigeria

Die LWB-Delegation im Gespräch mit Binnenvertriebenen in Nordostnigeria. Foto: Jfaden Multimedia

„Ihr seid nicht vergessen, viele Menschen beten für euch“, sagt Generalsekretär Junge

(LWI) Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Pfr. Martin Junge, hat den LWB-Mitgliedskirchen in Nigeria einen Solidaritätsbesuch abgestattet. „Die Solidarität mit den Menschen und den Kirchen in Nigeria und unsere Liebe und Fürsorge für sie konnten wir nicht länger nur durch Telefonate und E-Mails bekunden“, sagte Generalsekretär Junge nach der Rückkehr von seinem Besuch vom 9. bis zum 13. März 2015. „Der LWB musste dort direkt vor Ort Präsenz zeigen und gegenüber den Kirchenleitenden bekräftigen, dass wir eine Gemeinschaft sind, in der ganz konkreten und praktischen Bedeutung dieses Wortes.“

Zu der LWB-Delegation gehörten ausserdem Pamela Oyieyo, LWB-Ratsmitglied, Carsten Bruhn-Lauritsen, Partnerkoordinator der Mission Afrika (DK), Pfr. Themba Mkhabela (Regionalvertreter der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Amerika), Frau Sylvia Raulo (Programmkoordinatorin der LWB-Abteilung für Mission und Entwicklung) und Frau Janet Faden. Ebenfalls mit dabei waren Titi Malik (LWF-Ratsmitglied) und Hamidja Jean-Claude (von der Lutherischen Gemeinschaft in Westafrika, LUCWA).

Im Anschluss an den Besuch will der LWB Möglichkeiten für die Unterstützung der nigerianischen Mitgliedskirchen abschätzen, damit diese ihrer Berufung in diesem Kontext weiter folgen können. „Die Lutherische Kirche Christi in Nigeria steht vor beträchtlichen seelsorgerischen, diakonischen und theologischen Herausforderungen“, sagte Junge. „In der Seelsorge aufgrund des allgegenwärtigen Gewalttraumas und der Aufgabe, Vertrauen wiederherzustellen. In der Diakonie wegen des Rufs, dem notleidenden Nachbarn zu helfen. In der Theologie schliesslich wegen der wichtigen Aufgabe zu definieren, wie die Kirche und ihre Mitglieder ihre Beziehungen mit Menschen anderer Glaubensrichtungen gestalten wollen”.

„Bewusste religiöse Homogenisierung“

Seit einigen Monaten zeigt sich der LWB zunehmend besorgt über die Situation im Nordosten Nigerias, wo das gewaltsame Vorgehen von Boko Haram zu Tod und Vertreibung besonders der christlichen Bevölkerung geführt hat. Der LWB hat zwei Mitgliedskirchen in Nigeria, die Lutherische Kirche Christi in Nigeria (LKCN) ist eine von ihnen. Sie ist in der Region fest verwurzelt und hat ihren Hauptsitz in Numan im Bundesstaat Adamawa. Viele LKCN-Mitglieder haben eine grosse Zahl von Binnenvertriebenen in ihren Häusern aufgenommen.

Der Besuch der LWB-Delegation fand während einer Periode intensiver politische Debatten über die bevorstehenden Präsidenten- und Parlamentswahlen statt. In Nigeria laufen zurzeit im Kampf gegen Boko Haram verstärkte militärische Aktionen des nigerianischen Militärs mit Unterstützung von Armeekräften aus dem Tschad, Kamerun und Niger.

Die Situation hat sich seit August beständig verschlimmert, als Boko Haram eine in ihrem Umfang beispiellose neue Welle von Angriffen begann. „Ich stand vor einer aus ihrem Heimatdorf vertriebenen Frau, die nur wenige Stunden zuvor ihr 14 Monate altes Kind aufgrund der hygienischen Bedingungen in ihrem improvisierten Flüchtlingslager verloren hatte“, erzählte Junge. „Ich sprach zu einer Frau, die mit ihren acht Kindern vor Boko Haram in den Süden fliehen musste und während ihrer dreitägigen Flucht ihren Vater verloren hat. Sie konnte ihn nicht einmal begraben”.

Abgesehen von dem Trauma, das Opfer und Zeugen der Grausamkeiten und Morde davontragen, hat die anhaltende Gewalt „schwere wirtschaftliche und soziale Folgen“, sagte Junge. „Die systematische Zerstörung christlicher Kirchen und die Zwangsbekehrungen sind Beweis für die umfassende religiöse Homogenisierung, die Boko Haram durchsetzen will.“

„Die gravierendsten Auswirkungen haben die Zerstörung des sozialen Gefüges und des Vertrauens zwischen unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften. In einer Region mit einer langen Tradition der Koexistenz auch innerhalb von Familien gibt es jetzt Angst und Ungewissheiten über die Zukunft dieses friedlichen Zusammenlebens.“

Ermutigende Zeichen der Solidarität

Die LKCN hat sich auf der Ebene der Diözese und der Gemeinschaft engagiert und unterstützt mehrere Flüchtlingslager auf unkonventionelle Weise. Viele LKCN-Mitglieder, darunter Pfarrer, Frauengemeindegruppen und Einzelpersonen, haben sich als Gastfamilien bereit erklärt, Flüchtlinge aufzunehmen. Die Gemeinen führen Sonderkollekten durch, um Familien zu unterstützen, die Flüchtlinge aufgenommen haben.

„Es war ermutigend für mich zu erleben, wie viele Kirchenmitglieder ihre Türen für Flüchtlinge geöffnet haben, die aus dem Norden fliehen mussten. In den meisten Fällen haben sie sowohl Menschen christlichen als auch muslimischen Glaubens aufgenommen, und das entspricht der Realität vieler Familien in Nordnigeria, die aus Mitgliedern beider Glaubensrichtungen bestehen“, sagte Generalsekretär Junge. „Wir haben eine Kirche gesehen, die sich dem Dienst und der Weggemeinschaft verpflichtet fühlt, und deshalb glauben wir, dass es Hoffnung gibt.”

Die LWB-Delegation bekräftigte die Solidarität der Gemeinschaft mit den nigerianischen Mitgliedskirchen und den Vertriebenen, die sie beherbergen. Innerhalb der LKCN wirkt sich diese Situation auch auf die Kirche und ihre Arbeit aus, da mehrere Kirchen in Flammen aufgegangen sind und zwei Diözesen gezwungen waren, ihren Hauptsitz zu verlegen. „Ich konnte während meines Besuchs erleben, dass die Zurkenntnisnahme dieser Realität und die Solidarität mit der LKCN im gemeinsamen Gebet schon sehr viel bewirken können. Daraus erwachsen Vertrauen, Kraft und Hoffnung, und davon brauchen wir in diesen Zeiten jede Menge“, sagte Junge.

Der Generalsekretär traf sich ebenfalls mit Binnenvertriebenen. „Ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir Sie nicht vergessen und nicht im Stich lassen werden“, versicherte er ihnen. „Es gibt viele Menschen, die für Sie beten.“