LWB-Präsident Hauptredner beim Martin Luther Forum Ruhr

LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan im Martin Luther Forum Ruhr. Foto: DNK

„Politik und Religion zu trennen weder weise noch wünschenswert“

(LWI) – Zum Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit im Nahen Osten und gegen eine künstliche Trennung von Politik und Theologie rief LWB-Präsident Bischof Dr. Munib A. Younan am 26. Juni 2014 in einem Vortrag im Martin Luther Forum Ruhr in Gladbeck (Deutschland) auf. Aus seiner Heimat, dem Nahen Osten, wisse der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Jordanien und im Heiligen Land (ELKJHL), dass eine Trennung beider Bereiche weder möglich noch klug sei. Die Politik müsse Raum für Religionen lassen und die Kirchen die Regierungen kritisch begleiten.

Younan besuchte Deutschland auf Einladung des Martin Luther Forums Ruhr. Am Nachmittag des 26. Juni traf der Präsident des Lutherischen Weltbundes (LWB) mit dem Bürgermeister der Stadt Gladbeck, Ulrich Roland, zusammen. Nach einem Austausch zu Fragen der Integration und des friedlichen Zusammenlebens der Religionen trug sich Younan in das goldene Buch der Stadt ein. Im Anschluss nahm der Bischof an dem traditionellen Sommerfest des Martin Luther Forums teil, das von über 200 Teilnehmenden besucht wurde. Durch den Abend führte OKR Detlef Mucks-Büker, der Vorsitzende des Stiftungsrates der Martin Luther Stiftung Ruhr. Grußworte kamen von dem Regierungspräsidenten Prof. Dr. Reinhard Klenke und dem Geschäftsführer des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes, OKR Norbert Denecke.

Rolle von Religion im öffentlichen Raum

In seinem Hauptvortrag widmete sich Younan der Frage, inwieweit die Systeme Politik und Theologie miteinander im Einklang stehen können. Oft würde ihm als Bischof eine vollständige Trennung empfohlen. Diese könne er aber nicht akzeptieren. „Ich komme aus einem Kontext, wo Religion und Politik nicht getrennt werden können […] Politik und Religion zu trennen ist weder weise noch wünschenswert.“ Außerdem entspräche dies nicht seiner lutherischen theologischen Tradition, so Younan. Dies entfaltete er anhand der Zwei-Reiche-Lehre Luthers und deren Wiederaufnahme in den 1930er-Jahren u. a. durch Dietrich Bonhoeffer.

Vor diesem Hintergrund gab der Bischof der ELKJHL eine Analyse der Verhältnisse von Religion und Politik im Nahen Osten. Multiples Versagen hätte zu der heutigen Krisensituation in der Region geführt, auch die Beschneidung religiöser Freiheit. „Die Unterdrückung religiöser Impulse führte zu beispiellosen Wellen von religiösem Fanatismus, sobald die diktatorische Gewalt fort war“, so Younan. Daher wies der Bischof auch alle Forderung zurück, Religion völlig aus der Gesellschaft auszuklammern. Dies führe gerade zu besagten desaströsen Ergebnissen.

Dies verband er mit dem politischen Engagement der Kirchen. Der Nahe Osten suche weiterhin nach Modellen guter Regierungsführung. Dazu könnten die Kirchen nicht schweigen: „Die Krise der Regierungen […] verlangt es, dass die örtlichen Kirchen ihre Herangehensweisen an politisches Engagement überdenken.“ Zur Spannung zwischen Religion und Politik betonte er: „Wir wollen nicht die Politik ‚christianisieren‘, wir streben danach, die Gesellschaft durch politisches Engagement zu verbessern.“ Gleichzeitig lehnte Younan Verfassungen ab, die die heiligen Texte einer Religion als Hauptquelle haben: „Vor dem Gesetz sind alle Religionen gleich; daher suchen wir Religionsfreiheit und Freiheit in religiösem Bekenntnis.“

Der LWB-Präsident unterstrich, dass die lutherischen Kirchen dieses Anliegen mit vielen Religionsgemeinschaften teilen. Zu der Frage, welche Rolle Religion im öffentlichen Raum einnehmen kann, hat der LWB im Januar 2014 ein Drei-Jahres-Programm gestartet. Vier Konferenzen weltweit, die gemeinsam mit Partnern anderer Religionen verantwortet werden, werden sich mit dieser Frage beschäftigen. Zwei der Konferenzen haben bereits stattgefunden: im Januar 2014 in Münster (Deutschland) gemeinsam mit dem Zentrum für Islamische Theologie sowie in Dar es Salaam (Tansania) mit 60 religiösen und zivilgesellschaftlichen Führungspersonen aus Afrika.

Zur Situation in Israel-Palästina bekräftigte der Präsident des LWB den Einsatz der LutheranerInnen in Palästina und weltweit für eine Zwei-Staaten-Lösung mit einer gemeinsam geteilten Stadt Jerusalem.

„Himmelskreuz“ für Luthergarten

Nach dem Festvortrag des LWB-Präsidenten hatten die Veranstalter noch eine Überraschung für Younan vorbereitet. Sie übergaben ihm ein Modell der Skulptur „Himmelskreuz“ vom Künstler Thomas Schönauer. Nach diesem Modell soll in den nächsten Jahren im Wittenberger Luthergarten das Kreuz der Lutherrose – dem zentralen Platz des Luthergartens – gestaltet werden. Der Initiator des Luthergartens, Landschaftsarchitekt Andreas Kipar, erinnerte daran, dass das Martin Luther Forum Ruhr bereits 2010 einen Trompetenbaum in Wittenberg gepflanzt hatte. Mit dem Partnerbaum im Martin Luther Forum sei Gladbeck mit dem Luthergarten in Wittenberg ebenso verbunden wie mit den vielen anderen Orten weltweit, an denen Partnerbäume des Luthergartens stünden.