LWB-Diakoniegruppe beschliesst Solidaritätsaktion für die Ukraine

Dave Smith, Gründer von Boaz Trust, das mit Asylsuchenden und Flüchtlingen im Grossraum Manchester zusammenarbeitet, erklärt den Mitgliedern der diakonischen „Solidaritätsgruppe“ die Arbeit seiner Organisation. Foto: Diakonia Solidarity Group

Austausch und Lernen stärken die Zusammenarbeit unter diakonischen Akteurinnen und Akteuren in Europa

(LWI) – Die Diakoniegruppe des Lutherischen Weltbundes (LWB) wird die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche in der Ukraine (DELKU) in ihrer Hilfe an arme und vom Konflikt betroffene Menschen unterstützen. Dies beschloss die „Solidaritätsgruppe“, die den Austausch von Praktiken der diakonischen Akteurinnen und Akteuren zahlreicher lutherischer Kirchen überall in Europa koordiniert, anlässlich ihres jüngsten Treffens vom 2. bis 6. März in Manchester.

Die Teilnehmenden des Treffens über „Konvivente Ökonomie“ haben eine Arbeitsgruppe eingerichtet, welche die Möglichkeiten eines Solidaritätsbesuchs bei der ukrainischen Kirche prüfen soll. Zu den 28 diakonischen Akteurinnen und Akteuren aus 19 Ländern gehörte auch Luba Galimova, Leiterin der diakonischen Arbeit der DELKU. Sie dankte für „die grosse Bereitschaft der Mitglieder der ‚Konvivenz-Gruppe‘, den Menschen in der Ukraine zu helfen.“

Der 2011 eingeleitete europäische Diakonieprozess des LWB und dessen Workshop-Reihe befinden sich in ihrer zweiten Phase. Dabei geht es um die Ausarbeitung und den Austausch von Konzepten und Praktiken der Konvivenz – der Kunst und Praxis des Zusammenlebens in Solidarität und nachhaltigen Gemeinschaften.

Zu dem Treffen in Manchester gehörte auch ein Besuch im Bezirk Salford, wo die für soziale Gerechtigkeit tätige ökumenische Gruppe Church Action on Poverty mit Menschen zusammenarbeitet, die unter Armut und Stigmatisierung leiden, indem sie diese ermutigt, sowohl auf lokaler Ebene als auch über die Medien über ihre Geschichte und ihre Schwierigkeiten zu berichten.

Der Konvivenz-Prozess soll vor allem dazu beitragen, dass sich die verschiedenen Regionen Europas austauschen und voneinander lernen. Darüber hinaus wird nach weiteren Möglichkeiten gesucht, näher zusammen zu rücken und sich gegenseitig zur Umsetzung des Konzeptes zu ermutigen, indem die Anstrengungen, Erkenntnisse und guten Praktiken mit der breiteren lutherischen Gemeinschaft ausgetauscht werden. Am diesjährigen Workshop nahmen auch zwei Besucher aus Afrika und Asien teil und bestätigten, dass der Prozess für alle Regionen des LWB relevant ist.

Einstellung der Öffentlichkeit

In den regionalen Arbeitsgruppen betonten die Akteurinnen und Akteure aus Mittel-und Westeuropa wie wichtig es sei, sowohl in den Kirchen als auch im öffentlichen Raum stärker auf den Zusammenhang zwischen konviventer Wirtschaft und konviventer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Die Konferenzteilnehmer diskutierten Vorfälle, bei denen Menschen mit psychischen Problemen, Demenz, Lernschwierigkeiten, Behinderungen oder auch Migranten auf offener Strasse angegriffen wurden. Dies zeige wie sehr sich unsoziales Verhalten bereits in der Gesellschaft etabliert hätte, so die Teilnehmer. Kirche und Diakonie stünden in der Pflicht, vor Ort Themen wie Verschuldung und Würde sowie Nahrung und Würde anzusprechen und zugleich den gegenseitigen Austausch und konkrete Projekte zu fördern.

