LWB-Rat verabschiedet Erklärung zum Umgang mit heiligen Stätten

Jerusalem. Foto: LWB/D. Harris

Aufruf, Orte von spiritueller Bedeutung zu achten

(LWI) – Der Rat des Lutherischen Weltbundes (LWB) hat bei seiner Tagung 2014 den „Universellen Kodex für den Umgang mit heiligen Stätten“ angenommen. Das Dokument wurde in Konsultation mit religiösen Führungspersönlichkeiten und Sachverständigen mehrerer Weltreligionen formuliert und macht in zehn Artikeln Aussagen über die Errichtung, den Erhalt und den Zugang zu heiligen Stätten weltweit. Ausserdem gibt es Empfehlungen, wie Konflikte verhindert werden können.

Es werden Empfehlungen gemacht zum Umgang mit Stätten, die für mehrere Glaubensrichtungen heilig sind, sowie zu Fällen von Enteignung und Verstaatlichung. Der LWB-Rat ermutigte ausserdem die Mitgliedskirchen, Initiativen in ihrem eigenen Kontext zu unterstützen, und rief die Vereinten Nationen auf, eine Resolution im Geist des Kodex zu verabschieden.

Die Initiative zur Beschlussfassung über die Erklärung war von LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan ausgegangen.

„Wir stellen immer wieder fest, dass es weltweit sowohl politisch als auch religiös motivierte  Übergriffe auf heilige Stätten gibt“, erklärte Younan, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land.

„Wir sind betroffen und fragen uns, wie es sein kann, dass heilige Stätten zu legitimen Zielen in Konflikten werden. Heilige Stätten sollten Orte des Gottesdienstes, der Meditation und des Gebets sein, Orte, an denen wir jenem Gott näher kommen, der uns als Pilgerinnen und Pilger für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung in die Welt sendet.“

Kanada: Überwindung alter Konflikte

Cindy Halmarsson, Beraterin des Rates und Bischöfin der kanadischen Saskatchewan-Diözese berichtete von einer heiligen Stätte, die von unterschiedlichen Religionen genutzt wird.

Jahrhundertelang war die kanadische Prärieprovinz Saskatchewan von indigenen Stämmen – in Kanada als „First Nations“ bezeichnet – wie etwa den Young Chippewayan bewohnt. 1876 erhielten sie mit der Unterzeichnung des Vertrags Nr. 6 Land für ein Reservat. Aus verschiedenen Gründen wurden die Young Chippewayan jedoch zerstreut und siedelten sich an unterschiedlichen Orten an. Später wurde das Reservat von der kanadischen Regierung aufgelöst und für die Besiedlung freigegeben.

„Stony Knoll“, ein Hügel inmitten von Weizenfeldern und Prärie zwischen dem North und dem South Saskatchewan River, galt den Young Chippewayan als heiliges Land. Das Gebiet blickt auf eine lange Geschichte der Nutzung durch Angehörige der First Nations zurück, die sich dort für Rituale und zum Gebet versammelten.

Als die Region im späten 19. Jahrhundert von LutheranerInnen und Mennoniten besiedelt wurde, wählten auch sie den Hügel für ihren Gebetsort, bauten dort eine Kirche und legten um sie herum einen Friedhof an.

Es dauerte mehr als einhundert Jahre, bis die drei Parteien Verhandlungen aufnahmen und sich auf eine gemeinsame Nutzung dieses Ortes einigten. 2006 unterzeichneten LutheranerInnen, MennonitInnen und Young Chippewayan im Rahmen einer traditionellen Zeremonie eine Absichtserklärung.

Die Young Chippewayan sagten zu, die aktuellen Besitzverhältnisse zu achten – die Landflächen gehören christlichen Gemeinden. Im Gegenzug versicherten MennonitInnen und LutheranerInnen ihrerseits den Young Chippewayan ihre Unterstützung bei der Durchsetzung der Entschädigungsforderungen für den Verlust des Gebietes vor 130 Jahren.

„Stony Knoll“, ein Ort, um den ein interreligiöser Konflikt entbrannte, ist heute Symbol interreligiöser Beziehungen zwischen protestantischen Gläubigen und First Nations in Kanada.

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