Die Mitglieder der nordischen Gruppe erklärten, sie wollten die Diskussionen auf Gemeindeebene fördern und die Veröffentlichung Konvivenz schaffen. Zur Gestaltung von Gemeinwesendiakonie in Europa nutzen, um dieses über individuelle Ansätze hinausgehende neue Konzept bekannt zu machen. Bereits bestehende Treffen sollen weitere Gelegenheiten für Lobbyarbeit und Bewusstseinsbildung bieten.

Krieg und Armut

Die Initiative einer globalen „Solidaritätsgruppe“ für die DELKU war Teil der Gespräche in der mittel- und osteuropäischen Regionalgruppe, welche sich mit Themen rund um den Zusammenhang zwischen Krieg und Armut, Verschuldung und Migration befasste.

Wie die Gruppe feststellte, sind in der Ukraine besonders dringend Hilfsmassnahmen zur Behandlung posttraumatischer Störungen für Soldaten und medizinisches Hilfspersonal an der Front sowie deren Familien notwendig.

Betont wurde ebenfalls die länderübergreifende Zusammenarbeit beim Umgang mit dem massiven Zustrom von Ukrainern in Ostungarn. Die lokalen Gemeinschaften stehen dort nicht nur vor der Herausforderung, die Flüchtlinge unterzubringen, sondern müssten auch Vorurteile überwinden und ein Bewusstsein für die psychische und körperliche Verfassung der Flüchtlinge und ihre Traumatisierungen schärfen. Friedensstiftende Strategien und Konzepte seien entscheidend für das Zusammenleben in Familien, Vierteln, Städten und Kirchengemeinden.

Neoliberales Wirtschaftsmodell

Alle Gruppen befassten sich mit den Auswirkungen des neoliberalen Wirtschaftsmodells auf ausgegrenzte Bevölkerungsgruppen, die Lebensgrundlagen und die soziale Sicherheit mehrerer Generationen. Dr. Peter Szynka vom Diakonischen Werk Hannover (Deutschland) erläuterte in seinem Referat, dass die Schwächsten in der Gesellschaft von Sparmassnahmen aufgrund der damit einhergehenden Deregulierung der Beschäftigung, Verringerung der Sozialleistungen und Individualisierung systemischer Wirtschaftsprobleme am meisten betroffen sind.

Die Teilnehmenden hielten fest, dass die kirchliche Diakonie im Gegensatz zu liberalisierten sozialen Hilfseinrichtungen nach wie vor stabile, zuverlässige und menschenwürdige Arbeitsplätze anbietet. Dennoch braucht es mehr Fürsprache, um bei den Anbietern sozialer Leistungen als auch bei den Hilfsempfängern das Bewusstsein für die Werte der Diakonie als Teil des Engagements für Gerechtigkeit zu schärfen.

Gegenseitiges Vertrauen

Der Workshop in Manchester sei ein weiterer wichtiger Schritt, um die gemeinsame Analyse und Reflexion über eine sinnvolle und nachhaltige Diakoniepraxis weiter zu vertiefen, erklärte Pfrn. Dr. Eva-Sibylle Vogel-Mfato, LWB-Europareferentin der Abteilung für Mission und Entwicklung (AME).

„Das Klima war sichtbar von einem Geist der Zusammenarbeit geprägt. Im Laufe des fünfjährigen Diakonieprozesses konnten wir immer engere Beziehungen knüpfen. Es hat sich gezeigt, dass das Vertrauen untereinander inzwischen gross genug ist, um auch konfliktträchtige Themen, politische Meinungsverschiedenheiten und Ängste anzusprechen und als Brüder und Schwestern in Christus durch gemeinsame Anstrengungen zu überwinden.“

AME leitet den Diakonieprozess, der sich 2016 auf konvivente Theologie konzentrieren wird.